Den Verteidigern war zuvor vom Gericht wochenlang das Rederecht entzogen worden. Als sie sich hierüber hinwegsetzten, da ihnen anders eine Verteidigung ihrer Mandanten nicht möglich erschien, wurden sie auf Anordnung des Richters von einem Sonderkommando aus dem Saal entfernt. Als daraufhin der Vorstand der Istanbuler Anwaltskammer vom Gericht forderte, ein faires Verfahren durchzuführen und das Recht auf eine effektive Verteidigung zu achten, wurde er selbst angeklagt. Den Vorstandsmitgliedern droht nun bis zu 4 Jahren Haft.
Diese Anklage ist ein weiterer Versuch, die türkische Anwaltschaft einzuschüchtern.
Zum Prozessauftakt am 17. Mai 2013 demonstrierten hunderte türkische Anwälte in ihren Roben, darunter die Präsidenten einiger türkischer Kammern, zusammen mit Anwälten aus England, Frankreich, Italien, Schweden, Niederlande, Griechenland, Deutschland und Marokko gegen das Vorgehen der türkischen Justiz.
"Unsere türkischen Kollegen verteidigen hier das Menschenrecht auf Verteidigung. Ihr Kampf ist auch unser Kampf. Ihr Engagement und die große Solidarität in der Anwaltschaft beeindrucken uns außerordentlich", erklärte Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Vorsitzender des DAV-Strafrechtsausschusses, am Freitag gegenüber der türkischen Presse. König berichtet, dass der Richter den Prozess bereits kurz nach Beginn abbrach und in den Oktober vertagte. Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass er mit diesem Andrang nicht gerechnet habe. Vor der Tür standen allerdings mehrere Mannschaftsbusse der Polizei, die offenbar auf das große öffentliche Interesse vorbereitet war.
"Der Angriff auf die Anwaltschaft wird mit beängstigender Systematik und Konsequenz geführt", berichtet Rechtsanwältin Gül Pinar, ebenfalls Mitglied im Strafrechtsausschuss des DAV, unter Hinweis auf weitere laufende Verfahren gegen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. "Es scheint, dass die gesamte politische Opposition durch die Ausschaltung ihrer Verteidigung rechtlos gestellt werden soll", so Pinar weiter, die gemeinsam mit König als Prozessbeobachterin für den DAV vor Ort war.
Bereits seit 2012 sind im sog. KCK-Verfahren 46 Anwältinnen und Anwälte angeklagt (AnwBl 2012, 988). Im Januar 2013 wurden bei Razzien über 10 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte festgenommen (AnwBl 2013, 215). Der DAV begleitet die Verfahren als Prozessbeobachter.