Selen liegt in der Schilddrüse in hoher Konzentration vor. Das Spurenelement schützt die Schilddrüse vor Wasserstoffperoxid, das bei der Synthese von Schilddrüsenhormonen entsteht. Ein Mangel an Selen wird auch als ein Faktor in der Ätiologie der chronisch lymphozytären Autoimmunthyreoiditis diskutiert.
In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass eine Substitutionstherapie mit 200 µg Selen täglich zu einem Abfall der Thyroid-Peroxidase-Antikörper führt. In einer neuen unizentrischen Beobachtungsstudie konnte Dr. Rainer Scheck, niedergelassener Internist in Ulm, zusammen mit Dr. Martin Adler, Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren in Siegen und Lehrbeauftragter für Phytotherapie an der Universität Münster, nachweisen, dass sich mit der höheren Tagesdosis von 300 µg Natriumselenit ein größerer Effekt erzielen lässt (Ernährung & Medizin 2007; 22. Jahrgang, S.20-25).
Probanden waren 75 Patienten aus dem Raum Ulm mit einer chronischen lymphozytären Thyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis) und einer begleitenden latenten oder manifesten Hypothyreose (mangelnde Versorgung des Körpers mit den Schilddrüsenhormonen Trijodthyronin und Thyroxin). Alle erhielten eine Substitutionstherapie mit Thyroxin, isoliert oder in Kombination mit Trijodthyronin. Eine initiale Euthyreose war Ausschlusskriterium. Fast alle Patienten (71) waren Frauen, das Durchschnittsalter lag bei 46,6 Jahren. Um regionale Eigenheiten auszuschließen, stammte die Kontrollgruppe von 52 Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis, darunter 49 Frauen, aus dem Großraum Köln. Das Durchschnittsalter war dem der Studiengruppe vergleichbar.
In den ersten drei Monaten nahm eine Gruppe von 31 Studienteilnehmern täglich 200 µg Selen (selen-loges® 50 µg, 2-0-2) und eine zweite Gruppe(44 Patienten) einmal täglich 300 µg Selen (selen-loges® 300 µg, 1-0-0).
Danach bekamen alle Patienten für weitere neun Monate die höhere Tagesdosis. Zu Anfang sowie nach drei, sechs und zwölf Monaten wurden Antikörper-, Hormon- und Selen-Titer bestimmt.
Unter der Selen-Substitutionstherapie konnten die Antikörper-Titer deutlich gesenkt werden. Der Spiegel der Thyreoglobin-Antikörper (TG-AK) war nach einem Jahr insgesamt um 20,9 Prozent von durchschnittlich 418,4 U/ml auf 330,8 U/ml gefallen. Hier zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Dosierungsgruppen. Bei den Patienten, die zunächst nur 200 µg Selen nahmen, war der Effekt weniger ausgeprägt. Es wurde nur eine Reduktion um 10,7 Prozent gemessen, von durchschnittlich 391,8 U/ml auf 349,8 U/ml. Bei Patienten, die von Anfang an mit der höheren Tagesdosis von 300 µg Selen behandelt wurden, waren die TG-AG-Spiegel dagegen um 26,7 Prozent von 435 U/ml auf 318,8 U/ml gesunken.
Auch die TPO-Antikörper-Spiegel waren nach zwölf Monaten gefallen: um 28,5 Prozent von durchschnittlich 1871 IU/ml auf 1338 IU/ml. Zwar unterschieden sich die beiden Dosierungsgruppen hierbei nicht signifikant.Doch es zeigte sich, dass die niedrigsten TPO-AK-Titer bei den Patienten vorlagen, die einen Serum-Selenspiegel oberhalb des angegebenen Normbereichs von 50 bis 100 µg/l hatten. Auch in der Kontrollgruppe korrelierten höhere Serum-Selenspiegel mit niedrigeren TPO-AK-Titern.Deshalb plädieren die Autoren der Studie dafür, den Schwellenwert für den Serum-Selenspiegel grundsätzlich auf 100 µg/l anzuheben.
Interessant ist auch das Ergebnis einer Subpopulation: Eine Untergruppe von 18 Patienten legte nach einjähriger Selen-Substitution eine dreimonatige Therapiepause ein. Danach war bei ihnen der TPO-Antikörper-Spiegel wieder deutlich um 40,3 Prozent angestiegen. Dieses Ergebnis spricht für eine Dauertherapie mit dem lebenswichtigen Spurenelement Selen.
Bei der Verträglichkeit konnten keine Dosisunterschiede festgestellt werden.Beide Dosierungen wurden sehr gut vertragen. Nur eine Patientin beschrieb eine unerwünschte Arzneimittelwirkung (leichter Schwindel). Unter der Selen- Substitutionstherapie fühlten sich die Patienten insgesamt deutlich wohler als vorher. Nicht nur waren Allgemeinbefinden und Stimmung besser, auch allergische Reaktionen und Infektanfälligkeit gingen zurück.
Somit konnte die Studie nachweisen, dass bei Patienten mit Autoimmunthyreoiditis eine Dosierung von 300 µg Selen pro Tag über ein Jahr lang nicht nur größere Effekte auf die Schilddrüsen-Antikörper hat als eine niedrigere Tagesdosis, sondern auch bestens vertragen wird.