BGH-Richter Seiters kontaktiert OLG-Präsidenten Häfner
Nach Erkenntnissen von Dr. Stoll & Sauer und den anderen 70 Anwälten lässt sich der Vorwurf gegen den BGH-Richter, Oberlandesgerichte gedrängt zu haben, Diesel-Verfahren zu verzögern, durch ein Schreiben des damaligen Präsidenten des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden, Gilbert Häfner, vom April 2020 belegen. Darin bat Häfner sämtliche OLG-Präsidenten, Entscheidungen in Diesel-Verfahren zurückzustellen – und berief sich explizit auf eine Mitteilung von Seiters, in der es hieß: Sein Senat sei „dankbar für jedes Verfahren“, das die Berufungsgerichte zunächst zurückstellen könnten.
Mit den übrigen Mitgliedern der VI. Zivilkammer war diese Mitteilung nicht abgestimmt. Das geht aus schriftlichen Äußerungen der Richter hervor, die der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vorliegen. Die Verbraucherkanzlei hatte Befangenheitsanträge gegen die BGH-Richter des 6. Zivilsenats gestellt. Daraufhin hatten Seiters Kollegen sich dahingehend geäußert, nichts von dem Vorstoß ihres Vorsitzenden beim OLG-Präsidenten Häfner gewusst zu haben. Die Befangenheitsanträge sind im Übrigen vom BGH mittlerweile abgelehnt worden.
Seiters Vorgehen hatte weitreichende Folgen, wie eine aktuelle Verfügung des OLG München zeigt (Aktenzeichen 7 U 7019/20). „Der Senat beabsichtigt insbesondere auch auf ausdrückliche Bitte des Vorsitzenden des VI. Zivilsenats des BGH, die Diesel-Abgasfälle erst dann zu terminieren, wenn eine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist“, heißt es darin.
72 Verbraucheranwälte haben aufgrund dieser Vorkommnisse gegen Seiters eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der BGH-Präsidentin Bettina Limpberg eingereicht. Dr. Julius Reiter, Professor für Wirtschaftsrecht, hat im Namen der Kanzleien die Beschwerde verfasst. Präsidentin Limpberg muss nun entscheiden, ob der Beschwerde stattgegeben wird. Folgen könnten disziplinarische Maßnahmen und/oder der Abzug Seiters aus dem Themenbereich der Dieselklagen sein – de facto also auch eine Absetzung als Kammer-Vorsitzender.
Grundrechte der Verbraucher sind eklatant verletzt worden
Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ist die Einmischung des BGH-Richters ein ungeheuerlicher Vorgang. Selbstverständlich ist der Kanzlei bewusst, dass der Diesel-Abgasskandal enorm viel Arbeit den Gerichten und Instanzen eingebracht hat. Das dürfen aber nicht dazu führen, dass der Rechtsweg de facto verkürzt und Klägerrechte eingeschränkt werden. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Art 103 ist durch Seiters Vorgehen eingeschränkt worden.
Verbraucher hätten schließlich keine andere Wahl gehabt, als den Autobauer zu verklagen, weil sich VW Vergleichen verweigert habe. . In instanzgerichtlichen Verfahren würden immer wieder neue Aspekte auftauchen und rechtlich zum Tragen kommen. Durch die Intervention des BGH-Richters wird den Autobauern in die Karten gespielt. Die Verbraucher müssen mit verminderten Schadensersatz bezahlen. Seiters-Senat hatte im Sommer 2020 die umstrittene Nutzungsentschädigung, die Verbraucher an VW vom Schadensersatz abgezogen bekommen, durchgewunken. Je länger ein Verfahren dauert, desto weniger muss ein Autobauer letztlich an den Verbraucher bezahlen.