Landgericht Dortmund sieht Sittenwidrigkeit bei Fiat Chrysler
Ein erneutes verbraucherfreundliches Urteil hat das Landgericht Dortmund am 3. Mai 2022 gegen FCA gesprochen (Az. 3 O 542/20). Bei dem von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer erstrittenen Urteil handelt es sich nicht um ein Versäumnisurteil. FCA hatte sich der Klage gestellt und sich geäußert. Das Gericht machte klar, dass dem Verbraucher durch Fiat Chrysler ein Schaden entstanden ist. Hier die wichtigsten Fakten zum Urteil am Landgericht Dortmund:
- Der Kläger kaufte im Juli 2016 das Wohnmobil „T477“ des Herstellers Carado für 58.592 Euro. Das Fahrzeug ist mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 130 PS ausgestattet und verfügt über die Abgasnorm Euro 5b. Motorkennung: F1AE3481D. Der Kläger finanzierte das Fahrzeug und leistete eine Anzahlung.
- Das Gericht folgte in wichtigen Punkten den Anträgen der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer und verurteilte FCA nach §826 BGB aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 26.952 Euro. Bis Februar 2022 hatte der Verbraucher für das Wohnmobil 34.902 Euro ausgegeben. Enthalten in der Summe waren auch sogenannte Auf- und Ausbauten. Der Verbraucher muss das Fahrzeug im Gegenzug zurückgeben.
- Der Kläger hat aus Sicht des Gerichts schlüssig vorgetragen, dass Fiat Chrysler im Basisfahrzeug des Wohnmobils T477 von Carado eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut hat, die dazu führt, dass die Abgaswerte auf dem Prüfstand auf das gesetzlich vorgeschriebene Maß optimiert werden. Im realen Straßenbetrieb wird dann die Umwelt verpestet und die Gesundheit der Menschen gefährdet. Die Abgasreinigung wird durch eine sogenannte Zeitschaltuhr nach rund 22 Minuten ausgeschalten. Das Gericht wertete diese Zeitschaltuhr als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) 2007/15. Nach EU-Recht dürfen unter normalen Betriebsbedingungen die gesetzlichen Abgas-Grenzwerte nicht überschritten werden.
- Die Fiat-Anwälte seien dem Vorwurf der Abgasmanipulation nicht substantiiert entgegengetreten und hätten sich auf das bloße Bestreiten zurückgezogen.
- Dass der Motor des Wohnmobils eine Typgenehmigung der italienischen Zulassungsbehörde besitzt, war für das Gericht kein Argument, die Klage abzulehnen. Eine sogenannte Tatbestandswirkung für die Typgenehmigung sah das Gericht nicht. Die entfällt, wenn die Genehmigung „arglistig oder jedenfalls mit falschen oder unrichtigen Angaben erwirkt worden ist“. Die Typgenehmigung der italienischen Behörde hätte aus Sicht des Gerichts nicht erfolgen dürfen. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte in einem Schreiben vom 8. Mai 2020 die Zeitschaltuhr aus einem ähnlichen Motor als unzulässige Abschalteinrichtung bezeichnet.
- Dem Kläger ist aus Sicht des Gerichts beim Kauf ein Schaden entstanden. Das Gericht machte deutlich, dass dem Fahrzeug durch die Abschalteinrichtungen jeder Zeit die Zulassung entzogen werden könne und daher eine Stilllegung drohe. Der Bundesgerichtshof hat deutlich gemacht, dass alleine die Möglichkeit einer Stilllegung genügt, um dem Verbraucher einen Schaden zuzufügen.
- Das Gericht ging von der Gesamtlaufleistung des Motors von 250.000 Kilometern aus. Der Kläger muss sich eine Nutzungsentschädigung für das Fahrzeug anrechnen lassen.
- Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.