Prostitution ist eine gesellschaftliche Realität. Die gesellschaftliche und auch innerkirchlich-diakonische Diskussion zum Umgang mit Prostitution wird nach wie vor sehr kontrovers geführt. Die unterschiedlichen Ansätze sind sich darin einig, dass der Schutz der Betroffenen und die Verbesserung der Bedingungen in der Prostitution und Wege zum Ausstieg verbessert werden sollen. Sowohl Menschen in der Prostitution als auch Opfer von Menschenhandel sollen nach Kräften unterstützt und beraten werden.
Es gibt viele Wege und Lebenssituationen, die in die Prostitution führen. In vielen Fällen werden Menschen unter kriminellen und menschenverachtenden Methoden zur Prostitution gezwungen. Im Fall von Menschenhandel und Zwangsprostitution liegt eine massive Verletzung der Würde und der Menschenrechte vor.
Seit Jahrzehnten leistet die Diakonie Beratung und Unterstützung für Menschen in der Prostitution. Die Diakonie ist in diesem Bereich grundsätzlich anwaltliche Diakonie. Sie setzt eine wertschätzende Haltung voraus. Handlungsleitend für die Diakonie ist die soziale Situation von Prostituierten und ihre fachlich kompetente Beratung.
Die gültige Rechtslage für die Beratung ist das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG). Mit seinem in Kraft treten am 1. Juli 2017 ist Prostitution definiert als sexuelle Dienstleistung, die gegen Entgelt oder andere Werte erbracht wird. Das Gesetz ermöglicht Kontrollen im „Hellfeld“. Die Polizei sollte besser ausgestattet werden, um Hell- und Dunkelfeld besser kontrollieren zu können. Corona zeigt, dass sich ein großer Bereich der Prostitution ins Dunkelfeld bewegt hat. Damit ist er noch stärker einer staatlichen Kontrolle entzogen und die Gewalt gegen Prostituierte nimmt tendenziell zu.
Wie der Schutz von Frauen in der Prostitution am besten gewährleistet werden kann, wird in Fachdiskursen auch in der Diakonie kontrovers diskutiert. In diesem Zusammenhang wird ein Sexkaufverbot thematisiert, das den Sexkauf und damit Freier bestraft, Prostituierte aber weiterhin berät und unterstützt. Die einen sehen darin das wirksamste Mittel, Menschen in der Prostitution zu unterstützen. Andere befürchten, dass damit Prostitution ins Dunkelfeld rückt und Menschen in der Prostitution noch schwieriger erreichbar sind.
Eine Zusammenarbeit mit Bordellbesitzern, von der in der Presse berichtet wurde, gehört nicht zur Vorgehensweise der Diakonie Württemberg. Der kontroverse fachliche Diskurs ist wertvoll und notwendig für die betroffenen Frauen und Männer in Prostitution und Menschenhandel. Alle, die sich am Diskurs beteiligen, sollten anerkennen, dass auch Menschen mit anderer Überzeugung dazu beitragen wollen, Menschen in der Prostitution zu unterstützen. Die Forderung, diesen Diskurs durch den Entzug durch staatliche Fördermittel einseitig zu verhindern, ist nach Ansicht der Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werks Württemberg Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller nicht nachvollziehbar. „Gerade in diesem kontroversen und schwer lösbaren Arbeitsfeld, in dem Menschen viel Leid erfahren, brauchen wir einen offenen Diskurs, in dem um die besten Lösungen gemeinsam gerungen wird.“