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Gerechtigkeit fordern - Qualität steigern

Didacta-Präsident Prof. Dr. Wassilios Fthenakis zur Pressekonferenz der didacta 2011 in Stuttgart

(lifePR) (Darmstadt, )
Deutschland muss seine gesamten gesellschaftlichen Kräfte mobilisieren, um endlich allen Kindern und Jugendlichen die bestmöglichen Bildungschancen zu eröffnen. Denn Bildung kann nur gelingen, wenn die Institutionen und ihre Fachkräfte mit dieser elementaren Aufgabe nicht alleine gelassen werden.

Die didacta wird einmal mehr zeigen, dass die Bildungswirtschaft einen wichtigen Beitrag für mehr Gerechtigkeit und hohe Qualität im deutschen Bildungssystem leistet:

- Die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, die mehr als 850 Aussteller kommende Woche präsentieren werden, unterstützt die Bildungsprozesse auf allen Stufen des Bildungssystems.

- Mit mehr als 2 000 Vorträgen, Seminaren und Workshops bietet die didacta das weitaus größte Fortbildungsangebot für pädagogische Fachkräfte und trägt so zu einer besseren Qualifizierung bei.

- Der Didacta Verband fördert den Austausch von Praxis, Forschung und Politik, und gerade die Bildungsmesse bietet hierfür ideale Voraussetzungen. Zehn Jahre nach Veröffentlichung der ersten PISA-Studie gilt es, Bilanz zu ziehen, Fortschritte zu würdigen und Schwachstellen zu benennen.

Im Dezember 2010 veröffentlichte die OECD den jüngsten PISA-Bericht. Die Ergebnisse waren vielversprechend: Deutsche Schüler liegen im internationalen Vergleich vor allem in den Naturwissenschaften und in Mathematik nun über dem Durchschnitt. Die Lesekompetenz hat sich auch bei den leistungsschwachen Gruppen, etwa bei Jugendlichen aus zugewanderten Familien, deutlich verbessert. Herkunftsbedingte Unterschiede haben sich verringert. Auch bei der Lesefreude und beim Lernklima gibt es positive Entwicklungen.

Dennoch bleibt das Grundproblem des deutschen Bildungssystems ungelöst: Es ist ungerecht! Denn auch das sagt uns PISA: Die Unterschiede in den Schulleistungen sind stark geprägt durch den sozio-ökonomischen Hintergrund der Familien und der Schulen. In keinem anderen Land hat ein sozial ungünstiges Schulumfeld einen derart starken Einfluss auf die Leistungen von Kindern aus sozial schwachen Familien. Die sozialen Hürden auf dem Bildungsweg, an denen viel zu viele Kinder und Jugendliche scheitern, sind im vergangenen Jahrzehnt nicht ausreichend abgebaut worden.

Dabei gibt es Lösungsansätze, die sich international längst bewährt haben:

- Bildungsprozesse müssen Institutionen übergreifend gestaltet werden und aufeinander aufbauen. In Deutschland sorgen verschiedene Philosophien auf den einzelnen Bildungsstufen immer noch für individuelle und soziale Ungerechtigkeit. Ein Beispiel: In den Kitas sind die Kinder aktiv, die Fachkräfte hingegen eher passiv. In der Grundschule kehren sich diese Rollen komplett um. So gehen Bildungseffekte verloren und das System fördert ein neues "Verlierertum": Die empirische Bildungsforschung spricht von etwa einem Drittel aller Kinder und zählt dazu vor allem die jüngeren Kinder, die Jungen, die Kinder mit Migrationshintergrund und die Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten.

- Diversität muss endlich als Bereicherung und als erweiterte Lernchance begriffen werden. Nur so werden wir das Integrationsproblem lösen. Gerade der Elementarbereich und die Grundschule können dazu beitragen. Denn Integration wird im Bildungsverlauf vor allem dann gelingen, wenn sie früh beginnt.

- Bildung muss in erster Linie die Stärken eines jeden Kindes identifizieren und diese weiter stärken. Unsere Bildungseinrichtungen sind allerdings primär daran interessiert, die Schwächen der Kinder zu kurieren. Dabei hat die Familienforschung eindrucksvoll bewiesen, dass menschliche Schwächen eine bemerkenswerte Veränderungsresistenz aufweisen. Systeme, die auf Schwächen setzen, tragen zur eigenen Ineffizienz bei.

- Der Erwerb von Sprachkompetenz muss intensiver in Situationen gefördert werden, in denen die Kinder ihre eigenen Stärken einsetzen können und sich nicht als defizitär erleben.

Das Bundesfamilienministerium, in Kooperation mit den Bundesländern, möchte 400 Millionen Euro investieren, um die Sprachkompetenz von Kindern im vorschulischen Alter zu stärken. Trotz guter Absichten bleiben wir aber nach wie vor bei der Beseitigung von Symptomen, nicht bei deren Ursachen: Das Bildungssystem ist in hohem Maße nicht diskursiv. Und nicht diskursive Bildungssysteme erzeugen bekanntlich keine gute Sprachkompetenz. Das Bildungssystem diskursiv zu gestalten, ist das Ziel der Intervention, und dafür gibt es bereits bewährte Ansätze.

- Kinder erlangen Kompetenzen vor allem außerhalb der Kitas oder Schulen, insbesondere in den Familien. Deshalb muss die Fokussierung auf die Bildungsinstitutionen überwunden werden. Vielmehr gilt es, ein Konzept zu entwickeln, das alle Bildungsorte einbezieht. Damit wird auch sozialer und kultureller Vielfalt angemessen Rechnung getragen. Davon profitieren die Kinder und die Effizienz des Bildungssystems.

- Familie und Bildungsinstitution sind Ko-Konstrukteure derselben kindlichen Bildungsbiografie. Deshalb muss den Familien die Möglichkeit eröffnet werden, an dem Geschehen der Bildungsinstitution teilzuhaben und diese mit zu gestalten. Es muss eine Bildungspartnerschaft etabliert und die bisherige sogenannte Elternarbeit überwunden werden.

- Neuere Forschung bestätigt, dass wir den sozialen Räumen des Aufwachsens - neben der Familie und der Bildungsinstitution - verstärkte Aufmerksamkeit schenken sollten. Offensichtlich lassen sich in bestimmten Stadtteilen Faktoren identifizieren, die sich negativ oder positiv auf die kindliche Entwicklung und die schulische Leistung auswirken. Wir benötigen eine kreative Verbindung von Bildungs-, Familien, Jugend- und Kommunalpolitik. Das politische Ziel, jede Gemeinde auf diese Weise zu einem großen Bildungsort werden zu lassen, muss neben der Reform des Bildungssystems und der Stärkung elterlicher Kompetenz, die dritte Säule des (erweiterten) Bildungssystems sein.

- Eine hohe Bildungsqualität in allen Bildungsinstitutionen können wir nur sichern, wenn wir bereit sind, die Fachkräfte auf hohem Niveau zu qualifizieren. Dies ist weder eine neue Erkenntnis, noch eine Vision für die Zukunft. Denn 25 europäische Länder haben bereits die Ausbildung der Fachkräfte reformiert. Ein Vergleich der Erzieherausbildung in Europa zeigt beispielsweise, dass Deutschland nur noch mit Malta auf dem gleichen, unzureichenden Niveau liegt. Wir dürfen aber die Fachkräfte nicht länger ohne die notwendige Qualifizierung mit gestiegenen Anforderungen konfrontieren.

So müssen Erzieherinnen heute nicht nur über fundierte wissenschaftliche Kenntnisse auf den Gebieten der Entwicklungspsychologie, der Neurowissenschaften und der Erziehungswissenschaften verfügen, sie sind auch gehalten, Bildungsprozesse so zu organisieren, dass kindliche Kompetenzen gestärkt werden. Dafür ist nicht nur eine elaborierte Didaktik erforderlich, die es bislang nicht gab. Sie haben auch eine Reihe von Fachkompetenzen zu entwickeln, wie z. B. die Interaktionskompetenz, die Reflexionskompetenz, Beobachtungs- und Dokumentationskompetenz, um nur einige anzudeuten. Die Individualisierung von Bildungsprozessen, ein anderer Umgang mit Vielfalt und die Einbettung des Bildungsprozesses in den sozialen und kulturellen Kontext stellen neue Herausforderungen dar. Der Ausbau der Bildungsangebote für unter dreijährige Kinder, die Etablierung einer Bildungspartnerschaft mit der Familie und eine Vernetzung mit weiteren Bildungsorten stellen weitere Anforderungen, denen die Fachkräfte nur mit dem Erwerb zusätzlicher Kompetenz wirkungsvoll begegnen können. Schließlich verlangen die Institutionen übergreifenden Bildungspläne nach neuen Wegen der Kooperation zwischen dem Elementar- und dem Primarbereich.

Hier schließt sich der Kreis zur didacta. Gerade hier leistet die Bildungswirtschaft einen entscheidenden Beitrag zur Weiterqualifizierung von Erzieherinnen, Lehrern und Trainern. Die Kita-Seminare, Symposien, Workshops und Fachvorträge greifen praxisrelevante Aspekte des Lehrens und Lernens auf. Dazu zählt verstärkt auch der Einsatz neuer Medien in der Bildung. Vorbildliche Bildungsprojekte sollen zur Nachahmung anregen.

In Diskussionsrunden mit Politikern, Bildungsforschern und Fachkräften suchen wir Antworten auf drängende bildungspolitische Fragen. Wie die sozialen Ungerechtigkeiten ausgeglichen werden können, die dem deutschen Bildungssystem immanent zugrunde liegen, steht dabei im Fokus. Und damit drängt sich die zentrale Frage auf: Wie viel ist uns Bildung wert?

Die skizzierten Reformen im deutschen Bildungssystem sind nicht zum Nulltarif zu haben. Dennoch wird in Deutschland nach wie vor unzureichend in Bildung investiert. Die Bundeskanzlerin hat zwar die "Bildungsrepublik" ausgerufen, aber die von ihr initiierten Bildungsgipfel blieben weitgehend ohne Erfolg. Deutschland gibt - gemessen an seiner Wirtschaftskraft - mit 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) einen Prozentpunkt weniger für Bildung aus als die OECD-Länder im Durchschnitt. Das Ziel, bis 2015 sieben Prozent des BIP in Bildung zu investieren, liegt in weiter Ferne. Gerade der Elementar- und der Primarbereich sind chronisch unterfinanziert, obwohl sie das Fundament für kindliche Bildungsbiografien bilden. Im Elementarbereich wird nicht einmal die Hälfte dessen investiert wird, was die OECD mit einem Prozent des BIP empfiehlt.

Dies ist deshalb verwunderlich, da Studien die hohe Effizienz solcher frühen Investitionen nachgewiesen haben. Den Bildungsinstitutionen fehlen vielfach die ökonomischen Voraussetzungen, um hohe Bildungsqualität zu sichern und eine für gelungene Integration erforderliche Differenzierung und Individualisierung der Bildungsprozesse vorzunehmen. Dabei tragen diejenigen Kinder die Konsequenzen, deren Familien nicht in der Lage sind, solche Defizite auszugleichen.

Dies ist ein unhaltbarer Zustand. Deshalb fordert der Didacta Verband Bund, Länder und Kommunen auf,

- eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, wie Bildung in Deutschland nachhaltig finanziert werden kann. Das "Schwarze Peter-Spiel" der Ebenen auf dem Rücken der Kinder darf nicht fortgeführt werden;

- das Kooperationsverbot von Bund und Ländern aufzuheben, denn es lähmt die dringend nötige Zusammenarbeit in Fragen der Bildungsfinanzierung;

- den Bildungsförderalismus weiterzuentwickeln. Die Bildungsziele, die Ausbildung der Fach- und Lehrkräfte und die Finanzierung bedürfen einer zentralen Regulierung. Die konkrete Umsetzung in den Bildungseinrichtungen muss dagegen regionale und individuelle Aspekte berücksichtigen.

Es ist geradezu paradox, dass die Bundesländer die föderale Verantwortung auf der Ebene der Bildungsplankonstruktion zelebrieren. Das Land benötigt einen - den besten Bildungsplan, - der internationalen Standards entspricht und allen Kindern in Deutschland die gleichen Bildungschancen eröffnet. Die föderale Verantwortung ist bestens aufgehoben auf der Ebene der Bildungsplanimplementation: Welches Land bietet die besten Bedingungen für die Umsetzung dieses Planes? Welches Land geht dabei innovative Wege, wenn es darum geht, in Bildung zu investieren, Rahmenbedingungen für Fachkräfte und Eltern zu schaffen und das System weiterzuentwickeln?

Dafür setzen wir uns ein. Wir fordern von den Entscheidungsträgern keinen besonderen politischen Mut, denn die Entscheidung für bessere Bildung wird von den Menschen begrüßt. Wir fordern Aufrichtigkeit, den Wahlkampfreden Taten folgen zu lassen, selbst wenn sich positive Ergebnisse erst nach der eigenen Legislaturperiode einstellen.

Nachhaltige Konzepte und Angebote für größere Bildungschancen, das können die Besucher von der didacta 2011 in Stuttgart erwarten. Von hier aus werden alle Beteiligten wichtige Impulse für bessere Bildung und für die Weiterentwicklung des Bildungssystems in Deutschland senden.
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