Wie weitreichend die Folgen von Krankheit sind – für den Einzelnen ebenso wie für das gesamte soziale Gefüge – hat sich in den Zeiten der Pandemie verschärft gezeigt. Klimabewegungen, die sich mit den Auswirkungen der Klimaveränderungen auf die Gesundheit auseinandersetzen, rechnen mit einer zunehmenden Zahl kranker Menschen. Denn die Klimakatastrophe ist ein zusätzlicher Treiber von Krankheit. Die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen und die darin agierenden Disziplinen sind vielfältig. „Es sind ebenso körperliche und zunehmend psychische Erkrankungen, die sich auf die Klimakrise und die Umweltverschmutzung zurückführen lassen“, berichtet die Ergotherapeutin Schmalen.
Ergotherapeut:innen sorgen für Motivation und Antrieb
Es ist eine der Besonderheiten von Ergotherapeut:innen, ihren Patient:innen einen veränderten Blick und eine resiliente, stabile Sichtweise zu vermitteln. Die ist gerade im Kontext einer Krise wesentlich, um Menschen aus der Frustration oder der vermeintlichen Handlungsunfähigkeit oder Sinnlosigkeit zu holen: Erkennen und nutzen Menschen die Möglichkeiten, die sie selbst haben, um etwas zu erreichen oder um Stellschrauben zu verändern, steigert das die Selbstwirksamkeit und die Zuversicht. Das gilt insbesondere für Menschen mit einer psychischen Belastung oder Erkrankung, aber ebenso für alle anderen. „Im Zusammenhang mit der Klimakrise bedeutet das beispielweise, Patient:innen zu zeigen, wie sie etwas bewirken und bewegen können, indem sie etwa über ihren ökologischen Fußabdruck hinaus ihren Handabdruck verbessern können“, erklärt Sonja Schmalen ihre Herangehensweise als Ergotherapeutin. Der Bedeutung des Handabdrucks im Zusammenhang mit der Klimakrise ist noch nicht bei allen bekannt. Die mit dem Handabdruck geschaffenen Veränderungen sind zwar nicht messbar wie der CO2-Fußabdruck, aber weitreichender. Die Ergotherapeutin erläutert dies an einem Beispiel: „Auf das Fahrrad umzusteigen, senkt den persönlichen CO2-Fußabdruck, weil das Auto stehenbleibt. Gelingt es dann noch, Freund:innen und Bekannte zu überzeugen oder Fahrgemeinschaften mit dem Rad zu bilden, sind es viele Menschen, die weniger CO2 verursachen – das vergrößert den Handabdruck“. Und es geht noch mehr: Sich für den weiteren Ausbau kommunaler Fahrradwege einzusetzen, so dass das Radfahren sicherer wird und sich mehr Menschen aufs Bike trauen, zieht größere Kreise und verstärkt so den Handabdruck zusätzlich. Es braucht den Einfallsreichtum vieler, um die CO2-Reduktion und eine in Summe gesündere Lebensweise herbeizuführen. Am effektivsten geht das in Gruppen, die im gemeinsamen Brainstorming erfahrungsgemäß besonders kreativ sind. Die Ergotherapeutin Schmalen ermutigt alle, sich zu organisieren. Das ist als Individuum ebenso wie in einer eigenen Gruppe denkbar, oder in einer der vielen Klimabewegungen, die bereits über entsprechende Strukturen, Kontakte und Netzwerke verfügen. Sich einzubringen bedeutet für viele, wieder eine Perspektive zu haben oder neue Aussichten zu entdecken und die eigene Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Ergotherapeutisches Selbstverständnis: Interdisziplinäres Zusammenarbeiten – auch in Sachen Klima
