Das Marktumfeld für Tierhaltungsprofis in Deutschland, Europa und weltweit ist herausfordernd, und dennoch ist ihre Investitionsbereitschaft robust: Das ist Botschaft der internationalen Studie mit mehr als 3.000 Teilnehmern „DLG-Agrifuture Insights Winter 2023/2024“, welche die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) zur EuroTier 2024 im Hinblick auf die Tierhaltung einordnet. Zu den Herausforderungen für Landwirte in Deutschland, Europa und weltweit zählen sich ausbreitende virale Infektionen wie die Blauzungenkrankheit, Afrikanische Schweinepest und Aviäre Influenza / Geflügelpest. Zudem beeinflusst der Klimawandel die Futtermittelversorgung und-kosten: Preise und Verfügbarkeiten zeigen sich witterungsbedingt zunehmend volatil. Positiv zu vermelden ist, dass die Preise für Milch und Fleisch relativ stabil sind – und Investitionsvorhaben begünstigen. In diesem turbulenten Marktumfeld ist es für die Landwirte und Unternehmen im Agribusiness wichtig, die Zukunft aktiv mitzugestalten.
Bei einer fortschrittlichen und innovativen Gestaltung der Zukunft setzt die EuroTier – die weltweit führende Fachmesse für Tierhaltung und Livestock-Management – an und bietet als internationale Plattform unter dem Leitthema „We innovate animal farming“ Innovationen und Lösungsansätze für die Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen. Die EuroTier wird vom 12. bis 15. November 2024 wieder auf dem Messegelände in Hannover Innovationen und Trends für die Landwirtschaft präsentieren. Rund 2.100 Aussteller aus 55 Ländern zeigen auf circa 220.000 m2 Hallenfläche ein vollständiges Angebot rund um die moderne Tierhaltung und Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft.
Turbulente Zeiten in der Branche
Der Agrarmarkt zeigt sich dynamisch. Weiterhin sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft und das vor- und nachgelagerte Agribusiness von Turbulenzen geprägt. Neben dem anhaltenden Krieg in der Ukraine stellen die Blauzungenkrankheit, die Afrikanische Schweinepest (ASP) und die Aviäre Influenza / Geflügelpest die Tierhalter vor große Herausforderungen. Zudem führen anhaltende Extremwetterereignisse zu starken Schwankungen bei der Verfügbarkeit und den Kosten von Futtermitteln.
Im Oktober 2023 wurden die ersten Ausbrüche der Blauzungenkrankheit mit dem Serotyp 3 (BTV-3) in Deutschland, den Niederlanden und Belgien festgestellt (Quelle: Friedrich Löffler Institut). Seitdem kamen Ausbrüche in weiten Teilen dieser drei Länder hinzu. Seit Juli 2024 nehmen die Nachweise von BTV-3 in Deutschland deutlich zu (mehr als 3500 Feststellungen; Stand 16.08.2024). Empfänglich für den Virus sind Schafe, Rinder, Ziegen, Neuweltkameliden sowie Wildwiederkäuer. Ein Impfstoff ist bisher nicht zugelassen, eine Eilverordnung erlaubt aber die Anwendung dreier Impfstoffe in betroffenen Gebieten (Stand 12.9.2024). Der bisherige Einsatz zeigt, dass die Impfung eine wirksame Maßnahme darstellt, die Tiere zu schützen. Auch ASP breitet sich weiter aus. Stand 10. September 2024 wurden 596 Fälle von ASP bei Hausschweinen in Europa gemeldet. Anlässlich der Situation auf dem weltweiten Geflügelmarkt veröffentlichte die FAO am 29. Juli 2024 einen Bericht, in dem sie ein Zoonose-Potenzial bei der Aviäre Influenza erkannte. Zoonosen sind von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten, die bei Wirbeltieren vorkommen.
Derweil unterliegen die Preise für Getreide und Ölsaaten weltweit in den vergangenen Jahren deutlichen Schwankungen, bedingt durch vielfältige geopolitische Krisen sowie den Klimawandel. Während beispielsweise die Weizenernte in Deutschland 2024 unterdurchschnittlich ausgefallen ist, ist weltweit die Produktion noch einmal deutlich gestiegen. Die Preise an den Warenterminbörsen bewegen sich auf einem im Durchschnitt der vergangenen Jahre moderaten bis niedrigen Niveau.
Auf dem Milchmarkt dagegen gibt es seit 2021 in der EU einen allgemeinen Trend zu höheren Milchpreisen. Im Jahr 2022 konnten aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise Spitzenpreise auf dem EU-Milchmarkt registriert werden. Seitdem haben sich die Preise bei einem gleichbleibenden hohen Niveau eingependelt. Und auch das Milchangebot war in den Jahren 2023/2024 konstant. Die Schweinepreise sind in der EU relativ stabil. Jedoch geht der Exportwert aufgrund von ASP und einer geringeren Produktion zurück. Zeitgleich ist der Rückgang der Exportmenge höher als der Rückgang des Exportwertes. Dies lässt sich zum einen durch eine Verschiebung der Marktanteile zwischen den Exportländern (weniger nach China, mehr nach UK) und höheren Produktpreisen erklären.
Mit steigendem Wohlstand nimmt weltweit die Nachfrage nach Fleisch zu. Geflügel ist hierbei weiterhin das gefragteste Fleischprodukt. Entsprechend ist die Produktion von Geflügelfleisch in den vergangenen 20 Jahren weltweit um mehr als 30 Prozent gestiegen.
Umfrage: Investitionsbereitschaft der Landwirte
Die DLG hat mehr als 3.300 Landwirte aus aller Welt für die „DLG Agrifuture Insights Winter 2023/2024“-Studie befragt und im Sommer 2024 nochmal eine Blitzumfrage unter rund 600 Teilnehmern (DLG Agrifuture Insights Sommer 2024) durchgeführt. Im Zentrum standen die aktuelle Investitionsbereitschaft der Landwirte und die zunehmende Digitalisierung der Betriebe, auch um den aktuellen Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.
Gleichmäßig über den Markt verteilt bewerten Geflügelproduzenten, Schweinehalter und Milcherzeuger im Winter 2023/24 die finanzielle Situation ihres Betriebes besser als im Sommer 2024. Gründe dafür können unter anderem der anhaltende Krieg in der Ukraine sowie der neu ausgebrochene Konflikt im Nahen Osten sein. Jedoch dürfen die Zahlen nicht überbewertet werden, da im Sommer 2024 wesentlich weniger Landwirte an der Studie teilnahmen als im Winter 2023/24. Ein genereller Trend ist nichtsdestotrotz ablesbar. Um die finanzielle Situation der Betriebe langfristig zu verbessern und zu stabilisieren, müssen die Kosten gesenkt werden unter anderem durch eine verbesserte Futtermittelverwertung sowie eine Digitalisierung und Automatisierung der Höfe.
Milcherzeugenden Betrieben zeigen eine hohe Bereitschaft, zukünftig zu investieren. Geflügelbetriebe und Schweinehalter folgen dicht auf. Die guten Preise im vergangenen Jahr geben besonders Milchviehhaltern die finanzielle Basis für Investitionen. Die Investitionsbereitschaft bei Ackerbaubetrieben ist dagegen gedämpft. Hauptsächlich planen Landwirte in drei Bereichen der Tierhaltung Investitionen: Tierwohl, Reduktion von Hitzestress und Bauwesen und Digitalisierung. Neuartige und verbesserte Stallkonzepte können dem Tierwohl und der Tiergesundheit zugutekommen. Hierbei kann unter anderem auch eine zunehmende Automatisierung der Betriebe helfen. Und auch durch den Fachkräftemangel in Europa gewinnt die Automatisierung weiterhin an Bedeutung.
Digitalisierung und Automatisierung der Landwirtschaft
Die landwirtschaftlichen Betriebe werden unterdessen bereits digitaler und digitale Hilfsmittel gewinnen in allen Bereichen der Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung. Laut einer Studie von Bitkom Research die im Juni 2024 veröffentlicht wurde, haben sich die die Werte gegenüber dem Jahr 2022 noch einmal erhöht. Rund 68 Prozent (2022: 63 Prozent) der befragten Landwirte setzen auf ihrem Hof bereits einen digitalen Feldkatalog, Kuh- oder Sauenplaner ein. Ein Grund für diesen häufigen Einsatz ist die einfache Integration in den bestehenden Betrieb und das Einsparen von Arbeitszeit. Deutlich seltener kommen Betriebs- und Herdenmanagementsysteme zum Einsatz. Jedoch ist hier eine starke Steigerung zu beobachten. Setzte im Jahr 2022 nur jeder Dritte auf die digitalen Hilfssysteme (32 Prozent), ist es im Jahr 2024 bereits jeder Zweite (46 Prozent). Melk- und Stallroboter werden von 22 Prozent der Befragten Tierhalter eingesetzt (2022: 19 Prozent). Zusätzlich gibt es, verglichen mit 2022, einen größeren Bedarf an digitalem Support.
