Landgericht Lüneburg will es beim Fiat Ducato genau wissen
Fiat-Kunden und Camper stehen seit dem Sommer 2020 unter Schock. Damals durchsuchten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Frankfurt Büroräume von FCA und Iveco – beide gehören zum Fiat-Imperium. „Frankfurt: Durchsuchungen wegen des Verdachts des Betruges im Zusammenhang mit Diesel-Abschalteinrichtungen“, titelte die Staatsanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung vom 22. Juli 2020. Ganz offensichtlich hat auch der Autokonzern Fiat wie die Volkswagen AG den Verbrauchern einen ausgewachsenen Diesel-Abgasskandal beschert. Die Abgasreinigung der Motoren soll so manipuliert werden, dass die EU-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Im realen Straßenverkehr wird die Umwelt verpestet und die Gesundheit der Bürger gefährdet. Weil Fiat und Iveco Fahrgestelle und Motoren an Herstellern von Reise- und Wohnmobilen verkaufen, hielt der Abgasskandal somit Einzug in die gerade durch die Corona-Pandemie boomende Branche.
Mittlerweile hat die Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Sauer weit über 1000 Klagen im Fiat-Abgasskandal an deutschen Gerichten eingereicht. Erste verbraucherfreundliche Urteile konnten bereits erstritten werden. Die juristische Aufarbeitung des Skandals ist im vollem Gang. Das Landgericht Lüneburg hat am 18. Mai 2022 einen Beweisbeschluss gefasst. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) soll aufklären, ob eine Zeitschaltuhr die Abgasreinigung im Ducato-Motor nach ca. 22 Minuten abschaltet. Hier die Eckdaten zum vorliegenden Verfahren, das von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer geführt wird:
- Im Oktober 2020 kaufte der Kläger das Fahrzeug der Marke LMC Cruiser Comfort T 732 G für 58.157 Euro. Beim Motor handelt es sich um ein Multijet 2,3l mit 150 PS der Abgasnorm Euro 6b. Motorkennung: F1AGL411C. Mit Klage vom 26. August 2021 soll das Landgericht Lüneburg feststellen, ob dem Kläger durch den Diesel-Abgasskandal ein Schaden entstanden ist und FCA dafür haftet. Daneben wird der Händler auf Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verklagt.
- Mit Beschluss vom 18. Mai 2022 erbittet das Landgericht Lüneburg vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Auskunft darüber,
- ob in dem Fahrzeug eine Zeitschaltuhr verbaut ist, die die Abgasnachbehandlung so regelt, dass sie sich nach ca. 22 Minuten nach dem Motorstart abschaltet bzw. praktisch auf null reduziert;
- ob ein weiterer Timer, der anhand bestimmter Störgrößen (Bremse, Geschwindigkeit, Drehmoment etc.) andauernd das mögliche vorzeitige Verlassen der Prüfsituation untersuche, sodass die Abgasreinigung auch noch vor Überschreiten der 22 Minuten, namentlich nach 4 Minuten Zeitpuffer, komplett ausgeschaltet werde, sollte eine der Störgrößen wiederholt auftreten;
- ob ein sogenanntes Thermofenster, das nur unter Prüfstandsbedingungen eine vollständige Abgasreinigung bewirke, die Abgasreinigung aber im Straßenbetrieb auf null reduziere.
- Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer geht davon aus, dass das KBA das Vorhandensein der Zeitschaltuhr bestätigt. Die Robert Bosch GmbH hat gegenüber der Behörde zugestanden, Abschalteinrichtungen an Fiat geliefert zu haben. Außerdem hat Fiat in einem Verfahren der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer die Zeitabschaltung in der Abgasreinigung bestätigt. Zudem zeigen mehrere Gutachten außerhalb von Gerichtsverfahren, dass Wohnmobile die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einhalten.