- Landesbischof July: Gesellschaft muss sich mehr für Langzeitarbeitslose öffnen
- Diakoniechef Kaufmann: Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren
Fast 1,2 Milliarden Euro, die für Förderung und Eingliederung von Arbeitslosen vorgesehen waren, werden 2012 nicht ausgegeben. Und das in einem Jahr, in dem die Zahl der Langzeitarbeitslosen zugenommen hat. Dadurch wird ihre Teilhabe an der Gesellschaft immer schwieriger. "Verschlossene Türen, Grenzen und Herzen wie damals in Bethlehem passen nicht zu Weihnachten. Es wird Zeit, dass sich die Gesellschaft mehr für Langzeitarbeitslose öffnet", betont Landesbischof Frank Otfried July. Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Chef der württembergischen Diakonie ergänzt: "Obwohl der Wirt Geld übrig hat, hat er erwerbslosen Menschen keinen Platz in der Herberge angeboten. Hier werden offensichtlich Hilfen nicht geleistet, die dringend notwendig sind. Gerade am Weihnachten, dem Fest der offenen Türen und Grenzen schmerzt es, dass die Langzeitarbeitslosen in unserer Gesellschaft immer mehr in Vergessenheit geraten." Die Bundesagentur für Arbeit spart mit 678 Millionen Euro ein Drittel der geplanten Eingliederungshilfen und die Jobcenter geben bundesweit 500 Millionen Euro der zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen vorgesehenen Mittel an den Bundeshaushalt zurück.
64.719 Personen in Baden-Württemberg waren Ende November länger als ein Jahr arbeitslos, rund 1.500 mehr als zu Beginn des Jahres. "Langzeitarbeitslosen müssen wieder Perspektiven geboten werden. Nur ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt kann ihnen weiterhelfen", so Oberkirchenrat Kaufmann. Er bedauert, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Bundesregierung alle Schritte in diese Richtung ablehnen. Er begrüßt, dass die Landesregierung ein Programm für Langzeitarbeitslose aufgelegt hat. "Diese Initiative der Baden-Württemberger braucht endlich den Rückenwind aus Berlin." Wie wichtig ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt ist, zeigt das Beispiel einer 49jährigen Mutter. Sie hat ihr siebenjähriges Kind und einen kranken Mann zu versorgen. Sie hat keine Berufsausbildung und ist selbst chronisch krank. Sie hat zwei Mal an einer Eingliederungsmaßnahme bei einem diakonischen Arbeitshilfeträger teilgenommen. Sie war eine zuverlässige Mitarbeiterin. Sie ist während dieser Zeit aufgeblüht. Vor allem die vielen Sozialkontakte haben sie stabilisiert. Eine Weiterförderung wurde vom Arbeitsvermittler abgelehnt. Sie wird nur noch als "Bezahlkundin" eingestuft. Das bedeutet: Für sie wird zwar noch das Arbeitslosengeld II bezahlt. Eine Vermittlung in Eingliederungs-Maßnahmen geschieht nicht mehr. Ihr wird also die dringend notwendige Hilfe vorenthalten.
Viele Langzeitarbeitslose sind wegen Krankheit, Behinderung, psychischen Problemen auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum vermittelbar. Das zeigt auch die Dauer der Arbeitslosigkeit bei Hartz-IV-Empfängern: Sie beträgt jetzt durchschnittlich 516 Tage und ist gegenüber dem Januar 2012 um 25 Tage gestiegen. Diakoniechef Kaufmann findet es unerträglich, dass für Langzeitarbeitslose die vorhandenen Gelder nicht eingesetzt werden. "Wir in der Diakonie haben nachgewiesen, dass die Finanzierung der Arbeit für diese Menschen kaum teurer ist als die Finanzierung ihrer Arbeitslosigkeit", so Kaufmann. Er fordert alle politischen Kräfte auf, sich dafür einzusetzen, dass nicht weiter bei den Ärmsten der Armen gespart wird. Landesbischof July bittet die Bevölkerung, gerade an Weihnachten arbeitslose Menschen nicht zu vergessen. "Für sie ist kein Platz in der Herberge, kein Raum für Teilhabe in unserer Gesellschaft - das darf nicht sein. Ich bin überzeugt: Wenn wir uns alle für Erwerbslose stark machen, dann wird sich auch die Politik dieser Menschen wieder mehr annehmen."
Oberkirchenrat Dieter Kaufmann steht für Interviews bereit. Kontakt über Pressesprecher Peter Ruf 0172 7285243. Gleichlautende Pressemeldung verschickt auch die Pressestelle der Landeskirche