„Klimagerechtigkeitsbewegungen wie KLUG oder Health for Future führen eine große Bandbreite von Wissen zusammen“, begeistert sich die Ergotherapeutin Schmalen. Zum Einen entspricht das inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeiten der Vorgehensweise von Ergotherapeut:innen, die zum Wohl der Patient:innen eng verzahnt mit anderen Fachdisziplinen aus der Medizin, Physiotherapie oder Logopädie kooperieren. Zum Anderen ist nur so eine Veränderung möglich: Um einen gesunden und schönen Planeten zu bekommen, sind Expert:innen aus allen Bereichen nötig. Denn es gibt für vieles Lösungen; es gibt Zielwissen, um einen besseren Umgang mit Problemen auszuarbeiten. Und es gibt Visionen von grünen Städten, in denen es sich gesund leben lässt. Bis dieser Idealzustand eintritt, betreiben Ergotherapeut:innen Schadensbegrenzung. Eine ihrer Aufgabenstellungen ist die Beratung. Dies bedeutet im Kontext der Klimakrise etwa, bei Patient:innen abzufragen, wie sie sich im Sommer vor der zunehmenden Hitze schützen, ihnen das Nutzen einer zuverlässigen Wetter-App zu empfehlen oder auch ausreichend beschattete öffentliche Plätze zu finden, wo Menschen sich aufhalten können, wenn die eigene Wohnung sich zu stark aufheizt. In der kalten Jahreszeit wiederum klopfen Ergotherapeut:innen im Rahmen einer klimasensiblen Beratung die Heizsituation ab. So sollten etwa Patient:innen mit Erkrankungen wie Spastiken oder Rheuma ihren Alltag in ausreichend geheizten Räumen verbringen, da sich die Symptome ansonsten bei den meisten verschlimmern. Zu wenig geheizte oder ungeheizte Räume sind für niemanden gesund beziehungsweise kann es die Gesundheit gefährden, etwa wenn sich dadurch Schimmel bildet. Kommen ein Umzug oder andere Alternativen nicht in Betracht, kann es eine gute Lösung sein, Aufenthaltsorte zu finden, die besser beheizt sind und sich mit sinnstiftenden Aktivitäten kombinieren lassen. Je nach Interessenslage können das öffentliche Bibliotheken, Museen, die in manchen Städten keinen Eintritt kosten oder gemeinnützige oder kirchliche Einrichtungen sein.
Win-win: Alles, was für das Klima gut ist, ist gut für die eigene Gesundheit
Die Ergotherapeutin Sonja Schmalen wünscht sich mehr gesunde Menschen und weniger zu behandelnde Patient:innen. Sie will möglichst viele für das Thema Klima und Gesundheit begeistern. Sie hebt in diesem Zusammenhang die bestehenden Möglichkeiten, mit erneuerbaren Energien Geld zu verdienen, hervor. Auch sieht sie Klimaschutz als Chance für Unternehmen. Junge Menschen überlegen sich sehr gut, mit welchem Arbeitgeber sie sich identifizieren wollen und welche Firmenpolitik und Ausrichtung zu ihnen passt. „Außerdem“, sagt Schmalen „sprechen die Zahlen und Fakten für sich“. Feinstaub in der Umgebungsluft ist die weltweit größte umweltbedingte Gesundheitsgefahr: Es sterben mittlerweile mehr Menschen an Luftverschmutzung als an Rauchen! Jede und Jeder kann sich dafür einsetzen, dass nicht zunehmend mehr Menschen – Kinder nicht ausgenommen – an Atemwegserkrankungen leiden oder an Luftverschmutzung sterben. Oder die Zahl psychisch Erkrankter weiter zunimmt. Denn auch die Klimakrise belastet viele psychisch, was die Fachwelt als Solastalgie, eco grief oder Weltschmerz bezeichnet. „Besser als behandeln ist Handeln“, fordert Sonja Schmalen und benennt wissenschaftliche Informationsquellen und weitere Möglichkeiten, um selbst fundiert zu recherchieren oder um sich zu engagieren.
The Lancet, eine der ältesten und renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften der Welt, gibt den jährlichen „Lancet Countdown“, einen Bericht zu den Auswirkungen des Klimawandels heraus: https://www.lancetcountdown.org/
Die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) https://www.klimawandel-gesundheit.de/ ist ähnlich wie Health for Future https://healthforfuture.de/ ein Netzwerk aus dem Gesundheitsbereich, das sich für das Klima stark macht.
Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeut:innen vor Ort; Ergotherapeut:innen in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes unter https://dve.info/service/therapeutensuche