Erstes FCA-Verfahren liegt bereits am OLG Karlsruhe
Die juristische Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals bei FCA schreitet voran. Ein erstes Verfahren der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer befindet sich bereits in der Berufung am Oberlandesgericht Karlsruhe. Das Landgericht Koblenz hat jetzt FCA erstmals verurteilt. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst das Urteil kurz zusammen:
- Der Kläger kaufte am 23. Mai 2017 ein Wohnmobil des Herstellers Roller Team. Das Modell Zefiro 266TL ist mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 150 PS der Euronorm 6 ausgestattet.
- Der Motor ist so konstruiert worden, dass die gesetzlich vorgeschriebene Abgasnachbehandlung ca. 22 Minuten nach jedem Motorstart deaktiviert wird. Da der Testlauf auf einem Abgasprüfstand nur ca. 20 Minuten andauert, führt die Deaktivierung der Abgasnachbehandlung dazu, dass in der Prüfungssituation der Anschein vermittelt wird, das Fahrzeug würde den für Fahrzeuge der Euro-6-Klasse gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrenzwerten für NOx-Mengen (80mg/km) genügen. Tatsächlich beträgt das reale Abgas-Emissionsverhalten insgesamt das 9- bis 15-Fache und übersteigt somit beträchtlich die Grenzwerte, die bei 80 Milligramm pro Kilometer liegen.
- Das Gericht folgte dem Antrag des Klägers. Dem Verbraucher steht gegen FCA ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB zu. FCA hat gegen die guten Sitten verstoßen und dem Verbraucher vorsätzlich Schaden zugefügt. FCA ist zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.
- FCA muss 52.484,12 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit bezahlen. Im Gegenzug stellt der Kläger das Wohnmobil zur Verfügung.
- Der Verbraucher muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.
- Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Diesel-Abgasskandal bei Fiat-Chrysler (jetzt Stellantis) und Iveco verunsichern die Verbraucher gerade im Segment der Reise- und Wohnmobile. Für die kostspieligen Freizeitfahrzeuge ist jahrelang gespart worden. Seit Juli 2020 ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen des Verdachts des Betrugs. Die Abgasreinigung der Motoren soll vergleichbar wie beim Diesel-Abgasskandal der Volkswagen AG manipuliert worden sein. Das Landgericht Freiburg hat zwar die erste Klage gegen Fiat-Chrysler abgewiesen, aber das Landgericht Koblenz steht auf Verbraucherseite. Die Camper fragen sich nun zurecht, wie stehen tatsächlich die Chancen vor Gericht. Braucht es einen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), um erfolgreich juristisch Schadensersatz einzuklagen?
Die Verbraucher-Kanzlei Dr. Stoll & Sauer macht klar, dass die Chancen sehr gutstehen, Autobauer vor deutschen Gerichten zur Rechenschaft zu ziehen und auch den Händler in der Gewährleistungsfrist zur Rücknahme des Fahrzeugs zu bewegen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem verbraucherfreundlichen Beschluss bereits am 28. Januar 2020 (Az. VIII ZR 57/19) den Weg dazu bereitet. Das OLG Celle hat ganz aktuell am 17. Februar 2021 in einem Beschluss ebenfalls die Sichtweise des obersten Gerichts unterstrichen (Az. 7 U 20/20). Hier die aktuelle Rechtsprechung von Dr. Stoll & Sauer kurz zusammengefasst:
- Eine Rückabwicklung eines Kaufvertrags in der Gewährleistung ist möglich, wenn das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung ausgestattet ist. Die unzulässige Abschaltvorrichtung ist ein Mangel am Fahrzeug. Zum Beweis ist nicht einmal ein Rückruf des KBA notwendig. Denn der BGH vertritt die Auffassung, dass „greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erst dann gegeben (sind), wenn das Kraftfahrtbundesamt (…) eine Rückrufaktion angeordnet hat. Die Gewährleistung dauert bei Neufahrzeugen zwei Jahre ab Übergabe des Fahrzeugs.
- Doch wie lässt sich der Sachmangel „unzulässige Abschalteinrichtung“ nachweisen? Für die schlüssige Darlegung eines solchen Mangels ist also nach der Rechtsprechung des BGH nicht einmal das Vorliegen einer Umrüstungsanordnung durch das Kraftfahrtbundesamt erforderlich. Natürlich braucht es einen substantiierten Klägervortrag. Doch gerade bei Fiat-Chrysler gibt es genügend Hinweise und Untersuchungen, die den Verdacht auf unzulässige Abschalteinrichtungen mehr als erhärtet haben.
- Wie sieht der BGH das Thema Mangel? Die Manipulation an der Abgasreinigung kann dazu führen, „dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung vornimmt, weil das Fahrzeug wegen einer gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entspricht“. Also: Die mögliche Stilllegung des Fahrzeugs aufgrund einer unzulässigen Abgasmanipulation genügt, damit ein Mangel festgestellt werden kann.
- Hat der Autobauer durch falsche oder unvollständige Angaben die Typgenehmigung für das Fahrzeug erschlichen, liegt eine Täuschung des Verbrauchers vor. So hat der BGH im ersten VW-Verfahren am 25. Mai 2020 (Az. VI ZR 252/19) entschieden und VW wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.