OLG Naumburg verurteilt VW im Abgasskandal um EA288
Die verbraucherfreundliche Wende in Dieselgate 2.0 um den VW-Motor EA288 setzt sich weiter fort. Im Mittelpunkt steht dabei das sogenannte Thermofenster, das die Abgasreinigung mit Hilfe der Außentemperatur des Motors steuert – sprich manipuliert. Am Oberlandesgericht Naumburg ist VW jetzt erneut zu Schadensersatz verurteilt worden. Die Anwälte des Autobauers waren zur Verhandlung am 4. November 2021 nicht erschienen. Offensichtlich sah die VW AG keine Chance mehr, das Blatt zu ihren Gunsten zu drehen. Bereits am OLG Köln hatte VW eine ähnliche Strategie gefahren und die Anwälte waren nicht zum Gerichtstermin erschienen. Ähnlich wie in Köln fällte das OLG Naumburg ein Versäumnisurteil und ließ keine Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zu. Hier die Fakten zum Naumburger Urteil:
- Im Juli 2018 erwarb der Kläger einen VW Beetle 2.0 TDI Cabrio gebraucht für 29.770 Euro. Der Motor ist ein EA288 mit NOx-Speicherkatalysator.
- Der Senat sah den Klägervortrag durch das Nichterscheinen der VW-Anwälte als zugestanden an. Aufgrund einer Abschalteinrichtung hält das Fahrzeug nur auf dem Prüfstand die gesetzlichen Abgasgrenzwerte ein. Im realen Straßenbetrieb wird die Umwelt verpestet und die Gesundheit der Bürger gefährdet.
- Das OLG verurteilte VW zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.553,21 Euro. Hinzu kommt die Freistellung von 52 Raten für das Darlehen, das der Verbraucher für den Kauf des Fahrzeugs hat aufnehmen müssen.
- Der Kläger muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Das Gericht ging dabei von einer Gesamtlaufleistung des Motors von 300.000 Kilometern aus.
- Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.
Für die Volkswagen AG wird es im zweiten Diesel-Abgasskandal um den Motor EA288 immer enger. Der EA288 ist das Nahfolgemodell des Skandaldiesels EA189. An deutschen Gerichten setzt sich die verbraucherfreundliche Rechtsprechung durch. Dabei geht es nicht alleine nur um das Thermofenster, sondern auch um andere unzulässige Abschalteinrichtungen, die alle das Ziel verfolgen, den Prüfstand zu erkennen und dort die Abgasreinigung normgerecht zu manipulieren. Im normalen Straßenverkehr wird die Umwelt verpestet und die Gesundheit gefährdet. Die Oberlandesgerichte Köln und Naumburg haben VW mittlerweile verurteilt, Nürnberg, Oldenburg und Düsseldorf haben es angekündigt. Die Chancen der Verbraucher vor Gericht gegen VW zu gewinnen stehen daher so gut wie nie.
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer rät vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern, sich anwaltlich beraten zu lassen. Geschädigte müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben. Die Chancen stehen nach aktueller Rechtsprechung sehr gut. Im kostenfreien Online-Check lässt sich der richtige Weg aus dem Dieselskandal herausfinden. Wir prüfen Ihren konkreten Fall und geben Ihnen eine Ersteinschätzung, bevor wir uns auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigen.
Der VW-Abgasskandal ist noch lange nicht zu Ende
Nach den zahlreichen Urteilen des BGH im Diesel-Abgasskandal von VW war für viele Beobachter der Eindruck erweckt worden, dass der Autobauer mit einem blauen Auge davongekommen ist. Doch der Skandal ist noch lange nicht ausgestanden. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die wichtigsten Fakten zur großen Diesel-Manipulation bei der VW AG zusammen:
- Verjährung: Im ersten Diesel-Abgasskandal ist noch nichts verjährt:
- Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nur zur üblichen dreijährigen Verjährung geäußert. In einem Spezialfall ging der BGH in seinem Urteil vom 17. Dezember 2020 davon aus, dass der Abgasskandal bereits Ende 2018 verjährt ist ( VI ZR 739/20). In dem Verfahren wusste der Kläger allerdings bereits 2015, dass sein Fahrzeug vom Skandal betroffen ist. Der BGH hat das Thema mit Urteil vom 29. Juli 2021 jedoch konkretisiert und festgestellt, dass die Kenntnis des Verbrauchers über den Skandal vom Gericht festgestellt werden muss (Az. VI ZR 1118/20). Daher sind auch Klagen ab dem Jahr 2019 noch erfolgsversprechend.
