Autoexperte Borgeest sieht Klagewelle im Benziner-Skandal
Das Auftauchen des Abgasskandals bei Benzinern hat Kai Borgeest, Leiter des Zentrums für Kfz-Elektronik und Verbrennungsmotoren an der Technischen Hochschule Aschaffenburg, nicht überrascht. „Mit der Einführung der Direkteinspritzung bei Ottomotoren konnte der Kraftstoffverbrauch gesenkt werden. Der Preis dafür sind erhöhte Partikel und Stickoxidemissionen, ähnlich einem Dieselmotor. Daher ist auch bei neueren Ottomotoren mit unzulässigen Abschalteinrichtungen zu rechnen“, sagte er im Interview mit der Schwäbischen Zeitung am 27. August 2020. Der Experte erklärt, warum die Autobauer auf diese Betrügerei zurückgreifen. Der Audi Q5 sei sehr träge. Um gut fahrbar zu bleiben, müssten die Gänge beim Automatikgetriebe so geschaltet werden, dass der Q5 maximal beschleunigen könne. „Die dabei entstehenden Abgase entsprechen nicht den gesetzlichen Vorschriften. Mit der Zykluserkennung hält das Fahrzeug auf dem Prüfstand die Grenzwerte und erreicht einen besseren Verbrauch als in der Realität“, so Borgeest weiter. Im Prüfstandmodus wäre der Audi aber nicht gut fahrbar. „Das werden manche Halter dann bemerken, wenn ein Software-Update angeordnet wird.“ In der Folge „werden viele zurecht ihr Geld zurückverlangen“, sieht Borgeest bereits jetzt eine neue enorme Klagewelle auf die Autoindustrie zukommen.
Der Leiter des Zentrums für Kfz-Elektronik und Verbrennungs-motoren an der Technischen Hochschule Aschaffenburg weist darauf hin, dass selbst das neue einheitliche Messverfahren WLTP eine Manipulation an den Motoren nicht verhindern wird. WLTP bedeutet so viel wie „weltweit harmonisiertes Testverfahren für leichtgewichtige Nutzfahrzeuge“ und beschreibt ein neues Prüfverfahren, das Schadstoffemissionen und Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs bestimmt. „Der neue Zyklus WLTP wird wie der alte Zyklus NEFZ auf einem Rollenprüfstand gefahren, eine unzulässige Zykluserkennung ist also immer noch möglich“, betonte Borgeest. WLTP hatte den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) abgelöst. Bei den ebenfalls neuen Messfahrten auf der Straße (RDE – Real Driving Emissions), meint Borgeest, dass diese für die Fahrzeuge schwieriger zu erkennen sein.
Mit RDE-Prüfverfahren erhoffen sich die Zulassungsbehörden mehr Auskunft über das tatsächliche Emissionsverhalten von Fahrzeugen im Betrieb auf der Straße. Das Verfahren gilt in der Europäischen Union seit September 2017. Das Fahrzeug wird im Freien auf einer Strecke gefahren und dort beschleunigt und abgebremst. Ein mitgeführtes mobiles Abgasmessgerät (Portable Emission Measurement System, kurz PEMS) ermittelt unter anderem die Partikelzahl und die Konzentration von Stickoxiden. Mittlerweile gibt es jedoch den Verdacht, dass die Fahrzeuge trotzdem erkennen, ob ein PEMS auf dem Auspuff angebracht worden ist. Auch hier sind Manipulationen durchaus denkbar.
Gutachten stellt Manipulation am Audi-Q5-Motor fest
Der Verdacht besteht schon lange, dass auch Benziner mit einer sogenannten "Abschalteinrichtung" von den Autobauern wie Audi ausgerüstet worden sind. In dem aktuellen Benziner-Verfahren vor dem Offenburger Landgericht führte daher ein unabhängiger Gerichtsgutachter am Audi Q5 verschiedene Abgastests durch. Die Abgaswerte zeigten deutliche Veränderungen, wenn vor dem Test das Lenkrad eingeschlagen wurde. Wie schon im Diesel-Abgasskandal erkennt das Fahrzeug, ob es sich auf dem Prüfstand befindet oder nicht. Bei dem Automatikgetriebe AL551 des Q5 funktioniert das offensichtlich durch den Lenkradeinschlag. Wenn sich die Reifen drehen wie auf einem Rollenprüfstand, aber das Lenkrad nicht bewegt wird, geht das Fahrzeug davon aus, dass es gerade einem Abgastest unterzogen wird. Dann schaltet die manipulierte Motorsteuerung in einen sauberen "Test-Modus". Zusammenfassend kommt das Gutachten zu einem vernichtenden Ergebnis: „Anhand objektiver Fakten können (…) keine belastbaren Angaben dazu gemacht werden, ob der Pkw der Klägerin Mark Audi Q5 (…) im vorgestellten Zustand dem Zustand der Auslieferung entspricht.“
Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ist daher klar, dass der Audi Q5 über eine illegale Abschalteinrichtung verfügt. Dr. Ralf Stoll zum Gutachten: "Aus meiner Sicht ist das Gutachten eindeutig. Der Schadstoffausstoß ist ohne Lenkwinkeleinschlag wesentlich geringer als mit Lenkwinkeleinschlag. Aus unserer Sicht handelt es sich um eine illegale Abschalteinrichtung." Die Verbraucher sind auch bei Benzinern getäuscht worden. Die Fahrzeuge sind im Wert eindeutig gemindert. Auch sind sie von einer behördlichen Stilllegung bedroht, weil sie nicht der Typengenehmigung entsprechen. Die Verbraucher sind geschädigt und haben Anspruch auf Schadensersatz.
Ergebnisse des Audi 5 Gutachtens vom 9. Juli 2020:
- Der Ausstoß an Stickoxiden stieg bei Lenkradeinschlag um 24,5 Prozent an.
- Der Ausstoß an Kohlenmonoxid stieg bei Lenkradeinschlag um 59 Prozent an.
- Der Ausstoß an Stickoxiden lag bei mehr als 80 mg/km - und damit über dem Grenzwert für Euro 6 Benziner von 60 mg/km. Zudem lag der Ausstoß an Stickoxiden 301 Prozent über den Herstellerangaben von Audi.
- Der von Audi angegebene Spritverbrauch wird ebenfalls nicht eingehalten.
- Der Lenkradeinschlag wirkt sich auf die Steuerungssoftware des Fahrzeugs aus.
- Das Fahrzeug erkennt, ob es sich auf einem Prüfstand befindet.