Scheuer und Dobrindt bescheren Wohnmobilbranche Abgasskandal
Der Abgasskandal im Fiat-Imperium hat in Deutschland vor allem die Fans von Reise- und Wohnmobilen getroffen. Der Fiat Ducato ist in den meisten Freizeitfahrzeugen als Basismodell verbaut. Seit 2016 ist der Skandal deutschen Behörden bekannt. 2016 fand das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) durch Untersuchungen heraus, dass bei Fiat-Dieselmotoren die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand funktioniert. Die Bosch GmbH hatte der Behörde zudem offenbart, dass der Automobilzulieferer Abschalteinrichtung für Fiat angefertigt habe. Trotzdem gelangten die Motoren in Reise- und Wohnmobilen. Nach Hinweisen des damaligen CSU-Generalsekretärs Andreas Scheuer an seinen Parteifreund und damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt musste das KBA die Genehmigung für die Fahrzeuge erteilen, obwohl allen Beteiligten klar war, dass die Motoren illegal waren und noch heute sind.
Gegen Italien läuft aufgrund der Abgasmanipulation seit 2017 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien und seit 2018 ist eine Klage der EU-Kommission am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg anhängig. Nach Erhebung der Klage drohte der Skandal in Vergessenheit zu geraten. Erst im Sommer 2020 kam der Skandal wieder ans Tageslicht, als die Staatsanwaltschaft Frankfurt Büroräume des Fiat-Imperiums durchsuchte. Bald war klar, dass alle Euro-5- und Euro-6-Motoren unter Verdacht stehen, die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand und nicht im normalen Straßenverkehr einzuhalten. Nur ab Euro 6dTemp finden keine Ermittlungen statt. Diese Motoren gelten bisher als sauber. Betroffen vom Skandal sind die Marken Fiat, Jeep, Alfa Romeo, Lancia und Iveco.
Verbraucherfreundliche Entwicklung im Fiat-Abgasskandal
Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ist die Beweislast gegen den Autobauer mittlerweile erdrückend. Alleine die Vorkommnisse bis ins Jahr 2020 müssten für eine Verurteilung von FCA genügen. Über 1000 Klagen hat die Kanzlei mittlerweile gegen FCA, Iveco und Fahrzeughändler bundesweit eingereicht. Hier eine kurze Zusammenfassung der jüngsten Entwicklungen aus dem Jahr 2021:
- Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat mehrere verbraucherfreundliche Urteile in erster Instanz erstritten. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Einige Verfahren befinden sich an Oberlandesgerichten in der Berufung.
- Das Landgericht Nürnberg hat mit Entscheidung vom 9. Juli 2021 festgestellt, dass die Holding Stellantis in der Rechtsnachfolge von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) steht ( 19 O 737/21). Stellantis war Anfang des Jahres durch die Fusion von FCA und des französischen Konzerns PSA entstanden. Damit kann auch gegen Stellantis geklagt werden.
- Das Landgericht Stade verurteilte am 17. August 2021 den Händler eines Wohnmobils zur Zahlung von Schadensersatz, weil das Fahrzeug mangelhaft war ( 2 O 175/21). Der Halter kann sein Fahrzeug bei dem sogenannten kleinen Schadensersatz behalten.
- Das Landgericht Oldenburg ordnete am 2. September 2021 die Neulieferung eines mangelfreien Wohnmobils an ( 4 O 767/21). Befindet sich ein Neufahrzeug in der zwei Jahre andauernden Gewährleistung, so wird neben FCA/Stellantis auch in der Regel der Händler verklagt. Der Bundesgerichtshof hatte im VW-Abgasskandal die Form der Neulieferung bestätigt.
- Das Landgericht Münster will beim KBA Auskunft einholen über den Stand der Ermittlungen der Zulassungsbehörde.
- Das Landgericht Kempten stellt die Einholung eines Gutachten in Aussicht, falls FCA/Stellantis die Vorwürfe der Abgasmanipulation bestreitet. Dem sieht Dr. Stoll & Sauer gelassen entgegen. Mehrere Gutachten weisen derzeit darauf hin, dass Wohnmobile die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einhalten.
- Das KBA hat im Februar 2021 einen Rückruf zum Iveco-Motor Daily erlassen – allerdings nicht verpflichtend. „Durch eine ungeeignete Software können Störungen auftreten, durch die sich die Verringerung von Stickoxiden gegebenenfalls verschlechtert“, heißt es verklausuliert im KBA-Deutsch. Die Daily ist in vielen Wohnmobilen verbaut worden.
- Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat Informationen, wonach es bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt „amtsbekannt“ ist, dass Fiat-Motoren manipuliert worden sind.
- Das KBA hat durch eigene Untersuchungen festgestellt, dass Wohnmobile die Abgasgrenzwerte im realen Straßenverkehr nicht einhalten. Daher prüft die Behörde derzeit Konsequenzen. Nach EU-Recht hat das KBA sogar die Möglichkeit, betroffene Fahrzeuge stillzulegen.
- Mittlerweile versuchen Wohnmobilhändler sich außergerichtlich mit geschädigten Kunden zu einigen.