EU ermittelt seit über vier Jahren im Fiat-Abgasskandal
Der Diesel-Abgasskandal von Fiat Chrysler Automobiles (FCA / jetzt Stellantis) schwelt bereits seit 2015. Damals kam es in den USA zu ersten Ermittlungen. 2016 stellte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) überhöhte Abgaswerte bei Fahrzeugen mit Dieselmotoren von Fiat fest. Die italienische Zulassungsbehörde wurde informiert. Als Italien tatenlos blieb, schaltete die deutsche Bundesregierung die EU-Kommission ein. Im Mai 2017 leitete die europäische Behörde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien ein – bisher erfolglos. Ein Jahr später kam es dann 2018 zur Anklage Italiens am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Im Mittelpunkt immer der Diesel-Abgasskandal, der sich auf FCA bezog. Seit Sommer 2020 ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen Betrugsverdachts gegen das Fiat-Imperium.
Die Kommission erklärte nun am 2. Dezember 2021 laut der Nachrichtenagentur Reuters, dass die EU Italien aufgefordert habe, zu erklären, warum es der Verpflichtung zur Durchsetzung der Emissionsvorschriften auf der Grundlage einer europäischen Verordnung nicht nachgekommen sei. Gemäß der Verordnung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Sanktionen für die Verwendung von illegalen Abschalteinrichtungen festzulegen und umzusetzen. Mit der Abgasmanipulation wird die Effizienz von Emissionskontrollsystemen beeinträchtigt. Das führt zu höheren Emissionen bei Fahrzeugen.
Die Kommission erklärte weiter, Italien habe zwar einen obligatorischen Rückruf betroffener Fahrzeuge angeordnet, es aber versäumt, Sanktionen zu verhängen. Italien muss jetzt binnen zwei Monate antworten und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Andernfalls kann die Kommission den Fall dem EuGH vorlegen.
Fiat ruft Doblo-Modelle und 500X in die Werkstätten zurück
Die Äußerungen der Kommission sind aus Sicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer erneut ein klares Indiz dafür, dass Fiat die Dieselmotoren manipuliert und den Verbrauchern ein Schaden entstanden ist. Wenn man sich überlegt, wie lange die EU bereits gegen Italien und FCA ermittelt, entsteht schon der Eindruck, der Autobauer soll so günstig wie möglich aus dem Skandal herauskommen, statt zur Verantwortung gezogen zu werden. Dafür spricht auch, dass derzeit FCA Fahrzeuge in die Werkstätten zurückruft, um ein Software-Update aufzuspielen. Beim Fiat Doblo und 500X soll damit eine „Verbesserung“ der Emissionswerte unter realen Fahrbedingungen erreicht werden.
Weltweit sollen 76.600 Fahrzeuge von der Maßnahme betroffen sein, die in Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrt-Bundesamt durchgeführt werde. Die Behörde habe allerdings noch nicht entschieden, ob sie die Rückrufe überwachen werde, berichtete am 16. November 2021 das Branchen-Onlineportal kfz-betrieb. Betroffen vom Rückruf ist der Fiat Doblo Cargo mit 1,3-Liter-Multijet-Dieselmotor der Schadstoffstufe Euro 6b. Die Fahrzeuge stammen aus dem Produktionszeitraum 16. Juni 2016 bis 30. Juli 2020. Hiervon seien in Deutschland 2630 Stück in den Verkehr gebracht worden. Weltweit geht es um 41.500 Kleintransporter. Außerdem betrifft den Rückruf das Modell Doblo Panorama in gleicher Motorisierung. Zudem steht der Fiat 500X mit 1,6-Liter-Motor (Euro 6b) auf der Liste. Von den 35.100 einbestellten Autos, sind nur 671 in Deutschland gemeldet.
Verbraucherfreundliche Entwicklung im Fiat-Abgasskandal
Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ist die Beweislast gegen den Autobauer mittlerweile erdrückend. Alleine die Vorkommnisse bis ins Jahr 2020 müssten für eine Verurteilung von FCA genügen. Über 1000 Klagen hat die Kanzlei mittlerweile gegen FCA, Iveco und Fahrzeughändler bundesweit eingereicht. Hier eine kurze Zusammenfassung der Entwicklungen aus dem Jahr 2021:
- Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat mehrere verbraucherfreundliche Urteile in erster Instanz erstritten. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Einige Verfahren befinden sich an Oberlandesgerichten in der Berufung.
- Das Landgericht Nürnberg hat mit Entscheidung vom 9. Juli 2021 festgestellt, dass die Holding Stellantis in der Rechtsnachfolge von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) steht ( 19 O 737/21). Stellantis war Anfang des Jahres durch die Fusion von FCA und des französischen Konzerns PSA entstanden. Damit kann auch gegen Stellantis geklagt werden.
- Das Landgericht Stade verurteilte am 17. August 2021 den Händler eines Wohnmobils zur Zahlung von Schadensersatz, weil das Fahrzeug mangelhaft war ( 2 O 175/21). Der Halter kann sein Fahrzeug bei dem sogenannten kleinen Schadensersatz behalten. Den kleinen Schadensersatz hatte Dr Stoll & Sauer am Bundesgerichtshof in einem VW-Fall erstritten.
- Das Landgericht Oldenburg ordnete am 2. September 2021 die Neulieferung eines mangelfreien Wohnmobils an ( 4 O 767/21). Befindet sich ein Neufahrzeug in der zwei Jahre andauernden Gewährleistung, so wird neben FCA/Stellantis auch in der Regel der Händler verklagt. Der Bundesgerichtshof hatte im VW-Abgasskandal die Form der Neulieferung bestätigt.
- Das Landgericht Münster will beim KBA Auskunft über den Stand der Ermittlungen einholen.
- Das Landgericht Kempten stellt die Einholung eines Gutachten in Aussicht, falls FCA/Stellantis die Vorwürfe der Abgasmanipulation bestreitet. Dem sieht Dr. Stoll & Sauer gelassen entgegen. Mehrere Gutachten außerhalb von Gerichtsverfahren weisen derzeit darauf hin, dass Wohnmobile die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einhalten.
- Das Landgericht Flensburg sieht starke Indizien für eine unzulässige Abschalteinrichtung. Das Argument Motorschutz will das Gericht wohl nicht gelten lassen (Az. 4 O 232/21).
- Das Landgericht Saarbrücken lässt ein Gutachten zum Wohnmobil Columbus 640E von Westfalia einholen. Der Stickoxidausstoß soll überprüft werden (Az. 12 O 18/21).
- Das Landgericht Ansbach hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2021 ein Gutachten in Auftrage gegeben, das herausfinden soll, ob „in dem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen vorhanden sind“ (Az. 3 O 761/21).
- Das KBA hat im Februar 2021 einen Rückruf zum Iveco-Motor Daily erlassen – allerdings nicht verpflichtend. „Durch eine ungeeignete Software können Störungen auftreten, durch die sich die Verringerung von Stickoxiden gegebenenfalls verschlechtert“, heißt es im KBA-Deutsch. Der Daily-Motor ist in zahlreichen Wohnmobilen verbaut worden. Iveco gehört zum weitverzweigten Fiat-Imperium.
- Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat Informationen, wonach es bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt „amtsbekannt“ ist, dass Fiat-Motoren manipuliert worden sind.
- Das KBA hat durch eigene Untersuchungen festgestellt, dass Wohnmobile die Abgasgrenzwerte im realen Straßenverkehr nicht einhalten. Daher prüft die Behörde derzeit Konsequenzen. Nach EU-Recht hat das KBA sogar die Möglichkeit, betroffene Fahrzeuge stillzulegen.
- Mittlerweile versuchen Wohnmobilhändler sich außergerichtlich mit geschädigten Kunden zu einigen.