Laut der DLG Agrifuture Insights Winter 2023/2024 Befragung hoffen Milchviehhalter zukünftig neue Innovationen in der Arbeitsorganisation zu sehen. So kann die Arbeitseffizienz gesteigert werden. Ähnlich wichtig ist den Milcherzeugern eine Verbesserung von Herdenmanagment- und monitoringsystemen sowie digitale Innovationen zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes. Zum Beispiel können durch Sensorsysteme Probleme rechtzeitig erkannt und Entzündungshemmer gegeben werden, sodass keine Antibiotikagabe nötig ist. So können nicht nur Verluste reduziert werden sondern auch Resistenzen in Mensch und Tier vermieden werden.
Schweinehalte hoffen auf Innovationen im Bereich der Klimatisierung von Nutztierställen. Gerade durch den Klimawandel und die damit verbundenen Hitzeperioden gewinnt das Thema weiter an Bedeutung. Gleich wichtig beurteilen die befragten Landwirte Innovationen für eine bedarfsgerechte Fütterung, um die Tiergesundheit und das Tierwohl zu verbessern. Durch Verbesserungen im Herdenmanagement und im Monitoring sowie bei den Haltungssystemen können zu einer besseren Tiergesundheit und zu mehr Tierwohl führen und damit auch beispielweise Schweine mit Ringelschwanz besser integriert werden. Ein Thema, über das sich aktuell in Deutschland viele Tierhalter Gedanken machen und dem die EuroTier 2024 einen Schwerpunkt im Fachprogramm widmet.
Bedarfsgerechte Fütterung im Fokus
Auch bei den Geflügelhaltern wird die bedarfsgerechte Fütterung zur Reduzierung der Nährstoffe in Wirtschaftsdünger und der Sicherung der Leistung und Gesundheit des Geflügels als bedeutend eingestuft. An zweiter Stelle folgt der Bedarf nach Innovationen für eine verbesserte Arbeitsorganisation. Künstliche Intelligenz und eine fortschreitende Digitalisierung können bei diesem Ziel unterstützen und zudem die Tiergesundheit verbessern. Mit gleicher Relevanz stufen die befragten Landwirte den Bedarf nach verbesserten Klimasystemen ein.
Beim Einsatz energieeffizienter Maßnahmen, um das Klima und die Umwelt zu schützen, planen jeweils rund 50 % der befragten Milchvieh- und Schweinehalter entsprechende Maßnahmen auf ihrem Betrieb umzusetzen. Bei den Geflügelhaltern haben über 50 % bereits Maßnahmen implementiert und weitere rund 30 % planen diesin der Zukunft umzusetzen. Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz resultieren in einer Senkung der Kosten und steigern die Nachhaltigkeit des Betriebes. Zudem nehmen Investitionen in PV-Anlagen auf den Höfen zu. Immer mehr Betriebe produzieren ihren Strom selbst, weswegen technische Lösungen gesucht werden, um möglichst viel von dem selbsterzeugten Strom nutzen zu können. Hierbei sind auch intelligente Technologien zur Stromspeicherung erforderlich.
Fazit
Der fortschreitende Klimawandel macht es notwendig, energieeffiziente Technologien zur Vermeidung von Hitzestress und zur Optimierung der Tiergesundheit in das Stallkonzept miteinzubinden. Auch eine bedarfsgerechte Fütterung gewinnt immer mehr an Bedeutung. So können Treibhausgas- und Nährstoffüberschüsse verringert, die Tiergesundheit gefördert und Kosten gesenkt werden. Digitale Hilfsmittel sind von den Höfen bereits nicht mehr wegzudenken. Sie verbessern die Effizienz der betrieblichen Abläufe und unterstützen beim Fachkräftemangel. Zudem werden Arbeitsbedingungen verbessert, Tiergesundheit und das Tierwohl gesteigert. Um diese Ziele zu erreichen, sind zukünftig weiter Innovationen erforderlich.
Mit ihren einzigartigen Produkt- und Informationsangeboten werden die EuroTier und die EnergyDecentral 2024 wieder live auf dem Messegelände in Hannover richtungsweisende Impulse für beide Branchen setzen. Wir freuen uns darauf und auf Ihren Besuch.