- Förderung vor allem für Langzeitarbeitslose wird drastisch gekürzt
- Beschäftigungsunternehmen können Arbeitslose nicht mehr beschäftigen
Dramatische Kürzungen bei den Eingliederungsmitteln für Langzeitarbeitslose, faktische Abschaffung der Ein-Euro-Jobs und weitere Reduzierung öffentlich geförderter Beschäftigung - all dies verbirgt sich hinter den Planungen zum sog. "Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt". "Der Name des Gesetzes steht im Widerspruch zu dem, was durch das Gesetz bewirkt wird: Die Hilfen für die Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt werden am stärksten gekürzt. Das ist ein Skandal. Hilfe zur Eingliederung bekommt nur noch, wer schnell und unkompliziert in den Arbeitsmarkt integrierbar ist. Damit nimmt die Politik in Kauf, dass langzeitarbeitslose Menschen fast ganz aus dem Blick geraten", so Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg. Für viele diakonische Beschäftigungsunternehmen, die Menschen mit besonderen Vermittlungshemmnissen Brücken gebaut und sinnvolle Beschäftigung ermöglicht haben, bedeutet diese Reform, dass sie Hilfeangebote zurückfahren müssen.
Die Ein-Euro-Jobs sollen massiv eingeschränkt werden. Für viele Langzeitarbeitslose war dies oft die einzige Möglichkeit, zumindest eine Zeitlang einer geregelten Arbeit nachzugehen, mit der Mehraufwandsentschädigung (ein bis zwei Euro pro Stunde) ein kleines zusätzliches Einkommen und eine sinnvolle Beschäftigung zu haben. Die diakonischen Beschäftigungsunternehmen haben durch Arbeitsgelegenheiten Langzeitarbeitslose wieder auf einen geregelten Arbeitsalltag vorbereitet. Nach dem Willen der Bundesregierung bekommen die Maßnahmeträger für Verwaltungskosten und zusätzliche Betreuungsmaßnahmen wie soziale Begleitung, Suchtberatung etc. nur noch bis zu 150 Euro im Monat statt wie bisher bis zu 350 Euro. "Damit können die Ein-Euro-Jobs faktisch nicht mehr angeboten werden. Die Unterstellung der Bundesministerin, dass Ein-Euro-Jobs die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt verhindert hätten, widerspricht unseren Erfahrungen. Es waren meist Menschen, die keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt hatten und deshalb diese Unterstützung gebraucht haben", so Oberkirchenrat Kaufmann.
Langzeitarbeitslose Menschen brauchen aufgrund ihrer vielfältigen Probleme längerfristig angelegte Maßnahmen und aufeinander abgestimmte Hilfen. Sie brauchen vor allem öffentlich geförderte Beschäftigung mit integrierter Unterstützung und Qualifizierung - darüber sind sich alle Experten einig. Doch die öffentlich geförderten sozialversichungspflichtigen Arbeitsplätze, die solche langfristige Perspektive ermöglicht haben, sollen ebenfalls stark reduziert werden. Nur noch fünf Prozent der Gelder des Eingliederungstitels können dazu verwendet werden - das bedeutet für Baden-Württemberg circa 14 Millionen Euro. Das reicht nur für einen Bruchteil der derzeit rund 70.000 Personen in Baden-Württemberg, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. "Damit wird auf eine langfristige Eingliederung verzichtet", so Dieter Kaufmann. Die Diakonie hat durch ihr Modell "Passiv-Aktiv Transfer" sogar nachgewiesen, dass sich die Finanzierung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors weitgehend kostenneutral organisieren lässt. "Wir werden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass es wichtiger ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren", betont Kaufmann.
Weitere Punkte sind die Umwandlung von bisherigen Pflichtleistungen in Ermessens- und Kann-Leistungen. Dies verschlechtert die Rechtsstellung arbeitsloser Menschen. Beispiel ist der Gründungszuschuss, von dem oft auch Langzeitarbeitslose profitiert und sich eine Alternative zur Arbeitslosigkeit selbst geschaffen haben. Besonders zynisch ist die Begründung zur Abschaffung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Erst wurden die Förderungsbedingungen so verschlechtert, dass soziale Träger diese Maßnahmen nicht mehr umsetzen konnten. Jetzt wird argumentiert, sie würden zu wenig genutzt und könnten deshalb abgeschafft werden.
Die Bundesregierung will verhindern, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmen muss. Für die Organisationsform der Jobcenter wurde letztes Jahr extra die Verfassung geändert, damit Bund, Länder und Gemeinden dieses Gesetz und die mit ihm gegebenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente gemeinsam umsetzen können. Es wurden extra auf der Bundesebene ein Bund-Länder-Ausschuss und auf der Ebene der Bundesländer Koordinierungsausschüsse zur gemeinsamen Umsetzung der Grundsicherung eingerichtet. Aber jetzt sollen die Länder bei der Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente einfach ausgeschlossen werden. Doch gerade die Länder und vor allem die Kommunen werden durch den Wegfall der sozialen Betreuung die Folgen des Gesetzes tragen müssen. "Die Bundesregierung weiß, dass sie von Ländern und Kommunen ebenfalls Gegenwind bekommen würden. Dies will sie verhindern", so der Diakoniechef.
Diakonie und andere Wohlfahrtsverbände, die Fachwissenschaft, Gewerkschaften und selbst Vertreter der Jobcenter haben die Bundesregierung und die Bundestagsabgeordneten auf die Folgen aufmerksam gemacht. "Leider haben wir alle keinerlei Gehör gefunden. Die Bundesregierung zieht hier also eine Politik durch, obwohl sie weiß, dass sie damit faktisch die Integration von Langzeitarbeitslosen abschafft und statt Arbeit Arbeitslosigkeit finanziert", so Oberkirchenrat Kaufmann.
Für die Diakonie ist dies auch deshalb dramatisch, weil die vielen diakonischen Beschäftigungsunternehmen faktisch keine Integrationsmaßnahmen mehr anbieten können. "Sie haben vielfältige Erfahrung, um Menschen mit Vermittlungshemmnissen in Arbeit zu integrieren. Sie können Betriebe in Industrie, Handwerk und im Dienstleistungsbereich durch Beratung und soziale Begleitung unterstützen, damit die In-tegration dauerhaft gelingt. Dieses Know-how wird künftig nicht mehr abgefragt." Oberkirchenrat Kaufmann befürchtet, dass viele Beschäftigungsunternehmen Langzeitarbeitslosen keine Arbeit mehr anbieten können und Projekte einstellen müssen.
Das Gesetz soll im Juni 2011 in erster, im September in zweiter und dritter Lesung im Bundestag verabschiedet werden und ab November 2011 in Kraft treten.