Dr. Ralf Stoll wirft VW im Abgasskandal Trickserei vor
„Das sind Tricksereien“, bewertet Dr. Ralf Stoll von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer den Befangenheitsantrag. „Volkswagen versucht derzeit mit allen juristischen Kniffen, die Diesel-Prozesse in die Länge zu ziehen.“ Auf diese Weise versuche der Autobauer, eine mögliche Nutzungsentschädigung durch den klagenden Verbraucher in die Höhe zu schrauben. Mit diesem Trick könnte sich die Schadensersatzzahlung minimieren, zudem Volkswagen in der Regel vor deutschen Gerichten verurteilt werde. 13 von 24 Oberlandesgerichten und 97 von 115 Landgerichten (Stand 5. Oktober 2019) haben sich in ihren Urteilen auf die Verbraucherseite geschlagen. „Wir sind froh, dass Gerichte bei solchen Tricks nicht mitmachen“, sagte Stoll weiter. Auch sind in der Vergangenheit etliche Gerichte dazu übergegangen, VW die Nutzungsentschädigung zu verweigern (siehe Az 11 O 243/18).
In der Klage vor dem Landgericht Oldenburg geht es im Kern um die Frage, ob sich Volkswagen gemäß Paragraph 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig verhalten hat. Der Richter wollte von den VW-Wissen, wer von der Installation einer Software zur Manipulation der Abgaswerte gewusst habe. VW blieb auch in Oldenburg bei der üblichen Version, dass die internen Ermittlungen vor allem zur Frage, ob Vorstände etwas von der Manipulation gewusst haben, noch nicht abgeschlossen seien. Die strittige Abschalteinrichtung am Motor EA189 sei wohl von Mitarbeitern der Beklagten auf der Arbeitsebene programmiert und aufgespielt worden. Und die Äußerungen von Vorstandschef Herbert Diess seien nicht im „rechtstechnischen Sinne“ zu verstehen gewesen. Zudem sei er kein Jurist.
VW will im Abgasskandal keinen Abschlussbericht vorlegen
Für den Richter am Oberlandesgericht Oldenburg sind die Äußerungen von VW-Chef Diess jedoch gefallen (siehe https://www.youtube.com/watch?v=OYOySuHUN10&t=39s ab Minute 54:30). Genauso die Äußerungen von VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass es keinen Abschlussbericht der internen Ermittler von der Kanzlei Jones Day geben werde, weil dies für die Beklagte unvertretbar riskant sei. Der Richter sieht daher viele Widersprüche in der Argumentation der Beklagten und weist in einem Beschluss darauf hin. Die von VW vorgenommene Täuschung betrifft nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Tochterunternehmen, das Kraftfahrt-Bundesamt und letztlich auch die Öffentlichkeit. Vorstandschef Diess habe den Betrug erstmals in der Sendung „Lanz“ in dieser Deutlichkeit eingestanden. Die VW-Anwälte haben bisher nichts dazu beigetragen, wer genau „den“ Betrug begangen hat.
Landgericht lehnt Befangenheitsantrag ab
VW sah in den Hinweisen des Richters bereits eine feste subjektive Meinung. Die Konzern-Anwälte monierten auch die Ausführungen zur „Lanz“-Sendung, weil die Äußerungen von Vorstandsboss Diess von keiner der Prozessparteien in das Verfahren eingebracht worden seien. Hier sahen die Anwälte eine prozessordnungswidrige Verwertung. Der Befangenheitsantrag lehnte das Landgericht letztlich als unbegründet ab, weil es keine „objektive Gründe“ gebe, die bei „vernünftiger Betrachtung“ die Befürchtungen von VW untermauern. Gerichte, so ein Argumentationsstrang der Ablehnung, seien auch dazu angehalten, „nicht vorgetragene offenkundige Tatsachen heranzuziehen, wenn diese in Widerspruch zu dem Tatsachenvortrag einer Partei stehen“. Übersetzt heißt das: Wenn es im Prozess mit der Wahrheit nicht ganz genau nimmt, kann der Richter schon mal woanders seine Informationen herholen.
Abschließend wird dem Richter zugestanden, dass er in seiner Interpretation noch nicht festgelegt ist. Das betrifft besonders die Debatte über die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach Paragraph 826 BGB. Hier habe sich der Richter noch nicht festgelegt.