Pflegepolitik müsse sich mehr an den realen Bedürfnissen der Menschen orientieren, mahnten die Vorstände der vier Wohlfahrtsverbände. Caritas und Diakonie kritisierten, dass Politik im Rahmen der Pflege zu starr nach Sektoren entscheide. So würden bei der Behandlungspflege Kosten von den Krankenkassen im ambulanten Bereich übernommen, im stationären dagegen nicht. Unterschiedliche Finanzierungszuständigkeiten führten zu ungerechten Belastungen für Pflegebedürftige und ihre Familien. Pflege müsse flexibel sein und individuell auf den Bedarf der Betroffenen reagieren können.
Auch die Begrenzung der Leistungen der Pflegeversicherung bedeute eine Belastung. Viele Menschen könnten sich darüber hinausgehende Zusatzleistungen nicht leisten. Die starren Leistungssätze seien auch ein Risiko gerade für christliche Pflegeheime. Hier werde nach Tarif bezahlt und Personalschlüssel möglichst weiter verbessert. Die dadurch steigenden Personalkosten würden aber nicht refinanziert. Für die Heime eine klare Benachteiligung gegenüber Wettbewerbern. Angemessene Vergütung und gute Personalausstattung müssten belohnt, nicht bestraft werden. Statt der Begrenzung der Leistungen schlugen die Wohlfahrtsverbände eine Begrenzung der Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen vor. Das bedeute mehr Gerechtigkeit und mehr Sicherheit für die Menschen.
Diakonie und Caritas in Baden-Württemberg begrüßten das Ziel der Bundesregierung, in der Altenpflege Tarifverträge zur Anwendung zu bringen. Die Verbände warnen aber vor Fehlern bei der Berechnung dieser Tarife. Diakonie und Caritas orientierten sich bereits am Lohnniveau des öffentlichen Dienstes. Das sollte künftig auch für andere Leistungsanbieter gelten. Auch bei der derzeit in Arbeit befindlichen Berechnung des künftigen Personalbedarfs dürfe es keine Entwicklung nach unten geben. Einheitliche Personalschlüssel sollten sich nicht am Mittelwert der Bundesländer, sondern mindestens am baden-württembergischen Niveau oder besser orientieren.
Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) bedeutet nach Einschätzung der kirchlichen Wohlfahrtspflege eine deutliche Zäsur. Der personenzentrierte, inklusionsorientierte und sozialräumlich ausgerichtete Ansatz biete große Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen.
Caritas und Diakonie setzen sich dafür ein, dass das BTHG für alle betroffenen Menschen ausschließlich Vorteile und keine Nachteile bringt. Im Gespräch mit den Bundestagsabgeordneten wiesen die kirchlichen Verbände deshalb auf ein Spannungsverhältnis hin: Auf der einen Seite sollten dem einzelnen Menschen bedarfsgerechte Leistungen zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite solle aber gleichzeitig der Anstieg der Ausgaben begrenzt werden.
Baden-Württemberg setze das BTHG auf Landesebene zügig um. Verbände und Betroffenenvertreter seien dabei intensiv eingebunden. Den christlichen Wohlfahrtsverbänden sei dabei aber wichtig, dass Menschen mit Behinderung, die bereits heute Unterstützung bekämen, sich darauf auch künftig verlassen könnten. Leistungen dürften nicht zurückgefahren werden. Die individuellen Rechtsansprüche von Betroffenen müssten bedarfsgerecht sein und dürften nicht an der Deckelung der Ausgaben scheitern. Darüber hinaus setzten sich Caritas und Diakonie gegenüber den Abgeordneten aus Baden-Württemberg dafür ein, dass die Eingliederungshilfe landesweit einheitlich und gleichwertig ausgestaltet wird.
In Baden-Württemberg werden rund 1.500 Einrichtungen und Dienste der Altenhilfe von Diakonie und Caritas oder deren Partnern betrieben. Insgesamt betreuen hier 52.000 Mitarbeitende 133.000 pflegebedürftige Menschen. Im Bereich der Behindertenhilfe unterstützen und begleiten rund 24.000 Mitarbeitende 48.000 hilfebedürftige Menschen.