Auch der neue Bildungsbericht folgt im Kern einer alt bekannten OECD-Logik: Der tertiäre Abschluss (Universität, Fachhochschule, Meister) steht über allem, weil seine Absolventen besser verdienen und weniger von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Deshalb kritisiert die OECD beispielsweise, dass in Deutschland nur 28 Prozent der 25- bis 65-Jährigen über einen tertiären Abschluss verfügen, während es im Durchschnitt der OECD-Länder 33 Prozent sind. Der Anteil der Hochgebildeten wachse in kaum einem anderen Land so langsam wie hierzulande. Zudem sei die Bildungsmobilität in Deutschland so gering wie in kaum einem anderen OECD-Land. Nur 19 Prozent der jüngeren Deutschen (bis 34 Jahre) haben demnach einen höheren, 24 Prozent dagegen einen niedrigeren Bildungsstand als ihre Eltern.
Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis, Präsident des Didacta Verbandes: "Der pauschale Ruf nach mehr Hochgebildeten ist allerdings zu kurz gedacht, zumal in Deutschland so viele Menschen einen Hochschulabschluss erwerben wie nie zuvor. Sie werden in bestimmten Bereichen zweifelsfrei gebraucht. Doch gibt es in Deutschland eine Alternative, die in dieser OECD-Studie einmal mehr nicht ausreichend gewürdigt wird: die duale Ausbildung." Die enge Verzahnung von praktischer und theoretischer Ausbildung gilt bei Arbeitsmarktexperten als ein Hauptgrund dafür, dass die Jugendarbeitslosigkeit bei uns im internationalen Vergleich gering ist. "Und zählt ein Akademikerkind, das sich für einen - oft sicheren und gut bezahlten - Ausbildungsberuf entscheidet, wirklich zu den Bildungsabsteigern?", fragt Fthenakis. Zumal wieder mehr Erwerbstätige über Auftstiegsfortbildungen höhere Abschlüsse wie den Meister erreichen, der einem akademischen Abschluss gleichgestellt ist.
"Eine einseitige Betrachtungsweise pro akademische Bildung wird der Realität in Deutschland nicht gerecht. Vielmehr wird es auch in Zukunft auf ein ausgewogenes Verhältnis von akademisch und beruflich gebildeten Fachkräften ankommen", so der Didacta-Präsident.
Wie auch immer man die jüngsten Ergebnisse deutet, am Ende steht auch für die OECD das Ziel: Eine offene Gesellschaft benötigt ein Bildungssystem, das alle fördert. Und vor allem hier legt sie regelmäßig den Finger in die Wunde. Gerade für Schüler aus sozial schwachen Familien bleibe das Versprechen "Aufstieg durch Bildung" häufig in weiter Ferne.
Diese Ungerechtigkeit im deutschen Bildungssystem zu überwinden, muss alle antreiben, die für Bildung Verantwortung tragen.
Der Didacta Verband tritt dafür ein, dass alle Kinder die besten Startchancen in ein selbstbestimmtes Leben erhalten. Fthenakis: "Fundierte Ergebnisse der deutschen und internationalen Forschung und Erfahrungen in der Praxis zeigen: Um unsere Kinder optimal auf eine veränderte Welt vorzubereiten, müssen wir die theoretische Grundlage und die Bildungsphilosophie verändern, die gesamte Architektur des Bildungssystems neu entwerfen, aber auch den didaktisch, methodischen Ansatz erneuern. Nicht mehr die Vermittlung von Kenntnissen soll im Mittelpunkt stehen, sondern das Kind, seine Entwicklung und die Stärkung seiner Kompetenzen."
So kann die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland endlich überwunden werden.
Lesen Sie hierzu nähere Informationen: Einsatz für mehr Gerechtigkeit und Qualität