Der konjunkturelle Aufschwung ließ die Zahl der Arbeitslosen in Baden-Württemberg in der ersten Jahreshälfte gegenüber den Vorjahresmonaten deutlich zurückgehen. Im September gab es einen Rückgang von 15.185 gegenüber dem August und gegenüber September 2010 um 41 976. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahresmonat beträgt also 16,3 Prozent, auch wenn diese Entwicklung sich abzuflachen scheint. Das zentrale Problem ist jedoch nach wie vor die Langzeitarbeitslosigkeit. Der Aufschwung ist an dieser Personengruppe weitgehend vorbeigegangen. Ihre Zahl sank gegenüber September 2010 nur um 8.350 Personen oder 11,9 Prozent und damit deutlich weniger als die aller Arbeitslosen.
Die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit ist ein besonderes Kennzeichen der Situation in Baden-Württemberg: 77,1 Prozent der Hartz IV-Empfänger sind langzeitarbeitslos. Nur jeder vierte Empfänger von Arbeitslosengeld II schafft im Jahr den Übergang in eine ungeförderte Arbeit. Von denen, die eine ungeförderte Arbeit finden, müssen sich 45 Prozent innerhalb von sechs Monaten erneut arbeitslos melden. Wie das Statistische Landesamt gerade erst festgestellt hat, haben Arbeitslose mit 41Prozent das höchste Armutsrisiko. Arbeitslosigkeit ist also die zentrale Ursache für Armut.
Wer in Baden-Württemberg einmal langzeitarbeitslos ist oder Hartz IV empfängt, verbleibt dort meist langfristig oder gar dauerhaft. Für diese Personen ist das zentrale arbeitsmarktpolitische Instrument die öffentlich geförderte Beschäftigung. Trotzdem sind die Beschäftigung schaffenden Maßnahmen bei Arbeitslosengeld II-Empfängern in diesem Jahr bereits um 35 Prozent, gekürzt worden - mehr als alle anderen Instrumente. Diese drastischen Einsparungen werden nach den Planungen der Bundesregierung in den nächsten Jahren fortgesetzt.
Denn letzte Woche hat die Bundesregierung die sog. Instrumentenreform verabschiedet. Die Folgen werden sein, dass bei den Ein-Euro-Jobs die Qualifizierungsmaßnahmen weitgehend wegfallen und die öffentliche Förderung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen noch weiter reduziert wird. "Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nimmt damit im Kauf, dass Langzeitarbeitslose noch weniger Chance auf Teilhabe an der Gesellschaft haben. Denn nur ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt kann in dieser Situation weiterhelfen", so Oberkirchenrat Dieter Kaufmann. Er weist auf die Berechnungen der Diakonie hin, wonach sich die Finanzierung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors weitgehend kostenneutral organisieren lässt. Diakoniechef Kaufmann fordert die Bundesregierung auf, endlich "wieder Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren".