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Mehreinnahmen für eine vorausschauende Bildungspolitik einsetzen

(lifePR) (Darmstadt, )
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Ein Kommentar von Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis:

Sechs Milliarden Euro mehr als angenommen wird der Staat in diesem Jahr an Steuern einnehmen, so die jüngste Steuerschätzung. Diese Mehreinnahmen sollten Bund, Länder und Kommunen jetzt für eine vorausschauende Bildungspolitik einsetzen, die frei von Aktionismus individuelle Perspektiven eröffnet und den Wohlstand einer Gesellschaft langfristig sichert. Denn wirksame Bildungsinvestitionen schaffen Wirtschaftswachstum, wie Studien vielfach belegen.

Gelingende Bildung trägt dazu bei, dass wir selbstbestimmt an Gesellschaft und Arbeitswelt teilnehmen können. Junge Menschen mit abgeschlossener Ausbildung oder Studium können ihren Lebensunterhalt in der Regel selbst sichern und sind seltener von Arbeitslosigkeit oder Armut bedroht. Sie müssen die sozialen Sicherungssysteme weniger in Anspruch nehmen als Ungelernte. Dennoch leistet sich Deutschland rund 1,5 Millionen junge Menschen ohne Ausbildungs- oder Studienabschluss, mehr als ein Fünftel von ihnen hat nicht einmal einen Schulabschluss.

Die Folgekosten sind enorm, errechnete 2011 beispielsweise das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Demnach starten Jahr für Jahr 150 000 Jugendliche ohne Ausbildungsabschluss ins Berufsleben. Mit jedem neuen Jahrgang, bei dem es nicht gelingt, die Zahl der ausbildungslosen Personen zu halbieren, entstehen allein den öffentlichen Haushalten Folgekosten von 1,5 Milliarden Euro.

So verschenkt Deutschland Wachstum durch schlechte Bildung. Bereits 2009 zeigten Professor Ludger Wößmann und Marc Piopiunik, dass durch eine Bildungsreform Erträge in Höhe von 2.808 Milliarden Euro bis ins Jahr 2090 möglich sind - mehr als das gesamte heutige Bruttoinlandsprodukt. Sie setzen dabei voraus, dass die Bildungspolitik in den nächsten Jahren Maßnahmen ergreift, die unzureichende Bildung schrittweise reduziert und vor allem die Gruppe der sogenannten Risikoschüler minimiert. Diese macht heute etwa 20 Prozent der 15-jährigen Deutschen aus, die nur auf Grundschulniveau rechnen und schreiben können.

Wie aber sorgen wir für bessere Bildung? Antworten auf diese Frage liegen vor. Sie beruhen auf fundierten Ergebnissen der Forschung und internationalen Erfahrungen in der Praxis:

-Mit der höchsten Priorität müssen wir alles daran setzen, die starke Bildungsungerechtigkeit in Deutschland endlich zu überwinden. Einen entscheidenden Beitrag dazu kann ein Institutionen übergreifender Bildungsplan leisten, der von Flensburg bis nach Oberammergau gültig ist.

-Die Bildungsprozesse müssen Institutionen übergreifend und Lernort orientiert gestaltet werden und aufeinander aufbauen. Auf Zuteilungs- und Selektionsmechanismen, die Ungerechtigkeiten verstärken, sollten wir verzichten.

-Eine Neu-Organisation des Bildungssystems ist aus unserer Sicht unumgänglich. Sie verlangt zudem nach neuen Wegen der Kooperation zwischen den handelnden Personen. Dies muss bereits in der Ausbildung berücksichtigt werden. So müssen Frühpädagogen und Grundschullehrkräfte, um ein Beispiel zu nennen, künftig gemeinsam auf hohem Niveau qualifiziert werden - mit allen Konsequenzen auch für ihre Vergütung. Sie müssen in die Lage versetzt werden, Kinder von null bis mindestens zehn Jahren zu begleiten und zu fördern.

-Wir müssen eine Partnerschaft von Familien und Bildungsinstitutionen etablieren. Familie und Bildungsinstitution sind Ko-Konstrukteure derselben kindlichen Bildungsbiografie. Deshalb muss den Familien die Möglichkeit eröffnet werden, an dem Geschehen der Bildungsinstitution teilzuhaben und diese mitzugestalten.

-Dies ist umso wichtiger, da Kinder Kompetenzen vor allem außerhalb der Kitas oder Schulen erlangen, insbesondere in den Familien und an weiteren Lernorten. Deshalb müssen wir ein Konzept entwickeln, das alle Bildungsorte einbezieht. Damit wird auch sozialer und kultureller Vielfalt angemessen Rechnung getragen. Davon profitieren die Kinder und die Effizienz des Bildungssystems.

-All das setzt voraus, dass wir insgesamt mehr in Bildung investieren. Deutschland gibt - gemessen an seiner Wirtschaftskraft - mit 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) immer noch weniger für Bildung aus als die OECD-Länder im Durchschnitt (6,2 Prozent). Gerade Investitionen in die frühe Bildung zahlen sich auf lange Sicht am stärksten aus, wie Wirtschafts-Nobelpreisträger James Heckman eindrucksvoll nachgewiesen hat.

Bund, Länder und Kommunen haben ihre Hausaufgaben noch nicht befriedigend gemacht. Das zeigt sich aktuell am Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. 220 000 Plätze fehlen noch, um den Rechtsanspruch ab August 2013 zu erfüllen - obwohl diese Entscheidung für Kinder und Familien bereits vor fünf Jahren getroffen wurde. Für ein reiches Land wie Deutschland ist dies ein Armutszeugnis.

Wir müssen endlich dazu kommen, unsere Verantwortung für die nachkommenden Generationen nicht nur in Sonntagsreden zu beschwören. Die fachlichen Voraussetzungen dafür sind gegeben. Der politische Wille ist gefragt.
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