ADAC trödelte bei der Beurteilung der Deckungsanfrage
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die wichtigsten Eckdaten und Einschätzungen des Verfahrens kurz zusammen:
- Am 14. August 2015 erwarb der Kläger einen dieselbetriebenen Porsche Cayenne 3.0 TDI als Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von 57.999 Euro. Hersteller des in dem Fahrzeug eingebauten Motors 3,0 V-TDI ist die Audi AG, wobei streitig ist, ob der Motor die Kennung EA 897 oder EA 896 Gen2 aufweist. Das Fahrzeug besitzt die Abgasnorm Euro 5.
- Zu dem Fahrzeug liegt ein behördlicher Rückruf vor. Als Porsche im März 2020 ein freiwilliges Software-Update für den Motor anbot, entschied sich der Verbraucher für eine Klage gegen Audi. Der ADAC lehnt im Juni 2020 die beantragte Deckungszusage für die erste Instanz aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten ab.
- Der Vorwurf hat es in sich und wurde vom ADAC ignoriert: Im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs soll die Audi AG mindestens eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut haben. Diese sei bewusst und in Kenntnis des Vorstandes eingesetzt worden. Aufgrund von Messergebnissen der Deutschen Umwelthilfe und der Ergebnisse des Untersuchungsberichts zum Volkswagen-Abgasskandal vom 22. April 2016 kann der Rückschluss gezogen werden, dass in dem Fahrzeug neben dem sogenannten Thermofenster eine Lenkwinkelerkennung verbaut sei. Auch eine Aufheizstrategie werde verwendet. Durch die Motorsteuerungssoftware würden im praktischen Fahrbetrieb - im Vergleich zum Prüfstand – die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten.
- Weitere Anhaltspunkte für den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen im Fahrzeug sind Rückrufe des Kraftfahrtbundesamtes für andere Fahrzeugmodelle mit dem streitgegenständlichen Motor, die gegen die Audi AG von der Staatsanwaltschaft München verhängte Geldbuße in Höhe von 800 Millionen Euro und Klageschriften aus den USA.
- Das Gericht äußerte sich jetzt nicht zur Sachlage und dem Diesel-Abgasskandal. Die Deckungsablehnung des ADAC erfolgte nach Ansicht des Landgerichts nicht unverzüglich. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bedeutet „unverzüglich“ eine Bearbeitungszeit von zwei bis drei Wochen (BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15). Das Gericht sah keine Anhaltspunkte, die eine über drei Wochen hinausgehende Prüfungszeit rechtfertigen würden. Daher muss der ADAC die Klage decken.
Wirken sich Geständnisse im Stadler-Prozess auf Diesel-Klagen aus?
Im Diesel-Abgasskandal überschlagen sich derzeit die Ereignisse. Das hat auch Auswirkungen auf den vorliegenden Fall der Klage gegen Audi. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat verbraucherfreundlich entschieden. Diesel-Klagen werden erleichtert. Unterm Strich kann wohl gegen alle Hersteller von Dieselfahrzeugen, Ansprüche auf Schadensersatz geltend gemacht werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) positioniert sich neu und will eine neue Art von Schadensersatz mit kommendem Urteil vom 26. Juni 2023 einführen.
Und in diese Diskussion platzt der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler am Landgericht München II mit seinem Geständnis im Diesel-Prozess. Den Vorwurf des Betrugs hat Ex-Audi-Boss Stadler gestanden. Die spannende Frage für betroffene Verbraucher ist jetzt: Was bedeutet das erste Geständnis aus der Vorstandsetage des VW-Konzerns für Diesel-Klagen? Auf drei Punkte wollen wir Sie aufmerksam machen:
- Durch Stadlers Geständnis ist der Beweis für das betrügerische und sittenwidrige Handeln eines Verantwortlichen erbracht. Das wird auch Auswirkungen auf die laufenden Verfahren gegen Audi haben. Unsere Kanzlei hat noch knapp 1000 Verfahren gegen Audi anhängig. Hier sind die Chancen auf Schadensersatz durch das Geständnis enorm gestiegen.
- In Braunschweig ist auch noch das Verfahren unter anderem gegen den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn anhängig. Er war der Vorgänger von Stadler bei Audi. Audi gilt als die Keimzelle des Abgasskandals. Wenn Stadler vom Abgasskandal gewusst hat, warum sollte Winterkorn dann ahnungslos gewesen sein. Keine Frage, es wird eng für den ehemaligen VW-Patriarchen. Die Schlinge zieht sich langsam zu.
- Interessant ist in dem Stadler Prozess in München auch das Geständnis von Wolfgang Hatz – dem Allrounder im VW-Konzern. Er war nicht nur bei Audi, sondern auch bei Porsche tätig. Porsche ist bisher glimpflich im Abgasskandal davongekommen. Vor Gericht behaupteten die Porsche-Anwälte stets, dass die entsprechenden Motoren von Audi geliefert worden waren und der Vorstand daher von der Manipulation keine Kenntnisse besaß. Doch jetzt ist plötzlich der ehemalige Porsche-Vorstand Hatz geständig. Auch bei Porsche müssen neue Optionen auf Schadensersatz geprüft werden.