Das Geheimnis im Abgasskandal um das Thermofenster
Nach dem der Diesel-Abgasskandal 2015 an die Öffentlichkeit geriet, musste VW ein Software-Update auf mehrere Millionen manipulierte Fahrzeuge aufspielen. Die Manipulationssoftware im Skandalmotor EA189 verschwand so aus dem Computer des Fahrzeugs. Dadurch sollten die betroffenen Fahrzeuge, die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte einhalten. Soweit die Theorie: In der Praxis funktionierte die Abgasreinigung aber nur bei bestimmten Außentemperaturen. Das sogenannte Thermofenster sorgte dafür, dass bei Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad die Motoren wirklich sauber waren. Bei anderen Temperaturen stießen die Fahrzeuge unerlaubt viele Stickoxide aus. Die Durchschnittstemperaturen in Mitteleuropa liegen jedoch deutlich unter diesem Temperaturfenster.
Mit der Abschalteinrichtung wollen die Hersteller den Motor vor Schaden schützen. Der EuGH hat jedoch in anderen Diesel-Verfahren enge Grenzen beim Motorschutz gezogen. Überspitzt formuliert, muss das Fahrzeug schon der Gefahr ausgesetzt sein, dass es auseinanderfällt oder Gefahr für die Insassen besteht, um eine Abschalteinrichtung zur rechtfertigen. Die Versottungsgefahr des Motors – wie sie von den Autoherstellern gerne angeführt wird – gehört definitiv nicht zu den Gründen.
Der vorliegende Diesel-Fall stammt aus Österreich
Der EuGH befasst sich im vorliegenden Fall mit der Klage eines Österreichers. 2013 kaufte er ein VW-Fahrzeug mit dem nachweislich manipulierten Diesel-Motor des Typs EA189. 2017 wurde dem Auto das Software-Update, das auch vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) genehmigt wurde, aufgespielt. Wenig später ging der Verbraucher juristisch gegen VW vor und verlangte Schadensersatz. Während der Bundesgerichtshof (BGH) in Deutschland bereits im Mai 2020 VW zur entsprechenden Rückabwicklung des Autokaufs verurteilt hatte, steht ein solches Grundsatzurteil in Österreich noch aus. In Österreich sahen die Gerichte keine Ansprüche, das Update die Abgasreinigung normalisierte. Dass darin verwendete Thermofenster halten die Gerichte für gerechtfertigt, weil es den Motor vor Beschädigung schützt. Der Kläger hält das Software-Update für unzulässig. Der Oberste Gerichtshof in Österreich will vom EuGH das Thema Update geklärt haben.
VW-Fahrern könnte jetzt die Stilllegung im Abgasskandal drohen
Was passiert, wenn der EuGH wie erwartet Thermofenster und Software-Update für unzulässig und illegal erklärt? Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ist dann klar, dass der gesamte Abgasskandal neu aufgerollt werden muss. 2,4 Millionen Dieselfahrzeug sind mit dem EA 189 Motor unterwegs und mit dem Software-Update ausgerüstet worden. Letztlich wären die VW-Diesel mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf den Straßen unterwegs. In letzter Konsequenz droht die Stilllegung. Und auch in dem Nachfolgemodell des Skandalmotors – dem EA288 – befindet sich ein Thermofenster. Auch die meisten anderen Hersteller verwenden in ihren Dieseln diese Art der temperaturgesteuerten Abschalteinrichtung.
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer geht von einem verbraucherfreundlichen Urteil am EuGH aus und rät daher vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern, sich anwaltlich beraten zu lassen. Geschädigte müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben. Die Chancen stehen nach aktueller Rechtsprechung sehr gut. Im kostenfreien Online-Check lässt sich der richtige Weg aus dem Dieselskandal herausfinden. Wir prüfen Ihren konkreten Fall und geben Ihnen eine Ersteinschätzung, bevor wir uns auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigen.
Am EuGH bahnt sich eine neue Rechtsprechung im Dieselskandal an
Die juristische Aufarbeitung des Abgasskandals schien für viele Beobachter bereits abgeschlossen zu sein. Doch der Eindruck täuscht. Fiat Chrysler, Hyundai und Kia stecken aktuell im Dieselskandal erst am Anfang. VW mit dem Nachfolgemodell des Skandalmotors EA189 erlebt gerade mit dem EA288 Dieselgate 2.0. Außerdem sind die Chancen auf Schadensersatz für die Verbraucher enorm gestiegen. Am Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist ein weiteres Verfahren anhängig, in dem der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen am 2. Juni 2022 vorgeschlagen hat, dass Verbraucher im Abgasskandal generell Schadensersatz zustehen soll, sobald eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden ist (Az. C-134/20). Der Bundesgerichtshof, an dessen Vorgaben sich die Musterfeststellungsklage orientiert, verlangt ein vorsätzliches Handeln der Motorenhersteller. Darüber hinaus plädierte der Generalanwalt dafür, die Autohersteller so zu bestrafen, dass die Strafe Wirkung zeigt. Gerade die von Klägern zu zahlende Nutzungsentschädigung an die Autohersteller schmälert den Schadensersatz – frisst gar auf. Diese Vorgehensweise ist dem EuGH-Generalanwalt ein Dorn im Auge. Das Urteil wird mit Spannung erwartet, ob die Nutzungsentschädigung mit EU-Recht übereinstimmt.
In dem Verfahren am EuGH geht es um Mercedes, dort allerdings um die in den Dieselmotoren verbauten Thermofenster. In der Regel folgt der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts. Mit dem Urteil wird in drei bis fünf Monaten gerechnet. Letztlich bahnt sich eine neue Rechtsprechung an, der dann auch der BGH und die Oberlandesgerichte Rechnung tragen müssten. Der Diesel-Abgasskandal wäre dann aktueller denn je.