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Dr. Ralf Stoll: Gang zum EuGH ist im Diesel-Abgasskandal überfällig
Am Stuttgarter Landgericht sorgt im Diesel-Abgasskandal von Daimler der sogenannte Diesel-Richter Reuschle erneut für Schlagzeilen. Derzeit versucht der Autobauer, ihn mit einem Befangenheitsantrag aus den Daimler-Verfahren herauszudrängen. Anstoß nahm Daimler unter anderem daran, dass Reuschle 21 Verfahren am Stuttgarter Landgericht zusammenfassen und entscheidende Fragen im Diesel-Abgasskandal dem Europäischen Gerichtshof EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen wollte. In einer mündlichen Verhandlung am 13. November 2019 erklärte Reuschle seine Vorgehensweise und verteilte dazu ein Protokoll. „Wir wollen mit der Veröffentlichung des Reuschle-Protokolls für maximale Transparenz in dem Verfahren sorgen“, erklärte Dr. Ralf Stoll, der mit seinem Partner Ralph Sauer in einer Spezialgesellschaft für den Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv rund 450.000 Verbraucher in der Musterfeststellungsklage gegen VW vor dem Oberlandesgericht in Braunschweig vertritt. „Der Gang an den Europäischen Gerichtshof ist richtig und längst überfällig“, betonte Stoll. Schließlich gehe es im Skandal um die Einhaltung von europäischen Normen. Aus Deutschland komme von Behördenseite wenig Hilfe bei der Aufklärung des Diesel-Abgasskandals. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und das Bundesverkehrsministerium behindern eher die Aufklärung im Diesel-Abgasskandal, anstatt sie zu beschleunigen, kritisierte Stoll die Behörden. Das KBA weigere sich beispielsweise, Prüfungsunterlagen zu Rückrufe an Gerichte zu übergeben. Vor diesem Hintergrund sei der Gang zum EuGH besonders sinnvoll.
Im Kern geht es Richter Reuschle um drei Fragen:
1. Ist das in den Fahrzeugen der Daimler AG verbaute sogenannte „Thermofenster“ eine illegale Abschaltvorrichtung?
2. Sind die Grenzwerte der Euro-Normen nur auf den Prüfständen einzuhalten und ist es damit praktisch egal, was im Realbetrieb aus dem Auspuff herauskommt? So zumindest argumentiert die Automobilindustrie.
3. Sollen die Verbraucher bei der Rückgabe ihres Diesel-Fahrzeugs den vollen Kaufpreis erstattet bekommen? Dann ist eine Nutzungsentschädigung für Autobauer hinfällig.
Wer ist überhaupt der Richter Dr. Fabian Richter Reuschle?
Der Stuttgarter Richter Fabian Richter Reuschle gilt im Diesel-Abgasskandal als der Schrecken der Automobilindustrie. Er hat sich in den vergangenen Jahren intensiv in den Dieselskandal eingearbeitet und interessante Urteile gefällt, die die rechtliche Landschaft in Deutschland beeinflussten. Er betreute Klagen von VW Aktionären, die den Konzern auf Schadensersatz verklagten. Die Kläger sahen sich durch den VW-Vorstand zu spät über den Abgasskandal informiert und auf diese Weise hätten ihre Aktienpakete über Gebühr an Wert verloren. Im Herbst 2018 verurteilte der Richter den Volkswagen-Eigentümer Porsche SE zu 47 Millionen Schadensersatz. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Richter Reuschle wollte auch einen großen Prozess, in dem VW-Vorstände vorgeladen werden sollten, damit sie die entscheidenden Fragen beantworten, wer was angeordnet und vor allem, wer alles über die Softwaremanipulation Bescheid gewusst hatte.
Volkswagen schlug mit Kanzlei SZA zurück / Verfassungsbeschwerde
Die VW-Holding, Porsche SE und Volkswagen versuchten bereits frühzeitig, in den Anlegerverfahren den Richter mit Befangenheitsanträgen zu stoppen. Kompetenzüberschreitungen und Selbstprofilierung warfen die Autobauer dem Richter vor. Mit einem ersten Befangenheitsantrag scheiterte VW auch in zweiter Instanz am Oberlandesgericht Stuttgart. Als die Ehefrau von Richter Reuschle Ende 2018 VW auf Rückabwicklung eines Fahrzeugkaufs verklagte, witterte der Konzern seine erneute Chance. Unterstützung holten sich die Autobauer dabei von der Kanzlei Schilling Zutt & Anschütz SZA – und erwirkten in 195 Verfahren am Landgericht Stuttgart die Ablösung des Richters. Der hatte übrigens die Klage seiner Frau selbst offengelegt. In der Kanzlei Schilling, Zutt & Anschütz arbeitete übrigens der kommende Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth, der seit knapp einem Jahr dem Ersten Senat vorsitzt. Harbarth war bei SZA bis zu seinem Wechsel ans Bundesverfassungsgericht Geschäftsführer. An dieser Verbindung, die auch einen Hauch von Befangenheit in sich trägt, nahm politisch bei der Wahl Harbarths zum Verfassungsrichter niemand Anstoß. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat jedoch im Namen ihrer Mandanten am 28. November 2019 Verfassungsbeschwerde gegen die Ernennung von Stephan Harbarth zum Richter am Bundesverfassungsgericht eingelegt. Mehr dazu auf www.staatshaftung.eu.