Aus Sicht der Diakonie Württemberg schlägt sich die im Grundgesetz verankerte Anerkennung der Familie in der Flüchtlingspolitik bisher zu wenig nieder. Die monate- und in vielen Fällen jahrelange Trennung von der Familie erschwert nachhaltig die Integration derer, die in Deutschland Schutz und eine neue Heimat gefunden haben. Diejenigen, die am Rande kriegerischer Auseinandersetzungen oder in Transitstaaten ausharren müssen, leiden ebenfalls unter der Trennung. „Alle Familienmitglieder sind permanent in Angst vor dem möglichen Verlust weiterer Familienangehöriger durch Krieg, Terror, Verfolgung und Krankheit. Die Aufnahme von Flüchtlingen und der Schutz der Familie gehören zum Kernauftrag christlichen Handelns“, sagt Kaufmann.
Die Zusammenführung getrennter Familienangehöriger müsse eine von Quoten unabhängige humanitäre Verpflichtung bleiben, betont Oberkirchenrat Dieter Kaufmann angesichts der Absichten von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag, den Familiennachzug massiv einzuschränken. Hiervon betroffen sind zumeist geflüchtete Menschen aus Syrien, die seit zwei Jahren fast nur noch den eingeschränkten subsidiären Schutzstatus erhalten. Lediglich ein monatliches Kontingent von 1.000 sogenannten Härtefällen soll künftig ausnahmsweise aufgenommen werden. Bürokratischen Hürden könnten diese ohnehin schon geringe Zahl noch massiv reduzieren – so waren es im Jahr 2017 gerade einmal 66 Personen, die über die bestehende Härtefallregelung einreisen durften.
Jede Trennung der Kinder von ihren Eltern und Geschwistern muss laut Kaufmann als Härtefall gelten. „Wenn aus einem Rechtsanspruch eine unbestimmte Kann-Regelung für wenige, aus Recht letztlich ein Gnadenakt wird, setzt sich eine fatale Entwicklung fort.“ Kaufmann hofft, dass durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs künftig zumindest das Recht von minderjährigen Flüchtlingen gestärkt wird. Die Diakonie wird ihr Augenmerk auf die Umsetzung der Gerichtsentscheidung richten und junge geflüchtete Menschen diesbezüglich beraten. Dazu braucht es schnelle Klarheit in der Rechtspraxis.
Hintergrund zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
Ein unbegleiteter Minderjähriger, der während des Asylverfahrens volljährig wird, behält demnach künftig sein Recht auf den Nachzug von Eltern und minderjährigen Geschwistern auch wenn er noch vor der positiven Asylentscheidung volljährig wird. Dies wurde ihm in der Vergangenheit verwehrt. Der Gerichtshof stellt fest, dass die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Familienzusammenführung in Frage gestellt würde, wenn es davon abhinge, zu welchem Zeitpunkt die zuständige nationale Behörde förmlich über die Anerkennung des Betroffenen als Flüchtling entscheidet, und damit von der mehr oder weniger schnellen Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz durch diese Behörde. Dies liefe nicht nur dem Ziel europäischen Rechts, die Familienzusammenführung zu begünstigen und dabei Flüchtlinge (insbesondere unbegleitete Minderjährige) besonders zu schützen, sondern auch den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit zuwider.
Internationaler Tag der Familie
Die Vereinten Nationen haben 1993 einen internationalen Tag der Familie eingeführt. Er steht jedes Jahr unter einem anderen Motto und findet weltweit immer am 15. Mai statt. An diesem Tag soll die Bedeutung der Familie ins Bewusstsein gerückt werden.