Die aktuelle Mitteilung der Landesregierung über einen gewissen Verzicht auf Standards sei für pädagogische Fachkräfte, Träger und Verbände nicht nachvollziehbar. „Diese Absichtserklärung von Ministerpräsident Kretschmann stößt unsere Fachkräfte vor den Kopf“, sagt Fischer-Braun, „die letzten zwei Ausnahmejahre waren schwierig genug und wenn man den Beruf noch unattraktiver macht, kollabiert das Feld in absehbarer Zeit.“ Man habe das Beispiel aus der Pflege vor Augen, daher sei es nur schwer nachvollziehbar, nun im Kita-Bereich in die gleiche „Falle“ zu gehen.
In der letzten Zeit wurden in Ausnahmefällen ein oder zwei Kinder mehr in die Gruppen aufgenommen. Das kann laut Fischer-Braun als Ausnahmefall in besonderen Bedingungen weiter so gehandhabt werden, dürfe nun aber nicht zu einer neuen Regel werden. „Es geht nicht um einige Kinder mehr, die aufgenommen und irgendwie betreut werden sollen. Wir müssen den Kindern Wertschätzung und Zugehörigkeit vermitteln und das schaffen wir nicht mit weniger Personal. Es braucht dazu viel mehr. Das geht nur mit angemessenem Personal mit viel Engagement. Jedes einzelne Kind ist in der Gruppe wichtig und soll eine gute Betreuung und Bildung erhalten,“ so Geschäftsführer Fischer-Braun. „Wir sind bei der Gruppengröße in den Kitas von Baden-Württemberg nicht in einer Spitzensituation, in der man noch mehr Kinder aufnehmen könnte. Bei vielen Kindern zeigt sich ein zusätzlicher Bedarf an Unterstützung.“ Neben dem Ersatz von Fachkräften durch zwei andere geeignete Personen, erleichtertem Direkteinstieg und positiver Werbung für den Beruf von Erzieherinnen und Erziehern kann nach Meinung des Landesverbandes den Fachkräften in den Kitas auch dadurch geholfen werden, dass hauswirtschaftliche und Verwaltungskräfte zusätzlich eingesetzt und vergütet werden können. Diese Maßnahme wurde vom Kultusministerium aufgegriffen, scheitert aber bisher an der Finanzierung.
Hintergrund
Letzte Woche informierte das Kultusministerium, dass die coronabedingten Ausnahmeregelungen zur Unterschreitung des Mindestpersonalschlüssels und Erhöhung der Gruppengröße nicht verlängert werden und stellte die Maßnahmen zur Bewältigung des Kindergartenjahres vor. Neben der Möglichkeit, Fachkräfte durch Nichtfachkräfte zu ersetzen, wurde auch die Einrichtung einer Kindergarteneinstiegsgruppe ermöglicht und der Direkteinstieg erleichtert.
Am 13. September 2022 kam die Meldung der Landesregierung, die in eine andere Richtung zielt: Angesichts des Erziehermangels und der hohen Zahl an Flüchtlingskindern will die baden-württembergische Landesregierung nun auf gewisse Standards in der Kinderbetreuung verzichten. So sollen bald doch wieder größere Gruppen in Kitas erlaubt werden. Man arbeite derzeit an einer Regelung für eine Überschreitung der Höchstgruppenstärke, teilte eine Regierungssprecherin am Dienstag dem SWR mit.
Der Evangelische Landesverband Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V
Der Evangelische Landesverband - Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V. ist ein Trägerverband aus kirchlichen und weiteren freien sowie kommunalen Trägern von Kindertageseinrichtungen. Der Verband schließt Träger zusammen, die in der Erziehung, Betreuung und Bildung von Kindern auf evangelischer Grundlage arbeiten. Dem Verband sind 700 kirchliche, weitere freie sowie kommunale Träger mit 2.400 Kindertageseinrichtungen angeschlossen. Der Verband ist Mitglied des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche in Württemberg e.V. und der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V. (BETA).