- Wenn jedoch nach drei Jahren die Verjährung eintritt, gibt es trotzdem Ansprüche – und zwar auf den sogenannten Restschadensersatz. Vier Oberlandesgerichte haben VW aufgrund §852 BGB zur Zahlung von Restschadensersatz verurteilt. Endgültig verjährt der Skandal somit erst zehn Jahre nach Kauf des Fahrzeugs. Damit sind auch aktuell im Jahr 2021 Klagen noch erfolgsversprechend. Mittlerweile steigt die Zahl der Gerichte, die diesen Anspruch den Verbrauchern gewähren. Und auch der BGH hat sich in seinem Urteil vom 17. Dezember 2020 zum Thema Verjährung im Fall VW nicht ablehnend zum Restschadensersatzanspruch geäußert, sondern nur darauf hingewiesen, dass der Kläger diesen Anspruch vor Gericht vortragen müsse. Voraussetzung für den Anspruch auf Restschadensersatz ist das Vorliegen einer vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung des Verbrauchers. Aber diese Schädigung nach §826 BGB hat der BGH am 25. Mai 2020 höchstrichterlich festgestellt (Az. VI ZR 252/19).
EuGH: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 17. Dezember 2020 Abschalteinrichtungen generell für unzulässig erklärt (Az. C-693/18). Das von den Autobauern gerne für Abgasmanipulationen angeführte Argument des Motorschutzes haben die Luxemburger Richter damit zu den Akten befördert. Die Klausel zum Motorschutz greift erst, wenn das Fahrzeug – salopp gesagt – vor der Explosion steht oder Gefahr für die Insassen besteht. Versottung und erhöhter Verschleiß des Motors, was die Autobauer gerne als Begründung anführen, spielt keine Rolle. Damit ist das Thermofenster ebenfalls illegal.
Thermofenster: Der BGH hält den Einbau eines solchen Thermofensters nicht von vornherein für eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung der Verbraucher. In einem Beschluss vom 19. Januar 2021 zu einem Daimler-Fall macht der BGH jedoch auch klar, dass Kläger ausführen müssten, ob Autobauer zum Beispiel das KBA getäuscht haben (Az. VI ZR 433/19). Trifft das zu, steht nach Ansicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, einer Verurteilung nichts mehr im Wege. Da das KBA sich mit allen juristischen Mitteln wehrt, Ermittlungsakten beispielsweise zum EA288 offenzulegen, geht Dr. Stoll & Sauer davon aus, dass die Behörde etwas zu verbergen hat. Der EA288 ist das Nachfolgemodell des Skandalmotors EA189. Der Deutschen Umwelthilfe weigert sich die Behörde bis heute, EA288-Akten zur Einsicht zu übergeben, obwohl zu dem Vorgang ein rechtskräftiger Beschluss eines Gerichts vorliegt.
Dieselgate 2.0: Darüber hinaus kommt Dieselgate 2.0 derzeit ins Rollen. Betroffen ist unter anderem der Nachfolgemotor des EA189. Auch im EA288 sollen Abschalteinrichtungen verbaut worden sein. Dabei geht es nicht nur um das Thermofenster. Gleiches gilt für die 3-Liter-Motoren EA897 und EA896. Die Zahl der verbraucherfreundlichen Urteile steigt seit Monaten bei allen Motoren an. Am Oberlandesgericht in Köln ist VW in einem EA288 Fall am 19. Februar 2021 zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden ( 19 U 151/20). Auch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer konnte bereits erste Verurteilungen des VW-Konzerns erzielen.
Abschalteinrichtungen: Alle reden vom Thermofenster, doch es gibt noch andere Abschalteinrichtungen, die die Abgasreinigung manipulieren. Mit der Fahrkurve und der Lenkradwinkelerkennung wird der Motorsteuerung angezeigt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. Läuft der Motor und das Lenkrad wird nicht eingeschlagen, ist für den Motor klar, dass eine Prüfsituation stattfindet. Mehr Prüfstandserkennung gibt es nicht – und die hat der BGH für unzulässig erklärt.
Benziner-Skandal: Außerdem ist VW in einem Abgasskandal verwickelt, der Benzinmotoren betrifft. Das Landgericht Offenburg hat in einem Verfahren der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ein Gutachten einholen lassen, aus dem klar hervorgeht, dass an der Abgasreinigung eines Audi Q5 TFSI 2.0 Euro 6 manipuliert worden ist (: 4 O 159/17). Abgasgrenzwerte werden offensichtlich nur auf dem Prüfstand eingehalten. Das KBA hat die Ermittlungen aufgenommen und rückt die Akten dazu jedoch nicht heraus, obwohl Dr. Stoll & Sauer dazu einen rechtskräftigen Beschluss eines Gerichts erstritten hat.