BGH öffnet mit Restschadensersatz neue Option im Abgasskandal
Wer zu spät im Abgasskandal gegen VW klagte, ist in der Regel leer ausgegangen und hat keinen Schadensersatz erhalten. Der BGH hat mit seinen Urteilen klar gemacht, dass Ende 2019 der VW-Skandal verjährt ist (Az.: VII ZR 365/21 u.a.). Mit dem Urteil vom 21. Februar 2022 hat der BGH jedoch eine neue Option für Dieselklagen gegen VW geöffnet.
Selbst wenn im Abgasskandal um den VW-Motor EA189 der Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung bereits verjährt ist, greift der sogenannte Restschadenersatzanspruch nach § 852 BGB. Dieser Anspruch bezieht sich auf die Bereicherung, die der Schädiger durch sein illegales Vorgehen erwirtschaftet hat. Der BGH geht jedoch in seinem Urteil über diese Bereicherung hinaus. Der Anspruch, so der Senat, beschränke sich nicht auf den reinen erwirtschafteten Gewinn der Beklagten. Der BGH lehnt sich in seinem Urteil an die Schadensersatzansprüche nach § 826 BGB an.
Das bedeutet: Rückabwicklung des Kaufvertrages, Rückgabe des Fahrzeugs gegen Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer. Also der volle Schadensersatz wird fällig. Wer sein Fahrzeug 2012 oder später erworben hat, kann von dieser sensationellen Entscheidung profitieren und seine Ansprüche einklagen.
Bei VW kommt Dieselgate 2.0 um den Motor EA288 in Gang
Darüber hinaus kommt Dieselgate 2.0 bei VW derzeit ins Rollen. Betroffen ist unter anderem der Nachfolgemotor des EA189. Auch im EA288 sollen Abschalteinrichtungen verbaut worden sein. Dabei geht es nicht nur um das Thermofenster. Gleiches gilt für die 3-Liter-Motoren EA897 und EA896. Die Zahl der verbraucherfreundlichen Urteile steigt seit Monaten bei allen Motoren an. Am Oberlandesgericht in Köln ist VW in einem EA288 Fall am 19. Februar 2021 zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden (Az. 19 U 151/20). Auch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer konnte bereits erste Verurteilungen des VW-Konzerns erzielen.
Fiat-Abgasskandal erfasst die Wohnmobil-Branche
Fiat-Kunden und Camper stehen seit dem Sommer 2020 unter Schock. Damals durchsuchten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Frankfurt Büroräume von FCA und Iveco – beide gehören zum Fiat-Imperium. „Frankfurt: Durchsuchungen wegen des Verdachts des Betruges im Zusammenhang mit Diesel-Abschalteinrichtungen“, titelte die Staatsanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung vom 22. Juli 2020. Ganz offensichtlich hat auch der Autokonzern Fiat wie die Volkswagen AG den Verbrauchern einen ausgewachsenen Diesel-Abgasskandal beschert. Die Abgasreinigung der Motoren soll so manipuliert werden, dass die EU-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Im realen Straßenverkehr wird die Umwelt verpestet und die Gesundheit der Bürger gefährdet. Weil Fiat und Iveco Fahrgestelle und Motoren an Herstellern von Reise- und Wohnmobilen verkaufen, hielt der Abgasskandal somit Einzug in die gerade durch die Corona-Pandemie boomende Branche. Hier ein kurzer Überblick über den Stand bei Fiat:
- Mittlerweile hat die Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Sauer weit über 1000 Klagen im Fiat-Abgasskandal an deutschen Gerichten eingereicht. Die juristische Aufarbeitung des Skandals ist im vollem Gang. Erste verbraucherfreundliche Urteile konnten bereits erstritten werden.
- Gerichte geben derzeit Gutachten in Auftrag, um den Vorwürfen auf den Grund zu geben.
- Das KBA hat im Februar 2021 einen Rückruf zum Iveco-Motor Daily erlassen – allerdings nicht verpflichtend. „Durch eine ungeeignete Software können Störungen auftreten, durch die sich die Verringerung von Stickoxiden gegebenenfalls verschlechtert“, heißt es verklausuliert im KBA-Deutsch. Die Daily ist in vielen Wohnmobilen verbaut worden. Und Iveco gehört zum weitverzweigten Fiat-Imperium.
- Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat Informationen, wonach es bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt „amtsbekannt“ ist, dass Fiat-Motoren manipuliert worden sind.
- Das KBA hat durch eigene Untersuchungen festgestellt, dass Wohnmobile die Abgasgrenzwerte im realen Straßenverkehr nicht einhalten. Daher prüft die Behörde derzeit Konsequenzen. Nach einer EU-Verordnung hat das KBA sogar die Möglichkeit, betroffene Fahrzeuge stillzulegen.
- Wohnmobilhändler versuchen sich, außergerichtlich mit geschädigten Kunden zu einigen.
- Fiat Chrysler hat in einem Verfahren der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer den Einbau der sogenannten Zeitschaltuhr zugestanden. Der Einsatz des Timers führt dazu, dass die Abgasreinigung nach 22 Minuten ausgeschalten wird. Grund dafür: Die meisten Fahrten, so die Fiat-Anwälte, dauerten nicht länger als 22 Minuten.
Auch die Daimler AG steckt tief im Sumpf des Abgasskandals. Hier kurz der Stand der Dinge:
- Immer mehr Gerichte erkennen an, dass Daimler die Fahrzeuge manipuliert und die Verbraucher sittenwidrig und vorsätzlich geschädigt hat. Die Oberlandesgerichte Naumburg, Köln, Nürnberg und Frankfurt haben sich auf die Seite der Verbraucher gestellt.
- Am Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist das sogenannte Thermofenster, das auch in Daimler-Motoren verbaut wird, in einem Schlussplädoyer des Generalanwalts als unzulässig bezeichnet worden. Der Gerichtshof folgt in der Regel der Argumentation des Generalanwalts. Das Thermofenster ist eine Software, die die Abgasreinigung temperaturabhängig steuert und in der Regel ausschaltet.
- Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat unzählige Rückrufe wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung der Mercedes-Fahrzeuge gegen Daimler verhängt.
- Selbst der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwei Verfahren an die zweite Instanz zurückverwiesen, weil die Möglichkeit besteht, dass Verbrauchern Ansprüche zustehen. Und in diesen Verfahren geht es nicht ausschließlich um das sogenannte Thermofenster, das die Abgasreinigung temperaturabhängig steuert, sondern beispielsweise um die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, die von manchen Gerichten als illegale Prüfstandserkennung gewertet wird.
- Zudem hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) durch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer eine Musterfeststellungsklage am 7. Juli 2021 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingereicht. Im Mittelpunkt der Klage stehen zurückgerufene Mercedes GLC- und GLK-Modelle mit dem Motor OM651. Daimler-Kunden soll durch die Klage der Weg zum Schadensersatz erleichtert werden.
Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ist die juristische Aufarbeitung des Abgasskandals bei VW, Mercedes und FCA/Stellantis ein großes Stück weitergekommen. Der Skandal ist jedoch noch nicht zu Ende. Die Chancen auf Schadensersatz sind weiter enorm gestiegen. Daher rät die Kanzlei vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern, sich anwaltlich beraten zu lassen. Geschädigte müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben. Die Chancen stehen nach aktueller Rechtsprechung sehr gut. Im kostenfreien Online-Check lässt sich der richtige Weg aus dem Dieselskandal herausfinden. Wir prüfen Ihren konkreten Fall und geben Ihnen eine Ersteinschätzung, bevor wir uns auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigen.