US-Behörden im Fiat-Skandal schneller als europäische Justiz
Der Diesel-Abgasskandal von VW fand seinen Anfang im September 2015 in den USA. Die Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency (EPA) deckte die illegalen Abgasmanipulationen auf. Als nächstes Unternehmen nahm EPA Fiat Chrysler Automobiles (FCA) genauer unter die Lupe. Und siehe da. Acht unzulässige Abschalteinrichtungen entdeckten die Prüfer in den Modellen Dodge Ram und Jeep Grand Cherokee (Baujahre 2014-2016). Mit Schreiben vom 12. Januar 2017 reklamierte die Behörde, dass diese Abschalteinrichtungen in den ursprünglichen Anträgen auf Konformitätsbescheinigungen, die die Einführung von Kraftfahrzeugen in den Handel der Vereinigten Staaten erlauben, nicht offengelegt worden waren. In knapp 104.000 Dieseln sollten die Abschalteinrichtungen verbaut worden sein. Auf dem Prüfstand hielten die Fahrzeuge die gesetzlichen Abgaswerte ein, im realen Straßenbetrieb verpesteten sie die Umwelt mit erhöhtem Stickoxidausstoß.
Kreative Fiat-Ingenieure tricksen im Abgasskandal
Die Kreativität der Fiat-Ingenieure bei den Fahrzeugen Dodge Ram und Jeep Grand Cherokee kannte keine Grenzen. Aus dem EPA-Schreiben an Fiat, das der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vorliegt, wird die Funktionsweise der Abschalteinrichtungen detailliert beschrieben. Manipuliert wurden Abgasrückführung und die Abgasnachbehandlung. Bei der Abgasrückführung (AGR) werden Abgase aus dem Motor wieder in den Verbrenner rückgeführt und erneut verbrannt. Der Stickoxidausstoß wird so verringert. Daneben verfügten die Motoren über einen SCR-Katalysator - Selective Catalytic Reduction (auf Deutsch: Selektive Katalytische Reduktion). Der Katalysator behandelt die Abgase mit Hilfe von einem Ammoniak-Gemisch (AdBlue) nach und wandelt Stickoxide (NOx) in Wasserdampf und Stickstoff um. Durch nachfolgende acht Maßnahmen manipulierte FCA die Abgasreinigung in den Dieselmotoren:
- Die Abgasrückführung wird bei Autobahngeschwindigkeit abgeschaltet.
- Die Abgasrückführung wird bei steigender Fahrzeuggeschwindigkeit reduziert.
- Die Abgasrückführung wird für die Auslassventilreinigung abgeschaltet.
- Die Eindüsung mit Ammoniak wird während der SCR-Anpassung unterbrochen.
- Die Abgasrückführung wird je nach Motortemperatur reduziert.
- Der SCR-Katalysator besitzt eine Aufwärmabschaltung.
- Der Motor besitzt alternative SCR-Dosiermodi.
- Mit Hilfe eines Lastreglers kommt es bei der Ammoniak-Nachfüllung des SCR-Katalysators zu Verzögerungen.
Die Fakten im Abgasskandal von Fiat liegen nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und Deutschland auf dem Tisch. Doch es geschieht nichts, was zur Aufarbeitung des Skandals hilfreich wäre:
- Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schlug bereits im Februar 2016 als erster Alarm und wies auf erhöhte Stickoxidwerte beim Fiat 500x hin. Wenig später bestätigte das KBA den Verdacht der DUH. Es müsste nur noch gehandelt werden. Doch von behördlicher Seite wird alles unternommen, um den Skandal unter den Tisch zu kehren. In Italien schließt die Zulassungsbehörde einfach die Augen. Das KBA plant keinen Rückruf.
- Das sieht nach einem Stillhalteabkommen zwischen Deutschland und Italien aus. Im Diesel-Abgasskandal von VW musste der Wolfsburger Autobauer in Italien eine Strafe von fünf Millionen Euro bezahlen. Damit war die Sache für VW kostengünstig erledigt. Da drückt der deutsche Staat beim italienischen Autobauer, der mit seinen Motoren in Deutschland die Luft verpestet, wohl gerne beide Augen zu.
- Erschwerend kommt hinzu, dass indirekt weite Teile der deutschen Reisemobilbranche in den Skandal bei Fiat verwickelt sind. Fiat und das Tochterunternehmen Iveco rüsten mit ihren Motoren die Produzenten von Reise- und Wohnmobilen aus. Letztlich sind diese Fahrzeuge mit unzulässigen Typengenehmigungen auf den Straßen unterwegs. Und das weiß die Zulassungsbehörde. Das KBA hat in einem Fall die Typengenehmigung durchgewunken und damit einen Präzedenzfall geschaffen.
- 2016 intervenierte der damalige CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer beim Verkehrsminister und Parteifreund Alexander Dobrindt, um dem Reisemobilhersteller Knaus Tabbert aus der Klemme zu helfen. Das Unternehmen in der Nähe von Scheuers Wahlkreis rüstete seine Mobile mit Fiatmotoren aus. Bereits wenige Tage nach Scheuers Schreiben nach Berlin, bekam der „liebe Andi“ das Rückschreiben von Verkehrsstaatssekretär Michael Odenwald, der heute Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn AG ist. Die gewünschte einfache Lösung für Knaus Tabbert sah folgendermaßen aus: „Mit dem KBA wurde inzwischen vereinbart, dass die Typengenehmigung für den Hersteller des Aufbaus (Knaus Tabbert) dennoch erteilt wird, damit die deutschen Hersteller, die die Fahrzeugtechnik nicht zu vertreten haben, keine Nachteile haben.“