BGH kassiert nach Diesel-Entscheidung Mercedes-Urteil ein
Der Bundesgerichtshof hat seine neuen Leitlinien im Diesel-Abgasskandal mit einem Urteil vom 20. Juli 2023 umgesetzt. Ein Mercedes-Verfahren wird zurückverwiesen. Damit muss jetzt die Berufungsinstanz klären, ob dem Kläger aufgrund fahrlässigen Handelns durch den Hersteller Mercedes ein Schaden entstanden ist. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst das BGH-Verfahren kurz zusammen:
- Ein Verbraucher kaufte im Oktober 2016 einen gebrauchten Mercedes-Benz V 250 Edition lang von einem Autohaus. Das Fahrzeug hatte eine EG-Typgenehmigung für die Schadstoffklasse Euro 6.
- Die Käuferin behauptet, dass der Motor OM651 des Fahrzeugs zwei unzulässige Abschalteinrichtungen hat: ein Thermofenster, das die Abgasrückführung steuert, und eine Abschalteinrichtung, die durch die Funktion des SCR-Katalysators bedingt ist. Die Käuferin verlangte Schadensersatz und die Rückabwicklung des Kaufvertrags.
- Die Vorinstanzen lehnten die Klagen jeweils ab, obwohl festgestellt wurde, dass im Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut war. Die Käuferin hat daraufhin Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts größtenteils aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nach neuester BGH-Rechtsprechung besteht in solchen Fällen ein Anspruch auf Schadensersatz. Der Bundesgerichtshof befand daher, dass das Berufungsgericht die Haftung der Verkäuferin aufgrund dieser Abschalteinrichtung weiter untersuchen sollte.
BMW nach BGH-Diesel-Urteilen im Abgasskandal zu Schadensersatz verurteilt
In der Vergangenheit konnten viele Diesel-Verfahren aufgrund der strengen Haftungsmaßstäbe des Bundesgerichtshofs nicht erfolgreich abgeschlossen werden. Es musste nachgewiesen werden, dass die Hersteller vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt hatten. Die Lage hat sich nun durch die BGH-Diesel-Urteile geändert. Der EuGH hat die Hürden für Schadensersatzansprüche gesenkt. Der BGH ist dieser Rechtsprechung gefolgt. Da sich in den meisten Dieselmotoren zumindest das Thermofenster befindet, bestehen Ansprüche auf Schadensersatz gegen beinahe alle Hersteller von Dieselfahrzeugen. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst das aktuelle BMW-Verfahren zusammen:
- Der betroffene Fall betrifft einen BMW 120d, den der Kläger im Jahr 2016 als Gebrauchtwagen zum Preis von 25.890 Euro erworben hat.
- In diesem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs N 47 verbaut. Der Käufer hat Schadenersatzansprüche geltend gemacht, da BMW im Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen, einschließlich eines Thermofensters bei der Abgasreinigung, verwendet haben soll.
- Das Landgericht Frankenthal stellte fest, dass der Kläger ausreichend dargelegt hat, dass ein Thermofenster im Fahrzeug vorhanden ist, und BMW den Vorwurf nur allgemein bestritten hat, ohne ihn angemessen zu widerlegen. Allerdings konnte BMW kein Vorsatz nachgewiesen werden, weshalb ein Schadenersatzanspruch aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB nicht besteht.
- Das Landgericht Frankenthal ging explizit auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein. Der hat entschieden, dass bereits Fahrlässigkeit des Autoherstellers einen Schadenersatzanspruch gemäß § 823 BGB begründet - und in diesem Fall liegt Fahrlässigkeit vor, wie das Gericht feststellt.
- BMW hatte aus Sicht des Gerichts für das Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt hat und damit irrtümlicherweise erklärt hat, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Vorschriften entspricht. BMW konnte sich auch nicht auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen, da der Autobauer nicht nachweisen konnte, dass er die Rechtslage mit gebotener Sorgfalt geprüft hatte und nicht vorhersehen konnte, dass ein Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft wird.
- Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Kläger daher Anspruch auf Ersatz des sogenannten Differenzschadens, der sich zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises bewegt. Das Landgericht Frankenthal bezifferte den Differenzschaden auf 10 Prozent des Kaufpreises, sodass der Kläger einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 2.589 Euro hat und das Fahrzeug behalten kann.
- Eine Nutzungsentschädigung wird nicht abgezogen, da die Nutzungsvorteile in Summe mit dem Restwert des Fahrzeugs den Kaufpreis nicht übersteigen.