„Wichtigste Aufgabe ist zunächst das Hinhören“, sagt Stürmer. Es gelte zu fragen, welche Not die Menschen vor Ort umtreibt und wie Beratungsstellen, die Arbeitslosenhilfe, die Wohnungslosenhilfe und andere Dienst wirksam unterstützen können. Ihm ist wichtig, als Verband zusammen mit Einrichtungen vor Ort modellhaft zu arbeiten und zu zeigen: So könnte es gehen. „Innovativ zu sein, ist dabei eine Herausforderung – aber notwendig und spannend.“ Zum diakonischen Handeln ermutigt Thomas Stürmer die Geschichte der Emmausjünger. „Unterstützung anbieten, sich aber nicht aufdrängen. Sich einladen lassen und sich nicht selbst einladen. Wenn die anderen meine Hilfe nicht mehr brauchen, sich verabschieden. So kann Diakonie gelingen.“
Die finanzielle Not mit ihren Folgen beschäftigt Stürmer. Als Gemeindepfarrer und auch auf seiner vorigen Stelle für diakonische Gemeinwesenarbeit beim Kreisdiakonieverband Rems-Murr-Kreis hat er Familien erlebt, die über das Bildungs- und Teilhabepaket zwar den Besuch des Sportvereins bezahlen, nicht aber die Fußballschuhe finanzieren konnten. Oder langzeitarbeitslose Menschen, die sich in der Armut einrichten mussten, weil sie den Sprung in den Arbeitsmarkt nicht schafften.
Thomas Stürmer ist wichtig, sich die Notlagen und Bedürfnisse anderer Menschen bewusst zu machen. Kirchengemeinden können sich fragen, ob ihre Angebote so gestaltet sind, dass Menschen zu ihnen finden. Die viel gehörte Aussage, dass Kirche und Diakonie sich voneinander entfernt haben, kann er nicht bestätigen. In der Flüchtlingshilfe beispielsweise werde das deutlich. „Es gibt hervorragende Projekte und eine extreme Bereitschaft, sich zu engagieren.“ Seine Devise: „So viel Ehrenamt wie möglich, so viel Professionalität wie nötig.“ Aufgabe der Profis sei es, die Freiwilligen zu unterstützen, zu beraten und zu schützen, „auch vor sich selbst“. Viele stürzten sich mit Feuereifer hinein, seien viele Stunden täglich im Tafelladen tätig oder begleiten Flüchtlinge. Da brauche es Angebote, um über das Erleben traumatisierter Frauen oder die Depressionen Angehöriger im Trauercafé zu reden. Auch das Verständnis für bürokratische Hürden und kulturell bedingte Unterschiede bringen Ehrenamtliche mitunter zum Verzweifeln, sagt er.
Klare Grenzen diakonischer Hilfe in Kirchengemeinden sieht Stürmer auch, zum Beispiel in der Beratung von suchtkranken oder armen Menschen. „Hier braucht es die Anonymität und den geschützten Rahmen.“ Für Räume für Selbsthilfegruppen oder eine Plattform für diese Themen seien bei Gemeinden aber gefragt. Kirche und Diakonie gleichermaßen sieht er bei der Inklusion gefordert. „Wie senken wir Schwellen, in welcher Sprache reden und schreiben wir“, nennt er als Beispiele. Oft sorge persönliche Betroffenheit dafür, dass sich Lebenswelten begegnen und Verständnis wächst. Das sei eine große Chance. So mache etwa der Partner einer Frau mit psychischer Erkrankung Depression in der Gemeinde zum Thema, der Gottesdienstbesucher im Rollstuhl das Organisieren eines barrierefreien Zugangs. Oder: „Gehen Sie mal mit einem Asylbewerber einkaufen, da kann der Schwabe sparen lernen“, sagt der gebürtige Ansbacher augenzwinkernd.
Bei seinen Besuchen in diakonischen Beratungsstellen und Einrichtungen hat Stürmer erfahren, dass bei fast allen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern die Entscheidung für den Beruf christlich motiviert ist. Allerdings leide „der Transfer des christlichen Menschenbilds in Handlungen“ oftmals unter dem finanziellen Druck. Die Träger der Arbeitslosenhilfe ermöglichten langzeitarbeitslosen Menschen Teilhabe, stünden angesichts drastischer Mittelkürzungen aber selber vor großen Herausforderungen. „Mit den Beschäftigungsgutscheinen haben Kirche und Diakonie gezeigt, dass es möglich ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren“, sagt Stürmer. Das schwebt dem neuen Abteilungsleiter auch beim Thema sozialer Wohnungsbau vor.