OLG wertet Abschalteinrichtung im EA288 als unzulässig
Im vorliegenden Verfahren war ein VW T6 Multivan streitgegenständlich. Der VW-Motor EA288 besitzt die Abgasnorm Euro 6. Für das Fahrzeug liegt kein amtlicher Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) vor. Der Kläger vertrat die Ansicht, dass wie beim EA189, der den Dieselskandal 2015 ausgelöst hatte, auch in dem Nachfolgemotor EA288 eine illegale Abschalteinrichtung installiert und genutzt wird. Das Oberlandesgericht Naumburg sieht im Motor mit der sogenannten Fahrkurvenerkennung eine Zykluserkennung verbaut. Ziel der durch die Fahrkurve ausgelösten unterschiedlichen Betriebsstrategien des SCR-Katalysators sei es laut Gericht, die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Stickoxid auf dem Prüfstand sicher einhalten zu können. Eine solche Prüfstandserkennung sorgt bereits für eine Unzulässigkeit der Abschalteinrichtungen, so das Gericht.
Bei der ersten Verurteilung von VW im Abgasskandal um den Motor EA288 am OLG Naumburg hatte VW sich darauf berufen, dass das Kraftfahrt-Bundesamt keine unzulässige Abschalteinrichtung gefunden habe. Das Gericht ging jedoch davon aus, dass VW „unter Vorlage entsprechender eigener Messergebnisse an das KBA herangetreten ist, diesem versichert hat, dass infolge fehlender Grenzwertkausalität keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt und dass KBA diesen Standpunkt übernommen hat“. Das Gericht äußerte sich weiter abschätzig über die Behörde. Das KBA habe sich „der von der Beklagten nach Offenlegung der im EA288 verbauten Abschalteinrichtung hierzu vertretenen und in jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrenden Rechtsauffassung angeschlossen“. Das OLG Naumburg verurteilte die Volkswagen AG daher zur Zahlung von Schadensersatz (Az. 8 U 68/20).
Zuvor hatte bereits das OLG Köln VW am 19. Februar 2021 in einem EA288-Verfahren verurteilt – allerdings ein Versäumnisurteil, weil die VW-Anwälte nicht vor Gericht erschienen waren (Az. 19 U 151/20).
Auch am OLG Düsseldorf steht VW kurz vor einer Verurteilung. Anfang 2021 hatte der Konzern im Wirtschaftsmagazin Capital beteuert, dass mit dem Motor EA288 alles in Ordnung sei. Doch auch das Düsseldorfer Gericht ist skeptisch. In einem Beschluss vom 16. Februar 2021 (Az. I-23 U 159/20) stellte der 23. Zivilsenat fest: Eine Haftung von VW könnte sich nach § 826 BGB ergeben. Grund dafür ist eine interne „Applikationsrichtline“ von VW für den EA288. Diese Richtlinie belegt aus Sicht der Kläger eine Zykluserkennung und eine Manipulation der Abgasreinigung auf dem Prüfstand. VW muss sich jetzt zu den internen Dokumente äußern.
Ebenso ließ das Oberlandesgericht Oldenburg mit Hinweisbeschluss vom 6. Juli 2021 (Az. 14 U 91/21) erkennen, dass der Senat von einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgeht. Die Verbraucheranwälte hätten das Vorhandensein der Manipulation ausreichend dargelegt, während VW die Vorwürfe nicht substantiiert bestritten hätte. In Oldenburg wird VW wohl die nächste Niederlage in zweiter Instanz einstecken müssen.
An deutschen Gerichten setzt sich aus Sicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer im Dieselskandal um den VW-Motor EA288 eine verbraucherfreundliche Rechtsprechung durch. Die Kanzlei rät allen betroffenen VW-Kunden zu einer Klage gegen den Autobauer. VW hat nach Ansicht von Gerichten im großen Stil Motoren manipuliert. Die Fahrzeuge sind im Wert gemindert. Und die Chancen stehen vor Gericht sehr gut, Schadensersatz zu erstreiten. Im kostenfreien Online-Check der Kanzlei lässt sich der richtige Weg aus dem Diesel-Abgasskandal herausfinden. Die Fälle werden individuell geprüft, ehe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigt.
Der VW-Abgasskandal ist noch lange nicht zu Ende
Nach den zahlreichen Urteilen des BGH im Diesel-Abgasskandal von VW war für viele Beobachter der Eindruck erweckt worden, dass der Autobauer mit einem blauen Auge davongekommen ist. Doch der Skandal ist noch lange nicht ausgestanden. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die wichtigsten Fakten zur großen Diesel-Manipulation bei der VW AG zusammen:
- Verjährung: Im ersten Diesel-Abgasskandal ist noch nichts verjährt:
- Vier Oberlandesgerichte haben VW aufgrund §852 BGB zur Zahlung von Restschadensersatz verurteilt. Endgültig verjährt der Skandal somit erst zehn Jahre nach Kauf des Fahrzeugs. Damit sind auch aktuell im Jahr 2021 Klagen noch erfolgsversprechend.
- Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nur zur üblichen dreijährigen Verjährung geäußert. In einem Spezialfall ging der BGH in seinem Urteil vom 17. Dezember 2020 davon aus, dass der Abgasskandal bereits Ende 2018 verjährt ist ( VI ZR 739/20). In dem Verfahren wusste der Kläger allerdings bereits 2015, dass sein Fahrzeug vom Skandal betroffen ist. Der BGH hat das Thema mit Urteil vom 29. Juli 2021 jedoch konkretisiert und festgestellt, dass die Kenntnis des Verbrauchers über den Skandal vom Gericht festgestellt werden muss (Az. VI ZR 1118/20). Daher sind auch Klagen ab dem Jahr 2019 noch erfolgsversprechend.
- Wenn jedoch nach drei Jahren die Verjährung eintritt, gibt es trotzdem Ansprüche – und zwar auf den sogenannten Restschadensersatz. Auch hier steigt mittlerweile die Zahl der Gerichte, die diesen Anspruch den Verbrauchern gewähren. Und auch der BGH hat sich in seinem Urteil vom 17. Dezember 2020 zum Thema Verjährung im Fall VW nicht ablehnend zum Restschadensersatzanspruch geäußert, sondern nur darauf hingewiesen, dass der Kläger diesen Anspruch vor Gericht vortragen müsse. Voraussetzung für den Anspruch auf Restschadensersatz ist das Vorliegen einer vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung des Verbrauchers. Aber diese Schädigung nach §826 BGB hat der BGH am 25. Mai 2020 höchstrichterlich festgestellt (Az. VI ZR 252/19).
- Daher vertritt die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer die Ansicht, dass selbst heute noch Klagen gegen VW im ersten Abgasskandal erfolgsversprechend sind. Der Anspruch auf Restschadensersatz verjährt erst zehn Jahre ab Kauf des Fahrzeuges.
[*]EuGH: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 17. Dezember 2020 Abschalteinrichtungen generell für unzulässig erklärt (Az. C-693/18). Das von den Autobauern gerne für Abgasmanipulationen angeführte Argument des Motorschutzes haben die Luxemburger Richter damit zu den Akten befördert. Die Klausel zum Motorschutz greift erst, wenn das Fahrzeug – salopp gesagt – vor der Explosion steht oder Gefahr für die Insassen besteht. Versottung und erhöhter Verschleiß des Motors, was die Autobauer gerne als Begründung anführen, spielt keine Rolle. Damit ist das Thermofenster ebenfalls illegal.
[*]Thermofenster: Der BGH hält den Einbau eines solchen Thermofensters nicht von vornherein für eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung der Verbraucher. In einem Beschluss vom 19. Januar 2021 zu einem Daimler-Fall macht der BGH jedoch auch klar, dass Kläger ausführen müssten, ob Autobauer zum Beispiel das KBA getäuscht haben (Az. VI ZR 433/19). Trifft das zu, steht nach Ansicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, einer Verurteilung nichts mehr im Wege. Da das KBA sich mit allen juristischen Mitteln wehrt, Ermittlungsakten beispielsweise zum EA288 offenzulegen, geht Dr. Stoll & Sauer davon aus, dass die Behörde etwas zu verbergen hat. Der EA288 ist das Nachfolgemodell des Skandalmotors EA189. Der Deutschen Umwelthilfe weigert sich die Behörde bis heute, EA288-Akten zur Einsicht zu übergeben, obwohl zu dem Vorgang ein rechtskräftiger Beschluss eines Gerichts vorliegt.
[*]Dieselgate 2.0: Darüber hinaus kommt Dieselgate 2.0 derzeit ins Rollen. Betroffen ist unter anderem der Nachfolgemotor des EA189. Auch im EA288 sollen Abschalteinrichtungen verbaut worden sein. Dabei geht es nicht nur um das Thermofenster. Gleiches gilt für die 3-Liter-Motoren EA897 und EA896. Die Zahl der verbraucherfreundlichen Urteile steigt seit Monaten bei allen Motoren an. Am Oberlandesgericht in Köln ist VW in einem EA288 Fall am 19. Februar 2021 zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden ( 19 U 151/20). Auch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer konnte bereits erste Verurteilungen des VW-Konzerns erzielen.
[*]Abschalteinrichtungen: Alle reden vom Thermofenster, doch es gibt noch andere Abschalteinrichtungen, die die Abgasreinigung manipulieren. Mit der Fahrkurve und der Lenkradwinkelerkennung wird der Motorsteuerung angezeigt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. Läuft der Motor und das Lenkrad wird nicht eingeschlagen, ist für den Motor klar, dass eine Prüfsituation stattfindet. Mehr Prüfstandserkennung gibt es nicht – und die hat der BGH für unzulässig erklärt.
[*]Benziner-Skandal: Außerdem ist VW in einem Abgasskandal verwickelt, der Benzinmotoren betrifft. Das Landgericht Offenburg hat in einem Verfahren der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ein Gutachten einholen lassen, aus dem klar hervorgeht, dass an der Abgasreinigung eines Audi Q5 TFSI 2.0 Euro 6 manipuliert worden ist (: 4 O 159/17). Abgasgrenzwerte werden offensichtlich nur auf dem Prüfstand eingehalten. Das KBA hat die Ermittlungen aufgenommen und rückt die Akten dazu jedoch nicht heraus, obwohl Dr. Stoll & Sauer dazu einen rechtskräftigen Beschluss eines deutschen Gerichts erstritten hat.