Neue therapeutische Wege erschließt die Vogelsbergklinik ihren Patienten: Die Dr. Ebel Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie ermöglicht, neben der klassischen verhaltenstherapeutisch und tiefenanalytisch ausgerichteten Psychotherapie, nun auch eine schematherapeutische Behandlung, die beide Therapieansätze auf anschauliche und für jeden verstehbare Weise vereint.
Für den neuen Schwerpunkt, der sich vor allem im Bereich der Persönlichkeitsstörungen sehr gut bewährt hat, ist die Vogelsbergklinik bestens gerüstet: Nadine Scheld, die Schematherapeutin der Vogelsbergklinik, ist approbierte Psychologische Psychotherapeutin und durch die International Society of Schema Therapy (ISST) zertifiziert, weitere Therapeuten befinden sich in kontinuierlicher Weiterbildung zum Schematherapeuten.
Und darüber hinaus wurden 16 Mitarbeiter/innen aus den Fachbereichen Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie und Ernährungsberatung im Rahmen eines Co-Therapeuten-Curriculums des Mainzer Schematherapie-Instituts (IPSTI-MZ) über ein Jahr lang weitergebildet und im Oktober 2015 durch die International Society of Schema Therapy (ISST) zertifiziert. Das ist ein Novum in Deutschland.
Schemata - Lebensmuster
In der von Jeffrey Young entwickelten Schematherapie wird versucht, die aktuellen Schwierigkeiten des Patienten vor dem Hintergrund seiner biographischen Lerngeschichte zu verstehen. Schemata sind frühe schmerzliche Erfahrungen, die im Gedächtnis eingebrannt sind. Diese entstehen häufig durch die Verletzung oder Nicht-Erfüllung von Grundbedürfnissen in der Kindheit und Jugend des Patienten, wobei natürlich dessen Temperament und Persönlichkeit mitwirken.
Schemata sind also tief verankerte und immer wieder zu Problemen führende Lebensthemen, die Denkweisen und Gefühle, aber auch Erinnerungen und Verhaltensweisen beinhalten (z.B. Angst vor Verlassenwerden, fehlendes Selbstwertgefühl, Versagensangst usw.). Diese Schemata werden häufig in gegenwärtigen ähnlichen Lebenssituationen erneut aktiviert und lösen eine Verhaltensreaktion aus, die zu einem damaligen Zeitpunkt hilfreich und schützend war, die in der gegenwärtigen Lebenssituation jedoch den Patienten das Leben schwer macht.
So kann es z.B. sein, dass jemand als Kind von der Mutter verlassen wurde und deshalb gezwungen war, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und für die Erfüllung der Grundbedürfnisse zu sorgen. Die Folge davon kann heute z.B. eine Bindungsunfähigkeit sein, der die Angst vor erneutem Verlassenwerden zugrunde liegt. Dies kann sich so äußern, dass man auf Alltagssituationen unangemessen – vielleicht folgendermaßen - reagiert: Frau
D. nimmt ihren Mut zusammen und fragt einen Freund, ob er Lust hat, etwas mit ihr zu unternehmen. Er sagt ab, weil er angeblich einen beruflichen Termin hat. Frau D. denkt, dass er sicher nur eine Ausrede vorschiebt, weil er sich nicht mit ihr treffen möchte. Sie fühlt sich wieder mal total allein und einsam, könnte weinen und es geht ihr schlecht. Eine für morgen vorliegende Einladung sagt sie in ihrer Gekränktheit per SMS ab, „weil sie niemandem zur Last fallen möchte“, der totale Rückzug ist angesagt.
Die Schematherapie und das Modus-Modell
In der Schematherapie werden solche Reaktionsmuster analysiert. Die jeweiligen Verhaltensmuster werden benannt und im sogenannten Modusmodell zusammengefasst. Die übergeordneten Modi sind Kind-Modus, Elternmodus, Bewältigungsmodus, Gesunder Erwachsener Modus, Glückliches Kind-Modus. Jeder Modus besteht aus einer gedanklichen, emotionalen, physiologischen und verhaltensorientierten Komponente.
Im Kind-Modus (im Beispiel ist das die Trauer und Kränkung durch die Absage) werden häufig sehr intensive Gefühle der Traurigkeit, der Wut, der Verletzlichkeit und des Schams erlebt. Der Elternmodus setzt sich aus den verinnerlichten Sätzen von Bezugspersonen zusammen und kann aus einem fordernden und einem strafenden Elternmodus bestehen. Diese schmerzhaften Modi sollen durch die gegenüber liegenden Bewältigungsmodi reguliert werden. Dadurch werden die schmerzhaften Modi entweder vermieden, bekämpft oder erduldet. In unserem Beispiel ist der Bewältigungsmodus der Rückzug, das Alleinsein aus Angst vor Enttäuschung.
Mit Hilfe der Schematherapie werden die jeweiligen Modi bewusst und verstehbar. Und man erlernt Techniken, um den jeweils eigenen Modus und damit die Situation zu verändern. In unserem Beispiel etwa kann Frau D. sich vor Augen führen, dass der Freund sie noch nie belogen hat und es sich sicherlich um einen sehr wichtigen beruflichen Termin gehandelt hat. Sie kann einen neuen Termin mit ihm ausmachen, sich daran erinnern, wie toll die letzte gemeinsame Unternehmung war und es sich heute anstelle der geplatzten Verabredung zuhause bei heißem Kakao und einem schönen Film gemütlich machen.
Hilfe für den Alltag
Ziel der Schematherapie ist es also, den biographischen Ursprung hinderlicher Schemata und ihre Wirkungen auf das gegenwärtige Verhalten zu erkennen, zu analysieren und für sich zu entdecken, dass es auch aus alten, immer wieder kehrenden Lebensmustern, wenn man sie erst einmal verstanden hat, durchaus Auswege gibt. Der schematherapeutische Ansatz macht dem Patienten auf verstehbare Weise Probleme und ihre Ursachen bewusst und gibt Hilfe zur Selbsthilfe: Betroffene bekommen mit dem Modus-Modell auch Techniken und Methoden vermittelt, wie sie Alltagsituationen gut meistern können.