Aktuelle Windturbinen sind die größten rotierenden Maschinen, die der Mensch je gebaut hat. Heute haben Windenergieanlagen einen Rotordurchmesser bis zu 180 Metern – Tendenz weiter steigend, denn größere Rotordurchmesser verbessern die Wirtschaftlichkeit der Anlage durch optimiertes „Abernten“ des Windes.
Dr. Anton Klassert, Geschäftsführer des Deutschen Kupferinstituts, dazu: „Moderne Windkraftanlagen benötigen heute inklusive Infrastruktur bis zu 30 Tonnen Kupfer, um zu funktionieren. In den Ringgeneratoren großer Windräder sorgen Wicklungen aus bis zu mehreren hundert Kilometern Kupferflach- und Runddraht für eine umweltfreundliche Stromerzeugung. Die hervorragenden Materialeigenschaften von Kupfer zeigen sich dabei vor allem beim so genannten Kabel-Loop. Dieser gewährleistet, dass sich die Gondel samt Rotorblättern in die von der Windrichtung abhängige, optimale Stellung drehen kann, wobei starke Kräfte auf die Leitungen wirken. Benutzt werden dafür spezielle Kupferleitungen der Klasse 5 und 6, die mit einer spezifischen Verseilung der einzelnen Litzen ausgestattet sind.“
Kupfer steckt ebenfalls in den Motoren, die die Rotorblätter in ihrer Längsachse drehen und dadurch die Leistung entsprechend der Windgeschwindigkeit regeln. Relativ viel Kupfer braucht auch die Wicklung des Transformators, der die Windkraftanlage mit dem Mittelspannungsnetz des Windparks verbindet. Hinzu kommen noch die stromabführenden Kabel und Leitungen, die alle wichtigen Signale übertragen.
Werkstoffverfügbarkeit garantiert technologische Weiterentwicklung
„Windenergieanlagen zählen zum klassischen Schwermaschinenbau und zählen damit zur Kernkompetenz deutscher Industrieunternehmen“, ergänzt Professor Andreas Reuter, Institutsleiter beim IWES. „Wesentliche Rohstoffe für die Bauteile einer Windenergieanlage sind Stahl, Glasfaserverbundwerkstoffe, Beton und Kupfer. Alle diese Materialien sind in ausreichender Menge verfügbar. In den letzten Jahren wurden für Generatoren vermehrt seltene Erden verwendet (z.B. für Permanentmagnete). Hier hat es starke Preisschwankungen gegeben. Technisch ist bei deren tatsächlich auftretender Verknappung die Verwendung des klassischen Werkstoffes Kupfer jedoch ohne weiteres möglich.
Die Verfügbarkeit der benötigten Rohstoffe für die Herstellung von Windkraftanlagen scheint also nicht das Problem in der Diskussion um deren Ausbau zu sein. Doch woran liegt es dann?
Dazu Jan Glahr, Vizepräsident im Bundesverband WindEnergie (BWE): „Bei der Windenergie stehen wir vor allem vor den Herausforderungen Netzausbau, Repowering und Strompreise. Verschiedene politische Debatten haben den Netzausbau, insbesondere für die wichtigen Nord-Süd-Trassen verzögert und gleichzeitig ein schwieriges Akzeptanzumfeld geschaffen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat im September mit dem Impulspapier Strom 2030 klargestellt, dass der Netzausbau dem Ausbau Erneuerbarer Energien folgen soll und nicht umgekehrt. Deutschland muss zudem ein Interesse haben, das der Energieanlagenpark immer auf dem neuesten Stand ist.“
Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts IWES liefern Windenergieanlagen je nach Standort in Deutschland 2500 bis 4500 Volllaststunden: Durch sehr präzise Prognosetools kann die erwartete Windstrommenge bereits für mehrere Tage im Voraus bestimmt werden. Für den geplanten weiteren Ausbau der Windenergie werden durch diese Eigenschaften der Speicherbedarf reduziert und die Stromkosten gesenkt. Hochentwickelte Leistungselektronik der Turbinen ermöglicht die Spannungsstabili-sierung des Netzes und verhindert Netzausfälle, somit reduzieren sich auch langfristig die Netzausbaukosten.
Windenergie ist die günstigste Form der erneuerbaren Energien
Zum Thema Strompreise führt Reuter weiter aus: „Die Kosten der Windenergie sind stark von den Windverhältnissen des geplanten Standortes der Windenergieanlage abhängig. An sehr guten Standorten kann derzeit eine kWh für ca. 2,5-4 €cts produziert werden. In Deutschland sind die Stromgestehungskosten deutlich höher, hier muss mit 6-8 €cts/kWh gerechnet werden. Im Offshore-Bereich sind die Kosten noch höher – abhängig von der Entfernung zur Küsten zwischen 7-12 €cts/kWh. In den letzten 20 Jahren haben sich die Kosten der Windenergie jedoch im Schnitt halbiert; durch weitere Innovationen in allen Technologiebereichen der Windenergie wird sich dieser Trend fortsetzen.“
Dass Windkraft auf dem Vormarsch ist, zeigen die Zahlen: Landbasierte Wind-kraftanlagen deckten 2015 bereits 12 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs; Offshore-Anlagen rund 1,4 Prozent – mit steigender Tendenz. Dafür sorgen zurzeit rund 26.000 Anlagen mit 43.544 MW Leistung. Weltweit werden derzeit ca. 60 GW Windenergie pro Jahr installiert. Legt man dafür einen mittleren Kupferanteil von 15 Tonnen pro Anlage und Infrastruktur zugrunde, so wurden allein in Deutschland für Windenergie bislang fast 400.000 Tonnen Kupfer eingesetzt.
„Entgegen allen Unkenrufen ist Kupfer kein „überholter“ Werkstoff“, fasst Klassert das Ergebnis aus Werkstoffsicht zusammen, „sondern spielt in zukunftsträchtigen Anwen-dungen wie der Wind – oder auch Solarenergie aufgrund seiner spezifischen Materialeigenschaften eine entscheidende Rolle. Kupfer ist und bleibt der Motor technischer Innovationen – und unterstreicht seinen Stellenwert als bedeutendstes Funktionsmetall der Menschheit immer wieder aufs Neue.“