Die Idee: Frauen und Männer, die ihre Wochenarbeitszeit erhöhen, erhalten einen Zuschuss von 12 Euro je Stunde, wenn sie sozialversicherungspflichtig haushaltsnahe Dienstleistungen wie Putzen, Bügeln oder Wäschewaschen in Anspruch nehmen. Der Haushalt muss also trotz vollzeitnaher Arbeit und Versorgung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen nicht liegen bleiben. Das Modellprojekt wird in Heilbronn und auch in Aalen, dem zweiten Projektstandort, durch das Diakonische Werk Württemberg umgesetzt.
Momentan beschäftigt nur knapp ein Prozent der rund vier Millionen Privathaushalte Dienstleistende sozialversicherungspflichtig. Seriöse Dienstleistungsunternehmen werden von Internet-Anbietern verdrängt. Das hat zur Folge, dass die Qualität der Arbeit und die soziale Absicherung der Dienstleistenden außer Acht gelassen werden.
„Wir brauchen aber dringend einen gleichberechtigten Zugang aller zur Erwerbsarbeit, damit wir eine gleichberechtigte Teilhabe an Arbeit und Gesellschaft garantieren können“, betonte Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender Stiftung Diakonie Württemberg und des Diakonischen Werk Württemberg. Die Projektverantwortlichen sind der Meinung, dass es dringend mehr Professionalisierung im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen braucht. „Ein professioneller Arbeitsrahmen bedeutet finanzielle und soziale Absicherung und wirkt vorbeugend gegen Notsituationen wie Altersarmut.“ Die Stiftung Diakonie Württemberg führe das Projekt durch, „weil es genau an dieser Aufgabe ansetzt und somit Zeichen setzt – für ein gutes Zusammenwirken von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren“.
Ministerialdirigentin Dr. Stefanie Hinz, Leiterin der Abteilung Strategie, Recht, Außenwirtschaft und Europa im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, benannte als Ziel, „das Fachkräftepotenzial von Frauen noch besser für die Südwestwirtschaft zu erschließen“. Angesichts des demografischen und familialen Wandels biete das Modellprojekt neue und zeitgemäße Möglichkeiten für eine partnerschaftliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Durch die Gutscheine könnten beispielsweise Wiedereinsteigerinnen dabei unterstützt werden, in den Beruf zurückzukehren und entsprechend ihrer Qualifikation berufstätig zu sein. Personen mit familienbedingten Verpflichtungen (Kinder und Pflege) unterstützt dieses Modellprojekt dabei, ihre bisherige Teilzeit-Erwerbstätigkeit zu erhöhen.
Für Christian Rauch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, deckt das Modellprojekt einen wichtigen Bedarf ab: „Von unseren Vermittlerinnen und Vermittlern, insbesondere der Wiedereinstiegsberatung, wissen wir, dass der Haushalt eine zusätzliche Belastung darstellt und der Wiedereinstieg nach einer Familienphase aufgrund der Vereinbarkeitsproblematik oftmals nur in deutlich reduziertem Stundenumfang erfolgt.“ Auch diejenigen, die diese Dienstleistung im Haushalt erbringen, seien im Blick. „Wir möchten keine neuen `Dienstboten´, sondern – auch durch Qualifizierung und Professionalisierung – dazu beitragen, dass dieses Beschäftigungsfeld aus dem Schwarzmarkt geholt und in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführt wird.“ Diese Ziele tragen für ihn zur Umsetzung des gesetzlichen Auftrags bei, die Beschäftigungschancen von Frauen zu verbessern, Berufsrückkehrende zu unterstützen und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu fördern. Der Bundesagentur für Arbeit stehe hierzu ein „innovationsförderndes Instrument“ zur Verfügung, das die Chance biete, diesen neuen Handlungsansatz in der Arbeitsmarktpolitik zu erproben und zu erschließen.
Hintergrund
Seit dem 1. Marz 2017 lauft das Modellprojekt in den Arbeitsagenturen Aalen und Heilbronn, Projektende ist Februar 2019. Mit einem Gesamtvolumen von 1,6 Millionen Euro finanzieren RD Baden-Württemberg, Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, BMFSJ und Stiftung Diakonie Württemberg das Projekt.
Gutscheine können ausgegeben werden an:
- Wiedereinsteigende, Arbeitslose oder Arbeitssuchende mit Familienaufgaben, die anstatt der üblichen 15 bis 20 Wochenstunden eine Beschäftigung mit mindestens 25 – 30 Wochenstunden aufnehmen.
- Berufstätige, die wegen Betreuungs- und Pflegeaufgaben für Angehörige ihre Arbeitszeit auf unter 25 – 30 Stunden reduzieren bzw. ihre Berufstätigkeit aufgeben mussten.
- Berufstätige, die wegen Betreuungs- und Pflegeaufgaben für Angehörige in Teilzeit arbeiten und nun ihre Arbeitszeit auf mindestens 30 Stunden erhöhen möchten.