- Diakonie Württemberg fordert Debatte um die Ausrichtung der Grundsicherung
- Im Koalitionsvertrag versprochene Unterstützung von Langzeitarbeitslosen bleibt bisher aus
Zwar sind die Regelsätze zum 1. Januar um 7 Euro oder 1,7 Prozent angehoben worden. Tatsächlich muss der größte Teil dieser Unterstützungsleistung aber für Lebensmittel ausgegeben werden und deren Preise sind laut der aktuellen Meldung des Statistischen Landesamtes um 3,7 Prozent gestiegen.
Hintergrund: Die Diakonie hat in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass die Leistungen des SGB II (Hartz IV) vollkommen unzureichend sind. Als der Gesetzgeber Ende 2016 die Regelbedarfe grundlegend neu ermittelt und festgelegt hat, hat die Diakonie Deutschland diese Neuberechnung wissenschaftlich überprüfen lassen. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass die Regelsätze der Grundsicherungsleistungen zur Sicherstellung der alltäglichen Bedarfe für Erwachsene um bis zu 150 Euro und für Kinder und Jugendliche um 40 bis 80 Euro zu niedrig ausfallen. Von den Bedarfen, die durch die statistisch erfassten Verbrauchsgewohnheiten der unteren Einkommensgruppen belegt sind (vgl. Gutachten Irene Becker) wurden willkürlich bestimmte Teile gestrichen. So werden Hartz-IV-Empfängern weder Zigaretten noch ein Feierabendbier, weder Restaurant- noch Cafébesuche zugestanden. Weder Blumenschmuck in der Wohnung noch einfache Reisen gehören zum anerkannten Bedarf. Ein eigenes Auto gehört sowieso nicht zum Bedarf, aber auch die Regelsatzanteile für öffentliche Verkehrsmittel passen nicht zu den tatsächlichen Kosten von Bussen und Bahnen. Diese Grundproblematik zwingt die Grundsicherungsempfänger immer wieder dazu, für einmalige Bedarfe (von der Bekleidung bis zu Haushaltsgeräten und Möbeln) Darlehen bei den Jobcenter zu beantragen, weil ihnen die Rücklagen nicht möglich sind, die sie von den zu knappen Regelsätzen eigentlich bilden sollten. Diese Darlehen müssen dann mit 10 Prozent der Regelleistungen getilgt werden, so dass sie zusätzlich unter die Grundsicherungsgrenzen gedrängt werden.
Hinzu kommt, dass in vielen Fällen die Jobcenter nicht die vollständigen Kosten der Unterkunft übernehmen, die zusätzlich zu den Regelleistungen gezahlt werden, so dass es immer häufiger vorkommt, dass Hartz-IV-Empfänger Anteile ihrer Mietkosten aus den Regelleistungen bestreiten müssen. Fachleute schätzen, dass dies im Durchschnitt eine Belastung von bis zu 20 Euro pro Bedarfsgemeinschaft ausmacht.
Die von der neuen Bundesregierung versprochene Unterstützung von Langzeitarbeitslosen findet bisher nicht statt. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Erhöhung der Eingliederungsmittel um bundesweit eine Milliarde Euro pro Jahr gleicht nicht die Kürzungen aus, die in den vergangenen Jahren vorgenommen waren, und sie kann für 2018 schon nicht mehr umgesetzt werden. Vielmehr hat die verzögerte Regierungsbildung im Bund für die Arbeitsagenturen und Jobcenter zur Folge, dass sie einer „vorläufigen Haushaltsführung“ unterliegen und damit nur einen Teil der geplanten Haushaltmittel einsetzen dürfen. Erst mit der für Juli geplanten Verabschiedung des neuen Bundeshaushaltes werden alle geplanten Haushaltsmittel freigegeben, was aber eine Umsetzung im laufenden Jahr 2018 schon nicht mehr zulässt.
Die Diakonie fordert die Bundesregierung und alle Parteien im Bundestag dringend dazu auf, diese Fehlentwicklung zu korrigieren.
Die Diakonie fordert, die positive wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen, um Langzeitarbeitslosen durch eine qualifizierte öffentlich geförderte Beschäftigung die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen.