Gerichte verweigern im Diesel-Abgasskandal VW Nutzungsentgelte
„Betrug darf sich nicht lohnen“, reagierte Dr. Ralf Stoll zufrieden auf das Urteil. Dr. Stoll & Sauer gehört zu den führenden Kanzleien im Diesel-Abgasskandal und verhilft den Verbrauchern gegen Daimler, VW und Opel zu ihrem Recht. Die beiden Gesellschafter führen in einer Spezialgesellschaft für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) außerdem die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG. Das Thema Nutzungsentschädigung sieht der Anwalt als einen zentralen Punkte bei der Abwicklung des Diesel-Abgasskandals. Auch die Landgerichte Mühlhausen (Thüringen, Az. 6 O 647/17 – mehr hier) und Kiel (Az.: 11 O 243/18 – mehr hier) hatten Nutzungsentgelte mit der Begründung abgelehnt, VW dürfe für sein „sittenwidriges“ Verhalten nicht belohnt werden. Auch diese beiden Urteile hat die Verbraucher-Kanzlei Dr. Stoll und Sauer erstritten.
Kein Nutzungsentgelt bei vorsätzlich sittenwidrigem Handeln
Der Kläger erwarb im aktuellen Fall von Lübeck im März 2014 in einem Autohaus einen Tiguan 2,0l TDI zum Preis von 38.628,46 Euro. Da der Motor EA189 mit einer manipulativen Abschaltvorrichtung ausgerüstet war, forderte der Kläger die Rücknahme des Autos, die Rückerstattung des Kaufpreises und Zinsen. Das Landgericht folgte nun in erster Instanz dem Antrag des Klägers. Volkswagen habe gemäß § 826 BGB sittenwidrige gehandelt und sei zum Schadensersatz verpflichtet. Der im Fahrzeug des Klägers eingebaute Motor verfügte nach Ansicht des Gerichts beim Kauf über eine unzulässige Abschalteinrichtung, die den EU-Normen nicht entsprach. Das Indenverkehrbringen von Motoren, die über eine unzulässige Abschaltrichtung verfügen, ist im hohen Maße sittenwidrig und verwerflich, urteilte das Landgericht Lübeck weiter. VW ging es nach Ansicht des Gerichts alleine darum, den Absatz ihrer strittigen Motoren zu steigern. „Diese massenhafte Täuschung von Endkunden und Zulassungsbehörden diente hierbei ganz offensichtlich allein der Steigerung der Verkaufszahlen“, heißt es dazu in dem Urteil. Dadurch habe der Kläger Schaden erlitten. Es habe zumindest latent die Gefahr einer Betriebsuntersagung oder Betriebsbeschränkung bestanden. Auch beim Nutzungsentgelt bleibt das Gericht hart. Wer vorsätzlich sittenwidrig handelt, kann nicht erwarten dafür noch eine Entschädigung zu erhalten.
Landgericht Kiel hält Nutzungsentgelt für nicht „hinnehmbar“
Das Landgericht Kiel hatte sich näher mit dem Schadensersatzrecht beschäftigt. Im Rahmen des Schadensersatzrechtes werde in der Regel eine Nutzungsentschädigung zugesprochen, wenn eine Vorteilsausgleichung vorzunehmen sei. Diese müsse dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen, das heißt sie dürfe den Geschädigten nicht unzumutbar belasten und den Schädiger nicht unbillig. Beide Voraussetzungen sah das Gericht im Fall jedoch nicht gegeben. Der Kläger sei zwar mit dem Fahrzeug gefahren. Er habe es damit genutzt. Die Nutzung eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuges könne allerdings jederzeit untersagt werden. Die Beklagte habe sich durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung grob sittenwidrig und verwerflich verhalten. Wenn jetzt der Kläger eine Nutzungsentschädigung an die Beklagte zu entrichten hätte, würde dies im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass der Kläger Miete für ein Fahrzeug zahlen müsste, welches durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten in den Verkehr gebracht worden ist. „Damit würde die Beklagte im Ergebnis einen geldwerten Vorteil aus ihrem sittenwidrigen Verhalten ziehen. Ein solches Ergebnis ist nicht hinnehmbar“, hieß es in dem Kieler Urteil. „Die von der Beklagten entwickelte kriminelle Energie würde mit einem erheblichen geldwerten Vorteil für die Beklagte honoriert werden. Dies wäre eine deutlich unbillige Begünstigung. Außerdem wollte der Kläger das Fahrzeug kaufen und nicht mieten.“ Die Zahl der Gerichte, die gegen eine Nutzungsentschädigung sind, steigt derzeit an.