„Nichts ist wie es scheint – ich halte inne – und finde Möglichkeiten!“
Hier die Erläuterung und Gebrauchsanweisung:
Er poppt mal wieder auf, ein alter Konflikt. Seit Jahren gehen Sie schon damit um und sicher, einiges hat sich geändert:
- Alle Beteiligten können damit leben
- Jeder, der damit zu tun hat, hat sein Verhalten so angepasst, so dass die Störungen nicht allzu groß sind
- Man hat sich damit abgefunden
- Sie und die Anderen tolerieren die Gegebenheiten
- Die wollen Sie ärgern
- Die sind gegen Sie
- Die anderen sind mal wieder so komisch – zurückweisend und ablehnend
- Wenn Sie sich begegnen – herrscht eisiges Schweigen, bestenfalls oberflächliches Geplänkel
- Jetzt zahl ich es zurück und blockiere einfach alle gemeinsamen Projekte
- Ich hau hier ab, das ist nicht der richtige Platz für mich – sollen sie sehen, wie sie ohne mich zurecht kommen
- Still halten, durchhalten, nichts machen – es wird schon wieder vorbei gehen
- Kampf
- Flucht
- Totstellen
Ruhe, Entspannung und die Einsicht „vielleicht ist es ja gar nicht so, wie es scheint“. Sie kennen dazu bestimmt das Beispiel mit der Sonnenbrille: Stellen Sie sich vor, Sie ziehen eine Brille auf, die alles gelb färbt – Sie schauen durch und sehen alles gelb. Doch nach einiger Zeit hat sich der Blick an die gelbe Einfärbung gewohnt und Sie vergessen sozusagen, dass Sie alles gelb sehen. Das Gehirn schaltet auf „normal“ um. Erst wenn Sie die Brille wieder abnehmen sehen Sie: „Ups, die Realität ist ja ganz anders, vielfältiger, reichhaltiger“.
Haben Sie `mal beobachtet, welche Wirkung es hat, wenn übervorsichtige Eltern ihren Kindern ständig sagen: „Pass auf, du könntest hinfallen – dich erkälten – runterfallen…?“ Haben Sie bemerkt, dass die Kinder durch die ständige Verunsicherung der Eltern ganz unsicher werden und dann plötzlich hinfallen – sich erkälten – vom Klettergerüst fallen…?
Selbsterfüllende Prophezeiung nennen wir das. Paul Watzlawick bringt es in seinem berühmten Beispiel mit dem Hammer auf den Punkt, das ich hier sinngemäß wiedergebe:
Ein Mann möchte einen Nagel in die Wand schlagen – ihm fehlt ein Hammer. Er kommt auf die Idee, sich beim Nachbarn einen zu leihen. Doch da fällt ihm ein: „Beim letzten Mal war der so komisch. Bestimmt hat er was gegen mich – ja und gestern hat er mich im Treppenhaus nicht angeschaut – ja ganz bestimmt mag er mich nicht. Und genau, heute Morgen hat er vor meiner Wohnungstür sein benutztes Tempotaschentuch verloren – das war Absicht – genau, der will mich ärgern – der wird mir – selbst wenn er einen Hammer hat – diesen bestimmt nicht leihen.“ Wutentbrannt klingelt er beim Nachbarn, und als dieser öffnet, schreit er den verdatterten Mann an: „Behalten Sie doch ihren blöden Hammer!“
Zurück zu uns - vielleicht ist es ja nicht so wie es scheint – mal inne halten, mal tief durchatmen! Gerade die alten, verhärteten Konflikte, die scheinbar unlösbar sind, sind voller gelber Brillen und voller Nachbarn, die schon wissen, dass Sie bestimmt keinen Hammer hergeben.
Innehalten, durchatmen, sich entspannen, spazieren gehen, gute Musik genießen, eine warme Dusche, Fahrrad fahren… – all das sind Möglichkeiten, die uns öffnen für unsere reichhaltigeren Gehirnhälften, die uns andere Wege und Möglichkeiten eröffnen als Kampf, Flucht oder Totstellen. Sie unterstützen uns zum Wachsen, zum Lernen, zum Weiterkommen.
Der bekannte Gehirnforscher Gerald Hüther sagt: „Freuen Sie sich, wenn Sie ein unlösbares Dilemma haben!“
Er meint damit: Wenn Sie sich unlösbaren Problemen, also einem Dilemma, stellen, dann ist das wie Dünger für unser Gehirn: „Hurra! Eine bis jetzt unlösbare Aufgabe…!“ – und es werden eifrig neue Vernetzungen geknüpft, neue Kontakte geschaltet – das Gehirn weitet, differenziert und entwickelt sich.
Die Voraussetzung dafür:
- hören Sie auf, ihr Dilemma zu tolerieren
- steigen Sie daraus aus, sich anzupassen oder sich zu arrangieren
- haben Sie Klarheit darüber, diese Störung nicht mehr in Ihrem Leben haben zu wollen
- Halten Sie für möglich, dass Ihre Sichtweise bis jetzt sehr eingeschränkt war
- Bleiben Sie da, flüchten Sie nicht in Toleranz und Anpassung
- Halten Sie inne
Wie das geht? Ganz einfach: Anstatt zu suchen, lassen Sie sich finden – vertrauen Sie darauf, dass Ihr Gehirn diese Aufgabe löst – ganz ohne Ihr bewusstes Zutun.
Pablo Picasso hat diese Fähigkeit mit folgenden wunderbaren Zeilen beschrieben:
Ich suche nicht - ich finde.
Suchen, das ist Ausgehen von alten Beständen
und das Finden-Wollen von bereits Bekanntem.
Finden, das ist das völlig Neue.
Alle Wege sind offen und was gefunden wird, ist unbekannt.
Es ist ein Wagnis, ein heiliges Abenteuer.
Die Ungewissheit solcher Wagnisse können eigentlich nur jene auf sich nehmen,
die im Ungeborgenen sich geborgen wissen,
die in der Ungewissheit, der Führerlosigkeit, sich geführt wissen,
die sich vom Ziel ziehen lassen, ohne selbst das Ziel zu bestimmen.
Uns allen beim Finden die besten Erfolge!
Von Stephan Josef Dick