Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs überfällig
„Es wird höchste Zeit, dass sich der Europäische Gerichtshof zu wichtigen Fragen im Diesel-Abgasskandal äußert“, zeigte sich Dr. Ralf Stoll von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr über die Neuterminierung der Verhandlung erfreut. Ursprünglich sollte am 23. Januar 2020 der Schlussantrag gestellt werden. Der Termin war jedoch aus unbekannten Gründen verschoben worden. Die Notwendigkeit einer juristischen Klarstellung im europäischen Kontext, zeigt für Stoll alleine die Tatsache, dass sich die Autohersteller immer raffiniertere Abschalteinrichtungen ausdenken und damit europäisches Recht brechen. Die funktionieren mittlerweile anders als beim VW-Motor EA 189. Stoll: „Das Ergebnis ist aber das gleiche: EU-Recht wird gebrochen, die Luft verpestet und die Verbraucher geschädigt.“ Mittlerweile seien auch die Argumente für den Einbau von Abschalteinrichtungen absurd geworden. Die EU-Grenzwerte, so die Autohersteller, sollen nur auf dem Prüfstand gelten und nicht im Realbetrieb. „Aus welchen Grund sollte die EU Grenzwerte festlegen, die nur auf dem Prüfstand gelten?“, fragte Stoll rhetorisch. Er ist sich sicher, dass der EuGH, der als verbraucherfreundlich in seinen Urteilen gilt, auch im Abgasskandal für die Verbraucher entscheiden wird. Denn den Verbrauchern entsteht in jedem Fall durch minderwertige Fahrzeuge ein Schaden. „Hier sollte der Klageweg geprüft werden“, sagte Stoll. Im kostenfreien Online-Check (hier) der Kanzlei lässt sich der richtige Weg aus dem Diesel-Abgasskandal herausfinden. Die Fälle werden individuell geprüft, ehe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autohersteller einigt. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer gehört im Diesel-Abgasskandal zu den führenden in Deutschland und vertritt in einer Spezialgesellschaft rund 450.000 Verbraucher in der Musterfeststellungklage gegen VW.
Sieben Verfahren im Diesel-Abgasskandal vor dem EuGH
Mittlerweile sind sieben Verfahren im Diesel-Abgasskandal am EuGH anhängig – sechs aus Deutschland und eines aus Frankreich.
Landgericht Gera: Az. C 663/19 Az. C 759/19 Az. C 809/19 Az. C 808/19
Verwaltungsgericht Schleswig: Az. C 873/19
Landgericht Frankenthal: Az. C-685/19
Tribunal de grande instance de Paris: Az. C-693/18
Nicht nur am EuGH warten wichtige Fragen im Diesel-Abgasskandal auf Klärung. Auch am Bundesgerichtshof BGH ist der erste Termin in einem Verfahren gegen VW festgelegt worden. Am 5. Mai 2020 geht es um Themen wie Nutzungsentschädigung, Verjährung, Zinsen, und vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Nach Auskunft des Gerichts sind derzeit rund 200 Verfahren anhängig – und die Tendenz ist erheblich steigend. Sieben von den Verfahren stammen von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer.
Französisches Verfahren mit 1200 Nebenkläger gegen VW
Im Mittelpunkt des französischen Verfahrens (Az. C-693/18), steht die Abgasreinigung in einem VW-Motor vom Typ EA 189. Der Klage haben sich 1200 Nebenkläger angeschlossen. Autohersteller versuchen mit einem Rückführsystem bei der Abgasreinigung die Stickoxid-Emissionen zu senken. Die Rückführung der Abgase in den Verbrennungsprozess wird über ein Ventil geregelt. Untersuchungen von französischen Gutachtern haben ergeben, dass dieses Ventil nur im Prüfmodus dafür sorgt, dass die Abgaswerte und Zulassungsbedingungen erfüllt werden. Im normalen Fahrbetrieb hingegen kommt es zu einem erhöhten Stickoxid-Ausstoß. Die Fahrzeuge stellen eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier dar, heißt es in dem Ersuchen. Die Fahrzeuge hätten nicht die Zulassung erhalten dürfen, da sie die Abgasnormen im Normalbetrieb nicht eingehalten haben. Für die französische Justiz ist klar, dass laut der EG-Verordnung 715/2007 jeder Hersteller sein Fahrzeug mit der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 so konstruieren muss, dass die zulässigen Emissionswerte unter normalen Betriebsbedingungen eingehalten werden. Abschalteinrichtungen sind daher unzulässig. Außer sie dienen zum Schutz des Motors.
Im Kern des Verfahrens muss der EuGH nun zu folgenden Sachverhalten Stellung beziehen:
1. Hat der Autohersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung bei der Abgasrückführung verwendet?
2. Sind die Käufer dadurch über wesentliche Merkmale des Fahrzeugs getäuscht worden?
3. Hat die Abschalteinrichtung zu einem erhöhten Stickoxid-Ausstoß im realen Straßenverkehr geführt?
4. Welche Bedingungen müssen gelten, damit die Abschalteinrichtung zum Schutzes des Motors aktiviert werden darf?
Verwaltungsgericht Schleswig lässt VW-Software-Update prüfen
Bei der Vorlage des Verwaltungsgerichts Schleswig (Az. 3 A 113/18) geht es letztlich um die Zulässigkeit des Software-Updates, das die Volkswagen AG in vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 aufgespielt hat. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte gegen den Zulassungsbescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes KBA Klage eingereicht, weil sie das Update weiterhin für eine illegale Manipulation hält. Jetzt muss der EuGH entscheiden (Az. C 873/19).
Daimlers „Thermofenster“ im Diesel-Abgasskandal auf Prüfstand
Das Landgericht Frankenthal lässt die Abschaltvorrichtung „Thermofenster“ von der Daimler AG von den europäischen Richtern auf ihre Zulässigkeit überprüfen (Az. C 685/19). Ein Kläger vertritt die Auffassung, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verbaut worden ist. Die im Motor befindliche Steuerungssoftware greift unter anderem temperaturabhängig in die Abgasreinigung ein. Nur wenige Monate im Jahr funktioniert die Abgasreinigung normgerecht. Das Kraftfahrt-Bundesamt KBA hat diese von Daimler verwendete Technik jedoch noch nicht beanstandet. Und an diesem Punkt kommt europäisches Recht ins Spiel. Denn nur, wenn die genutzte Technik eine europarechtlich unzulässige Abschalteinrichtung ist, besteht ein Rückzahlungsanspruch des Klägers. Das Landgericht Frankenthal hält die Abschalteinrichtung auf den ersten Blick für unzulässig. Die temperaturabhängige Einwirkung auf die Abgasreinigung ist jedoch nach Europarecht ausnahmsweise dann zulässig, wenn sie notwendig ist, "um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten". Die Kammer will vom EuGH deshalb in einem Vorabentscheidungsersuchen (Az. C-685/19) vom 2. September 2019 Folgendes geklärt haben: Was bedeutet der Begriff "notwendig"? Welche Rolle spielt der technische Fortschritt? Muss immer die verfügbare Spitzentechnologie eingebaut werden? Ist eine Abschalteinrichtung zulässig, um die Wettbewerbsfähigkeit im Markt zu erhalten?
Vier Verfahren vom LG Gera im Diesel-Abgasskandal für EuGH
Das Landgericht Gera hat insgesamt vier Vorabentscheidung in VW-Verfahren zum EuGH entsandt (Az. C 633/19; C 759/19; C 809/19 und C 808/19). Im ersten Verfahren aus Gera (Az. C 633/19), das ans EuGH verwiesen wurde, will das Gericht wissen, ob die VW AG durch den Einbau einer illegalen Abschalteinrichtung ihre Pflichten bei der Einhaltung der Übereinstimmungsbescheinigung verletzt hat. Die Übereinstimmungsbescheinigung ist ein Dokument, das die EU-Normen für Kraftfahrzeuge und die EG-Typen-Zulassung bestimmt. Es wird vom Hersteller ausgestellt und gibt technische Details und Merkmale des Kraftfahrzeugs an. Die dort enthaltenen Angaben zu den Abgasgrenzwerten haben im Diesel-Abgasskandal mit der Realität jedoch nichts zu tun. Hat VW jetzt durch das falsche Ausstellen der Bescheinigung EU-Recht gebrochen, das auch den Käufer des Autos schützen soll? Wenn der EuGH das so sieht, ist VW nach Paragraph 826 BGB zu verurteilen – meint das Gericht in Gera. Außerdem soll Luxemburg für Gera die Frage ausloten, ob VW bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrags überhaupt eine Nutzungsentschädigung zusteht. Schließlich habe der Autohersteller zum Zweck der Kostensenkung und Gewinnmaximierung unter gleichzeitiger Verschaffung eines Wettbewerbsvorteils auf Kosten der ahnungslosen Kunden gegen seine europarechtlichen Pflichten verstoßen und seine Kunden getäuscht. Darf das honoriert werden? Eine zunehmende Anzahl von deutschen Gerichten haben VW diese Nutzungsentschädigung mittlerweile verweigert – mehr dazu hier.