Gemeinsam warnen die Organisationen davor, dass fehlende Perspektiven und mangelnde Akzeptanz immer mehr junge Menschen zu Verlierern und Außenseitern machen - mit gravierenden Folgen für die Betroffenen und die ganze Gesellschaft. Mit dem Forum “Wir sind auch Deutschland!“ rufen sie dazu auf, Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt der Anstrengungen für eine bessere Integration von Einwanderern zu stellen. Denn Appelle an die Integrationsbereitschaft ausländischer Familien sind so lange zum Scheitern verurteilt, wie es nicht gelingt, die schlechteren Startbedingungen der Kinder auszugleichen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Kinder in Kindergarten, Schule, Nachbarschaft und Gemeinde fürsorgliche, verlässliche und stabile Lebensumwelten vorfinden.
„Die meisten Kinder mit Migrationshintergrund wollen in Deutschland leben und suchen einen Platz in unserer Gesellschaft. Hierfür müssen wir ihnen bessere Chancen anbieten“, sagte Bundespräsident a.D. Roman Herzog, Vorsitzender des Bündnis für Kinder, in Berlin.
„Integration beginnt mit den Kindern. Alle Migrantenkinder sollten einen Kindergarten besuchen können und dort die deutsche Sprache lernen, bevor sie eingeschult werden. Dies gilt auch für Flüchtlingskinder, die sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten“, sagte Heide Simonis, Vorsitzende von UNICEF Deutschland.
„Die Verantwortung für die Integration darf nicht allein bei den Eltern liegen. Kindergärten und Schulen müssen individueller fördern statt Kinder bei Problemen gleich auszusortieren. Hierzu muss es mehr Fachkräfte geben, die selbst einen Migrationshintergrund haben“, sagte Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.
„Nur wenn Bund und Länder, Städte und Gemeinden Geld in die Hand nehmen, um konkrete Verbesserungen bei der Sprachförderung, in den Schulen und der Entwicklung nachhaltiger Integrationskonzepte im Wohnungsbau zu schaffen, wird es möglich sein, Kindern mit Migrationshintergrund Chancengleichheit zu ermöglichen“, erklärte Dr. Heide-Rose Brückner, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Integration braucht Miteinander und Perspektiven
Ein Teil der Kinder mit Migrationshintergrund kommt aus benachteiligten und oftmals auch bildungsfernen Familien. Ihre Eltern sind im Vergleich zur übrigen Bevölkerung geringer qualifiziert und häufiger von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. Der 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung wies bereits vor zwei Jahren darauf hin, dass 40 Prozent der ausländischen Kinder im Vorschulalter aus einkommensarmen Familien kamen. Migrantenkinder wachsen häufiger in schlechten Wohnverhältnissen und vernachlässigten Stadtvierteln auf, wo sie wenig Kontakt zu deutschen Altersgenossen haben. Soziale Benachteiligung und Fremdheit verstärken sich gegenseitig. Unter den Folgen leiden die Kinder der zweiten und dritten Generation, die hier geboren wurden und nur noch wenig Bezug zu ihrem Herkunftsland haben, am härtesten.
Bildung: Fördern statt aussortieren
Die meisten Familien ausländischer Herkunft haben heute die große Bedeutung von Bildung und Sprachkenntnissen für die Zukunft ihrer Kinder erkannt. Doch wissen sie oft nicht, wie sie ihre Kinder fördern und auf dem Weg durch die Schule begleiten können. So gibt es im Vergleich zu den deutschen Altersgenossen ein erhebliches Gefälle bei den Schulleistungen und beim Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen.
- Laut PISA-Studie ist Deutschland Schlusslicht, wenn es um Schulleistungen der im Land geborenen Migrantenkinder geht. Beinahe die Hälfte von ihnen haben so schlechte Mathematikleistungen, dass sie damit auf dem Arbeitsmarkt nicht bestehen können.
- Etwa jeder zweite junge Türke besucht eine Hauptschule - und nur jeder achte ein Gymnasium. Selbst wenn ihre Leistungen genauso gut sind wie die der Deutschen, bekommen Migrantenkinder seltener eine Gymnasialempfehlung.
- In den meisten Bundesländern ist der Anteil der Kinder nichtdeutscher Herkunft, die ohne Abschluss die Schule verlassen, höher als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. So liegt dieser Anteil zum Beispiel in Hessen bei 15 Prozent - Migrantenkinder stellen dort jedoch 30 Prozent aller Schulabbrecher.
Integrationsbereitschaft muss sich für die Kinder lohnen
Mit dem nationalen Integrationsplan liegen weit reichende Vorschläge und Versprechen von Bund, Ländern, Kommunen, Verbänden und Medien vor. Jetzt ist es Zeit zu handeln:
- Die Bildungs- und Förderangebote für Kinder aus benachteiligten Familien - mit und ohne Migrationshintergrund - müssen rasch ausgebaut werden.
- Für Migrantenkinder muss der kostenlose Besuch eines Kindergartens und Sprachförderung im Vorschulalter ermöglicht werden.
- Schulen müssen Kinder individueller fördern und dazu beitragen, Bildungsbarrieren abzubauen. Hierzu müssen mehr qualifizierte Fachkräfte mit Migrationshintergrund eingesetzt werden.
- Kinder und Jugendliche, die in der Schule gescheitert sind, brauchen eine zweite Chance, um einen qualifizierten Abschluss zu erlangen.
- Städte und Gemeinden müssen mehr konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund schaffen und ihre Isolation in so genannten „Problemvierteln“ verhindern.
Das Forum „Wir sind auch Deutschland!“ wird auf Phoenix übertragen.