Auch Wohnmobile mit AdBlue im Abgasskandal verwickelt
Die Enthüllungen von Dokumenten des Automobilzulieferers Bosch werden auch Auswirkungen auf die juristische Aufarbeitung des Abgasskandals haben. VW, Mercedes, Audi, Porsche, Opel, BMW, Toyota und Fiat können sich nicht mehr herausreden, nichts von illegalen Abschalteinrichtungen gewusst zu haben. Die Autohersteller bestellten bei Bosch Software und wussten von deren illegalen Auswirkungen auf die Abgasreinigung. Mit von der Partie ist auch Fiat Chrysler. Seit Sommer 2022 ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen des Verdachts der Abgasmanipulation gegen FCA. Vor allem die Wohnmobilbranche ist im Skandal involviert. Die meisten Wohnmobile sind mit einem Fiat Ducato als Basisfahrzeug ausgestattet. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat bereits 3500 Klagen gegen FCA eingereicht. Die WoMo-Freunde gingen bisher davon aus, dass Motoren mit AdBlue-Einspritzung die gesetzlichen Abgasgrenzwerte korrekt einhalten. Die Bosch-Unterlagen erzählen nun eine andere Geschichte. FCA bestellte mehrere Abschalteinrichtungen. Neu ist, dass auch Fahrzeuge mit SCR-Katalysator, also Harnstofflösung wie AdBlue betroffen sind. Das erweitert nach Ansicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer den Skandal bei Fiat. Die Belege sind eindeutig. Fiat hat die Abschalteinrichtungen bewusst und vorsätzlich verwendet. Der Autobauer hat sich nicht über die (Il)legalität der Software geirrt, wie immer wieder behauptet wird. Aus den Bosch-Unterlagen geht sogar hervor, dass eine Manipulation des On-Board-Diagnose-Systems in Auftrag gegeben wurde, damit die Abschalteinrichtungen bei der ASU-Untersuchung nicht zum Vorschein kommen. Im Ergebnis sind die Aussichten erheblich gestiegen, vor Gericht eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachzuweisen.
Was haben die Enthüllungen im Detail hervorgebracht?
Die Geschichte des Diesel-Abgasskandals muss nach den Enthüllungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) neu geschrieben werden. Die Unterlagen erhielt die Umwelthilfe im Sommer aus der Industrie zugespielt. „Dieselgate ist das Ergebnis einer Auftragsarbeit“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch am 17. November bei der Vorstellung der Unterlagen in Berlin. Er sprach von einem Kartell der Autohersteller. Bosch habe die illegalen Wünsche dann umgesetzt. Die Unterlagen sind vor Gericht in den Diesel-Verfahren von hoher Relevanz. Durch die Bosch-Dokumente ist klar, dass die Hersteller sich nicht darüber geirrt haben, dass der Einsatz der Abschalteinrichtungen illegal sei, wie sie es gebetsmühlenartig in den Prozessen vorbringen. Was steht in den Bosch-Unterlagen konkret:
- Seit 2006 hat die Automobilindustrie die Abgasmanipulation geplant. 44 der sogenannten illegalen Abschalteinrichtungen wurden nachweislich bei Bosch bestellt.
- Bosch hat die Hersteller über die Illegalität der Software informiert. Nicht nur VW, Mercedes, Audi, Porsche, Opel und BMW haben Software zur Abgasmanipulation bei Bosch bestellt, auch Fiat und Toyota gehörten zur Kundschaft.
- Selbst bei den scheinbar sauberen AdBlue-Motoren manipulieren die Hersteller die Abgasreinigung.
- Damit ist offensichtlich die komplette Dieselflotte auf deutschen Straßen illegal unterwegs. Ihnen müsste die Fahrerlaubnis entzogen werden – die Stilllegung droht.
- Und noch etwas hat sich herausgestellt: Die Autobauer manipulieren mit Hilfe einer Software auch Benzinmotoren.
- Ein weiterer spannender Aspekt: Bosch soll darauf hingewiesen haben, dass der Einbau behördlich abgesprochen werden müsse, weil er illegal sei. Ob und wie die Absprachen ausgesehen haben könnten, müsse jetzt genau geklärt werden. Aus Sicht der Kanzlei Stoll & Sauer muss der Abgasskandal in jedem Fall neu aufgerollt und die Rolle des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) und des Bundesverkehrsministeriums neu bewertet werden.