Der Zivildienst bietet jungen Männern Einblicke in Lebenswelten, mit denen sie sonst kaum in Berührung kämen und damit Erfahrungen, die sie auch für spätere Lebens- und Berufssituationen nutzen können. Dies setzt aber eine qualifizierte Einführung und Begleitung voraus. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum Seminarangebote, die diese Erfahrungen aufgreifen und reflektieren, künftig nicht mehr verpflichtend angeboten werden sollen", sagt Kirchenrätin Baehrens. Von einer Weiterentwicklung des Zivildienstes zu einem Lerndienst, wie es vom Bundesbeauftragten für den Zivildienst angestrebt war, könne nun kaum noch gesprochen werden.
Die württembergische Diakonie wird auch weiterhin Zivildienstleistende beschäftigen. Der Wohlfahrtsverband kritisiert aber die nun geschaffenen, kurzfristig geltenden Rahmenbedingungen. "Eine sinnvolle Ausgestaltung des Dienstes ist grundsätzlich auch bei sechs Monaten denkbar. Aber diese Reform kommt zu abrupt und viele Fragen sind noch offen", sagt Heike Baehrens. Nach langer und zäher Ungewissheit über eine Verkürzung sei im Eilverfahren ein Gesetz auf den Weg gebracht worden, das Einrichtungen kaum Zeit lasse, sich auf die neue Situation einzustellen. "Konkrete Durchführungsbestimmungen liegen bis heute noch nicht vor. "Dies führt in unseren Einrichtungen zu großen Planungsunsicherheiten", beklagt Baehrens.
Kritische Einwände aller Verbände zu einzelnen Bestimmungen des neuen Gesetzes seien im Gesetzgebungsverfahren "schlicht überhört" worden. "Es wäre erfreulich, wenn es künftig wieder einen konstruktiven Dialog mit den Verbänden gäbe, deren Einrichtungen letztlich den Zivildienst in der Praxis durchführen." Die württembergische Diakonie ist bundesweit einer der größten Träger von Zivildienststellen. Im letzten Jahr haben beinahe 1.800 junge Männer in der württembergischen Diakonie oder Kirche ihren Zivildienst abgeleistet.