BGH-Urteil ebnet Weg für die Verurteilung von BMW
Im Diesel-Abgasskandal der Daimler AG und der BMW AG sind Klagen an Landgerichten jahrelang mit dem Hinweis abgebügelt worden, die Klägeranwälte argumentieren ins Blaue hinein und geben sich Spekulationen hin. Die Autobauer mussten nur erzählen, es gebe keine unzulässigen Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung ihrer Motoren und schon war die Klage vom Tisch. Mit dieser Unart hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Beschluss vom 28. Januar 2020 aufgeräumt. Der BGH widersprach damals dem OLG Celle und wertete diese beliebte Vorgehensweise der Gerichte als Verfahrensfehler (Az. VIII ZR 57/19). Der Kläger könne keine genauen Sachkenntnisse darüber haben, wie der streitgegenständliche Motor mit seinem Abgaskontrollsystem funktioniere. Er habe jedoch genügend Anhaltspunkte vorgetragen, auf die er letztlich seinen Vorwurf stützt, sein Fahrzeug sei in zweifacher Hinsicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet. Und die beklagten Autobauer müssten sich schon mehr einfallen lassen, als die Manipulation nur zu leugnen. Ihrer sekundären Darlegungslast müssten die Beklagten anständig nachkommen.
Seit diesen Äußerungen hagelt es Beweisbeschlüsse vor Gerichten und auch Verurteilungen. Besonders die Daimler AG wird derzeit zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Und jetzt hat es am OLG Köln auch BMW erwischt. Eine echte Zeitenwende in der juristischen Aufarbeitung des Abgasskandals. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst das aktuelle Urteil gegen BMW kurz zusammen:
- Im Februar 2016 erwarb der Kläger einen gebrauchten BMW M550d X-Drive der Euronorm 6 für 72.200 Euro. Im Februar 2018 kam es von BMW zu einem Rückruf. Die Regeneration des NOx-Speicherkatalysators werde nicht häufig genug ausgelöst. Ein Software-Update sollte Abhilfe schaffen. Auch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) startete einen Rückruf.
- Der Kläger führte aus, dass der BMW mit Hilfe verschiedener unzulässiger Abschalteinrichtungen die Abgasreinigung manipuliere. Folgende Abschalteinrichtungen sollen vorhanden sein. Thermofenster, Prüfstands-, Lenkwinkel-, Betriebszeit-, Radrotations-, Beschleunigungs- und Radwinkelerkennung. Diese ganzen Vorrichtungen dienen alleine dazu, auf dem Prüfstand die Abgasnorm einzuhalten. Im realen Straßenbetrieb wird dann die Luft verpestet und die Gesundheit gefährdet.
- Das OLG Köln warf in seiner Urteilsbegründung dem Landgericht Köln Gehörsverletzung im Sinne von Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz vor. Der Kläger habe ein Sachverständigengutachten zur Überprüfung der Abschalteinrichtungen vorgeschlagen. Das Landgericht hätte dem Vortrag der Kläger durch Beweiserhebung nachgehen müssen. Das Landgericht bügelte jedoch die Klage wie üblich ab und erhielt jetzt vom OLG einen Rüffel. Den Vortrag der Klägerseite zu den Abschalteinrichtungen bewertet das OLG als schlüssig und aufgrund des Bestreitens von BMW als beweisbedürftig. Der Anspruch auf Schadensersatz aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB sei ebenfalls schlüssig dargelegt. Explizit verweist das OLG auf die Rechtsprechung des BGH vom 28. Januar 2020 hin. Das Argument von BMW, ein Irrtum bei der Installation der Motorsteuerungs-Software habe letztlich in den Rückruf gemündet, ließ das Gericht nicht gelten.
Ähnlich wie bei VW, Daimler, Fiat und Opel stehen auch bei BMW zahlreiche Modelle im Verdacht, von der Abgas-Manipulation betroffen zu sein. Von den 5er- und 7er-Modellen, die zwischen 2012 und 2017 produziert wurden, sollen besonders viele auf dem Markt sein. Doch auch weitere Diesel-Modelle sind höchstwahrscheinlich von der Abgasmanipulation betroffen. Hier eine Übersicht:
- 1er: 116d, 118d, 118d Coupé, 120d
- 2er: 220d Xdrive Active Tourer
- 3er: 318d, 320d Cabrio, 318d Touring, 320d Cabrio, 320d Limousine, 320d Touring, 325d Touring, 330d, 330d xDrive
- 4er: 420d Gran Coupé, 430d Gran Coupé
- 5er: 520d Limousine, 520d Touring, 525d, 525d Limousine, M550d Xdrive Touring, M550d xDrive Limousine, M550d xDrive Touring
- X1: X1 sDrive16d, X1 sDrive18d, X1 XDrive20d, X1 XDrive25d
- X3: 20d xDrive, X3 XDrive20d, X3 XDrive30d
- X4: XDrive20d
- X5: xDrive30d, X5 xDrive40d
- 7er: BMW 750d xDrive, BMW 750Ld xDrive
Der Abgasskandal bei BMW hat bereits eine längere Vorgeschichte. Am 20. März 2018 durchsuchten 100 Polizisten und Staatsanwälte die Münchner BMW-Zentrale. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass die BMW AG eine prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung verwendet habe, so die Justizbehörden. Vorausgegangen war bereits im Mai 2017 ein Praxistest der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Nachmessungen des KBA bestätigten den sehr hohen Stickoxid-Ausstoß im Straßenverkehr. "Bei der Überprüfung der Fahrzeugtypen BMW 750 3.0 Diesel Euro 6 und BMW M550 3.0 Diesel Euro 6 wurden unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt", hieß es aus dem KBA. Mit Abschalteinrichtungen wird die Abgasreinigung so manipuliert, dass das Fahrzeug auf dem Prüfstand die EU-Abgasnorm einhält. In der Praxis wird dann die Luft verpestet.
Die Ermittler konnten jedoch den Betrugsverdacht nicht bestätigen. Im Februar 2019 wurde BMW wegen fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung von der Staatsanwaltschaft München (I) zu einer Bußgeldzahlung von 8,5 Millionen Euro verpflichtet. Und so wurde es wieder ruhiger bei BMW. Doch am 31. März 2020 verurteilte das Landgericht Düsseldorf BMW erstmals zur Rücknahme eines Diesel-Pkw (Az. 7 O 67/19). Die Begründung: Der Autobauer habe eine unzulässige Abschalteinrichtung eingesetzt. Das Gericht sah durch den Einbau eines sogenannten Thermofensters eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach §826 BGB des Kunden und BMW als schadensersatzpflichtig an.
Diese Entwicklung zeigt, dass die Chancen der Verbraucher, ihre berechtigten Ansprüche gegen BMW vor Gericht durchzusetzen, enorm gestiegen sind. Die Kanzlei rät betroffenen Verbrauchern dazu, sich anwaltlich beraten zu lassen. Im kostenfreien Online-Check der Kanzlei lässt sich der richtige Weg aus dem Diesel-Abgasskandal herausfinden. Die Fälle werden individuell geprüft, ehe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigt.