Mit dem Bluttest auf Trisomie 21 ist es bereits in der frühen Schwangerschaft möglich, anhand einer Blutprobe der schwangeren Frau festzustellen, ob das ungeborene Kind das Down-Syndrom hat. Aktuell wird darüber diskutiert, ob die Krankenkassen das Verfahren bezahlen sollen. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe und das Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik machen deutlich, dass eine Reihenuntersuchung beispielsweise auf Trisomie 21 eine unzulässige Diskriminierung darstellt: „Menschen mit Down-Syndrom bereichern die Vielfalt in unserer Gesellschaft und gehören selbstverständlich dazu. Keinesfalls darf ein Screening eingeführt werden, um ihre Geburt zu verhindern“, erklärt Ulla Schmidt, MdB und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. „Vorgeburtliche Untersuchungen auf Behinderung können nur nach individueller Entscheidung und nach den Bedingungen des Einzelfalls durchgeführt werden. Dazu gehören auch eine umfassende Information und Beratung, unter anderem zum Leben mit Down-Syndrom.“
Gegenwärtig leben etwa 50.000 Menschen mit Down-Syndrom in Deutschland. Eltern von Kindern mit Down-Syndrom berichten, dass sie sich immer wieder fragen lassen müssen, ob sie denn keine vorgeburtlichen Untersuchungen in Anspruch genommen hätten. Es sei doch „nicht mehr nötig, ein solches Kind zu bekommen“. Dabei kann ein Leben mit Down-Syndrom so glücklich und erfolgreich sein wie jedes andere auch. Viele Menschen mit Trisomie 21 stehen mit beiden Beinen im Leben, haben Erfolg in Beruf, Sport oder Kultur. Ulla Schmidt ergänzt: „Vieles im Leben gelingt ihnen, wenn sie die notwendige Unterstützung erhalten.“
Dem steht eine zunehmende gesellschaftliche Erwartungshaltung an Eltern gegenüber, alles zu tun, um die Geburt eines Kindes mit Behinderung zu verhindern. „Nicht alles, was medizinisch machbar ist, ist auch medizinisch notwendig und muss von der Krankenkasse finanziert werden. Der Bluttest ist ohne jeden therapeutischen Nutzen, er kann deshalb keine Kassenleistung sein“, erklärt Silke Koppermann, Gynäkologin und eine der Sprecherinnen und Sprecher des Netzwerks gegen Selektion durch Pränataldiagnostik. „Der Auftrag an Ärztinnen und Ärzte ist, Schwangere zu begleiten und für ihre Gesundheit zu sorgen. Die Suche nach dem Down-Syndrom oder anderen Chromosomenbesonderheiten gehört nicht zum ärztlichen Heilauftrag.“
Das Netzwerk fordere seit der Einführung des Testes auf dem deutschen Markt eine gesellschaftliche Diskussion über dieses medizinische Angebot, das das Lebensrecht einer ganzen Bevölkerungsgruppe in Frage stellt und unweigerlich von Menschen mit Down-Syndrom und ihren Angehörigen als Herabwürdigung empfunden wird. Diese Debatte muss jetzt endlich geführt werden, so sind sich das Netzwerk und die Bundesvereinigung Lebenshilfe einig.
Die Lebenshilfe: Die 512 Orts- und Kreisvereinigungen der Lebenshilfe mit rund 130.000 Mitgliedern sind Träger oder Mitträger von 4160 Diensten, Einrichtungen und Angeboten für Menschen mit geistiger Behinderung. In Frühförderstellen, (meist integrativen) Kindergärten und Krippen, Schulen und Tagesförderstätten, Werkstätten, Fortbildungs- und Beratungsstellen, Sport-, Spiel- und Freizeitprojekten, Wohnstätten und Wohngruppen sowie Familienentlastenden Diensten werden zirka 170.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene gefördert, betreut und begleitet. Rund 60.000 hauptamtliche und etwa 15.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lebenshilfe sind mit diesen Aufgaben betraut. Angehörige von Menschen mit Behinderung können sich in Elterngruppen austauschen, behinderte Menschen selbst arbeiten immer stärker in den Vorständen und anderen Gremien der Lebenshilfe mit. Die 16 Landesverbände der Lebenshilfe und die Bundesvereinigung Lebenshilfe sind in der Beratung, Fortbildung und Konzeptentwicklung tätig und vertreten die Interessen behinderter Menschen und ihrer Familien gegenüber den Ländern bzw. der Bundespolitik. www.lebenshilfe.de
Das Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik: Dem Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik gehören etwa 90 Einrichtungen und 160 Einzelpersonen aus der Schwangerschaftsberatung, Geburtshilfe und Gynäkologie, aus Behindertenverbänden und Behindertenselbsthilfe, aus der Bildungsarbeit, Politik und Wissenschaft an. Gemeinsam ist ihnen die kritische Haltung gegenüber der routinemäßigen Einbindung der Pränataldiagnostik in die allgemeine Schwangerenvorsorge. www.netzwerk-pränataldiagnostik.de