In der Begründung der Jury heißt es: "Haug und Wetzel (Rimini-Protokoll) drehen die Richtung von Peter Handkes legendärem Sprechstück Publikumsbeschimpfung um und präsentieren Schmähbriefe des Theaterpublikums an Claus Peymann, 1974-1979 Schauspieldirektor in Stuttgart.
Er ließ 1977 per Aushang am Schwarzen Brett Geld sammeln für Zahnbehandlungen der in Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen. Auf Druck von Ministerpräsident Filbinger musste Peymann gehen. (Filbinger demissionierte noch vor ihm, man weiß warum.)
Voll heimlicher Faszination für den eigenen Untergang liest Peymann Verwünschungen und Morddrohungen vor und erzählt die politischen Verwicklungen des Stuttgarter Theaters. Haug und Wetzel verfolgen präzise bis zum Absurden ihre Assoziationen. Auf eigenen Gedankenpfaden schlendern sie durch Stuttgart und den Deutschen Herbst, als wollten sie vom wunden Punkt wegdriften, und stehen doch immer wieder vor den Gefängnismauern. Gegen die Beschimpfungen schneiden sie u.a. Auskünfte des Rüstmeisters am Staatsschauspiel, die Livereportage einer Zahnoperation mit Kommentaren des Arztes; sie montieren Geräusche und Kommandos aus der Turnhalle des TV Stammheim und O-Töne von OB Manfred Rommel, Meinhof, Raspe, Baader und Ensslin. Der Hörer erlebt, wie unbefangenes Sprechen unmöglich wird, kein Satz mehr naiv gelesen werden kann, alles an Bedeutung und Klarheit gewinnt. (….)
Rimini-Protokoll erkundet mit radikal-essayistischer Erkenntnismethode Stimmung und Gemengelage des Deutschen Herbstes. Ein aufklärerisches Lehrstück aus einer Frage und vielen bohrenden Antworten."
"Peymannbeschimpfung" war am 1. Oktober in einer Ursendung von Deutschlandradio Kultur bundesweit ausgestrahlt worden.