- Die Verschiebung der Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs sieht Diakonie kritisch
- Anerkennung der Tariflöhne ist für die Diakonie ein Durchbruch
Die heute vom Bundestag beschlossene Pflegeversicherungsreform ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aus Sicht der Diakonie Württemberg ist es zu begrüßen, dass die Regierungskoalition die Pflegeversicherungsreform so schnell auf den Weg gebracht hat. "Ein wichtiger Durchbruch ist, dass die Tariflöhne zukünftig bei Verhandlungen über die Kosten der Pflegedienstanbieter anerkannt werden müssen. Endlich wird akzeptiert, dass Mitarbeitende in der Pflege einen Anspruch auf Tariflohn haben", so Eva-Maria Armbruster, Stellvertreterin des Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werks Württemberg.
Trotz guter Ansätze fehle jedoch auch diesmal der Mut zu einer grundlegenden Reform, so Armbruster weiter. "Angesichts der inzwischen mehr als zehn Jahre gehenden Diskussion um den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ist die Bundesregierung auch diesmal nur halb gesprungen". Von der Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes würden wesentlich mehr Menschen profitieren, wie zum Beispiel. Menschen mit Demenz und anderen kognitiven Einschränkungen. Dass dieser Reformschritt wieder um ein Jahr verschoben wird, bewertet die Diakonie Württemberg kritisch.
Die überwiegende Zahl aller pflegebedürftigen Menschen wird zu Hause versorgt. "Die Zahl der pflegenden Angehörigen ist enorm. Aber sie und andere Helfer werden die Herausforderungen der Zukunft nur meistern können, wenn stabile und gut organisierte professionelle Netze zu ihrer Unterstützung entstehen" betont Armbruster und verweist auf die über 220 diakonischen Pflegedienste allein im württembergischen Landesteil. Der Diakonie steht damit ein beachtliches Potential aus professionellen Helfern und Freiwilligen Hilfe zur Verfügung.
Deswegen sei es zu begrüßen, dass durch diese Reform die Pflegebedürftigen zu Hause zukünftig mehr Geld bekommen und sich dadurch mehr und zusätzliche Dienste von Pflegediensten einkaufen können. Positiv bewertet Armbruster auch, dass niedrigschwellige Leistungen der Betreuung und Entlastung nun ab dem 1. Januar 2015 für alle Versicherten zur Verfügung stehen. Bisher erhielten diese Leistungen nur die Menschen, die nur eingeschränkte Fähigkeit zur Bewältigung ihres Alltag haben.
Kritik äußerte Armbruster aber an den neuen und noch recht schwer durchschaubaren Kombinationsmöglichkeiten für professionelle und niedrigschwellige Leistungen. "Ob das jemand auf Anhieb versteht, darf bezweifelt werden", sagt Armbruster und prognostiziert einen wachsenden Beratungs- und Aufklärungsbedarf durch die neuen Leistungsansprüche.
Auch die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen bekommen erstmalig seit 2008 mehr Geld von den Pflegekassen, allerdings nicht in dem Maß, wie die Diakonie sich dies gewünscht hätte. "Durch nicht oder nur unzureichend erfolgte Anpassungen in den letzten 15 Jahren erhalten die Bewohnerinnen heute faktisch 20-25 Prozent weniger Leistung als bei der Einführung der Pflegeversicherung", kritisiert die Stellvertreterin des Vorstandsvorsitzenden. Denn die allgemeinen Kostensteigerungen waren höher als die Erhöhung der Zuschüsse durch die Pflegeversicherung. Für Eva-Maria Armbruster ist es deswegen zwingend notwendig, dass die Pflegeversicherung mit mehr Geld ausgestattet wird, um die von den Pflegebedürftigen selbst zu tragenden Kosten nicht explodieren zu lassen.
Die Erwartung an eine professionelle Pflege könne nur durch gut bezahlte und motivierte Fachkräfte erfüllt werden. Deswegen hat die Diakonie im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens massiv gefordert, die im öffentlichen und kirchlichen Dienst über Tarifverträge verankerten Löhne auch bei Verhandlungen anzuerkennen. "Es ist ein wirklicher Durchbruch, dass dies nun der Gesetzgeber umgesetzt hat", so die stellvertretende Diakoniechefin. Sie fordert allerdings, dass bei Entgeltverhandlungen mit den Krankenkassen und Kommunen dies dann auch umgesetzt wird. "Die Anerkennung der Tariflöhne muss bei den Trägeren von Pflegeeinrichtungen ankommen."