Beispiel 1 (teilweise privat genutzte Immobilie)
A ist Unternehmensberater. 2012 errichtete er für 600.000 € netto ein Einfamilienhaus (Fertigstellung 1.7.2012). Seine Beratungstätigkeit übt er in einem Teil der Räumlichkeiten dieses Hauses aus. Das Verhältnis privater sowie unternehmerischer Nutzung beträgt 80/20. Wie jedes Jahr stellt A seinem Steuerberater erst nach dem Sommerurlaub im September die zur Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung. Bei dieser Gelegenheit erfährt sein Steuerberater von der Errichtung des Einfamilienhauses. A freut sich schon auf eine Vorsteuererstattung in Höhe von 22.800 € hinsichtlich der anteilig auf die Büroräume entfallenden Baukosten (600.000 € x 20% x 19%).
Abwandlung: A nutzt das Haus ab 1.7.2014 in vollem Umfang für seine Tätigkeit als Unternehmensberater. Die Familie zieht in eine Villa am Stadtrand um.
Die Freude über die Steuererstattung wird vom Steuerberater des A nicht geteilt. Denn A hat unglücklicherweise ein Gebäude errichtet, das sowohl unternehmerischen als auch nichtunternehmerischen (eigenen Wohn-)Zwecken dient. Bei solchen gemischt-genutzten Gegenständen aber fordert die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, dass der Unternehmer die damit verbundenen Eingangsleistungen (hier die Bauleistungen der Handwerker usw.) für Zwecke des Vorsteuerabzuges sofort seinem Unternehmen zuordnet und zwar durch eine sog. Zuordnungsentscheidung. Dies hätte vorliegend wenigstens im Umfange der unternehmerischen Verwendung der Immobilie zu 20% geschehen müssen.
Die Zuordnungsentscheidung findet regelmäßig darin ihren Ausdruck, dass der Unternehmer einen entsprechenden Vorsteuerabzug in seinen laufenden (grundsätzlich monatlichen) Umsatzsteuervoranmeldungen geltend macht. Großzügigerweise aber darf eine Zuordnung nach Ansicht des Bundesfinanzhofes noch bis zum Ablauf der allgemeinen Steuererklärungspflicht vorgenommen werden, also im obigen Beispiel bis zum 31. Mai 2013. Diese Frist hat A schlichtweg verbummelt. Verständlich, denn er wusste von dieser Frist nichts. Dabei hätte ein einfacher Brief an sein Finanzamt schon im Laufe des Jahres 2012 unter Hinweis darauf genügt, dass sein häusliches Büro zu seinem Unternehmen als Unternehmensberater gehört. So aber geht A gänzlich leer aus, jedenfalls nach Auffassung des Bundesfinanzhofes.
Dieses negative Ergebnis ändert sich auch dann nicht, wenn A das Gebäude ab 1.7.2014 in vollem Umfang für seine unternehmerische Tätigkeit verwendet. Zwar ist es nun kein gemischt-genutztes Wirtschaftsgut mehr. Darauf aber kommt es nicht an. Denn ein Vorsteuerabzug kann nicht dadurch generiert werden, dass ein zunächst zum Nichtunternehmensvermögen gehörendes Wirtschaftsgut fortan unternehmerischen Zwecken dient und damit zwangsweise Unternehmensvermögen wird. Das gilt auch dann, wenn die unternehmerische Nutzung 100% beträgt. Der Vorsteuerabzug geht endgültig verloren. Natürlich hätte der deutsche Gesetzgeber dies anders regeln können, weil ihm dieser Spielraum durch die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie zur Verfügung steht. Er hat ihn aber schlichtweg nicht genutzt.
Beispiel 2 (teilweise steuerfrei genutzte Immobilie)
B, ein Nachbar des A, hatte ein geringfügig anderes Timing. B errichtete ebenfalls 2012 ein Einfamilienhaus, das er teilweise zur Ausübung seiner Tätigkeit als Immobilienmakler verwendet. Allerdings wohnt seine Familie von Anfang nicht in diesem Haus, so dass B die darin befindliche Wohnung an Fremde vermietet. Das Nutzungsverhältnis der Büroräumlichkeiten zur Wohnung beträgt wie bei A 20/80. Auch B hat es mit der Abgabe seiner Steuererklärung nicht eilig. Sein Steuerberater wird ebenfalls erst im Herbst 2013 mit den zur Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Unterlagen versorgt.
Im Gegensatz zu A kann sich B auf eine Vorsteuererstattung in Höhe von 22.800 € freuen. Warum? Die Immobilie des B dient hier ausschließlich unternehmerischen Zwecken, wenn auch teilweise umsatzsteuerfrei. Damit liegt aus umsatzsteuerlicher Sicht kein gemischt-genutztes Wirtschaftsgut vor, das einer ausdrücklichen Zuordnungsentscheidung bedarf. Die Immobilie ist bereits per se Unternehmensvermögen mit der Folge eines Vorsteuerabzuges im Umfange steuerpflichtiger Nutzung, in Beispiel 2 mithin 20%.
Sollte B wie A ebenfalls zum 1.7.2014 seine steuerpflichtige unternehmerische Nutzung als Immobilienmakler im Gebäude auf 100% ausdehnen, kann er die Segnungen des § 15a Abs. 1 UStG in Anspruch nehmen. Danach ist der Vorsteuerabzug zugunsten des Unternehmers zu korrigieren, wenn sich die für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse im Sinne einer Erweiterung steuerpflichtiger Nutzung gegenüber dem Jahr erstmaliger Verwendung ändern. Damit würde B für die Jahre 2014 bis 2022 jährlich einen weiteren Vorsteuerabzug von 9.120 € erhalten (= 80% von 600.000 € x 19% : 10). Insgesamt erreicht B damit einen Vorsteuerabzug von 95.760 €. Das kann sich sehen lassen.
Empfehlung: Zur Vermeidung umsatzsteuerlicher Nachteile ist es unverzichtbar, teilweise nicht unternehmerisch genutzte Immobilien möglichst zügig und zwar schon während der Bauphase dem Unternehmen zuzuordnen (Brief an das Finanzamt über die Zuordnungsentscheidung genügt; Empfangsbestätigung ist allerdings sinnvoll). Am besten sollte sich die Zuordnung auf die gesamte Immobilie erstrecken, weil damit keinerlei umsatzsteuerliche Nachteile verbunden sind. So gesehen fragt man sich, warum die volle Zuordnung zugunsten des Unternehmers nicht schlichtweg vom Gesetzgeber unterstellt wird. Das wäre zu einfach und mit dem deutschen Steuersystem unvereinbar.
Autor:
Dipl.-Finanzwirt Bernd Meyer ist als Steuerberater geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Dornbach Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Bad Homburg. Er ist regelmäßig als Referent bei EUROFORUM Deutschland SE sowie bei der Haufe Akademie tätig. Seine Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Unternehmens- und Vermögensnachfolge, der Umstrukturierung von Unternehmen und in der steuerlichen Begleitung von Unternehmenskäufen sowie -verkäufen.