Landgericht Saarbrücken sieht keine Verjährung beim Fiat-Skandal
Fiat-Kunden und Camper stehen seit dem Sommer 2020 unter Schock. Damals durchsuchten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Frankfurt Büroräume von FCA und Iveco – beide gehören zum Fiat-Imperium. „Frankfurt: Durchsuchungen wegen des Verdachts des Betruges im Zusammenhang mit Diesel-Abschalteinrichtungen“, titelte die Staatsanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung vom 22. Juli 2020. Ganz offensichtlich hat auch der Autokonzern Fiat wie die Volkswagen AG den Verbrauchern einen ausgewachsenen Diesel-Abgasskandal beschert. Die Abgasreinigung der Motoren soll so manipuliert werden, dass die EU-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Im realen Straßenverkehr wird die Umwelt verpestet und die Gesundheit der Bürger gefährdet. Weil Fiat und Iveco Fahrgestelle und Motoren an Herstellern von Reise- und Wohnmobilen verkaufen, hielt der Abgasskandal somit Einzug in die gerade durch die Corona-Pandemie boomende Branche.
Mittlerweile hat die Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Sauer weit über 1000 Klagen im Fiat-Abgasskandal an deutschen Gerichten eingereicht. Erste verbraucherfreundliche Urteile konnten bereits erstritten werden. Die juristische Aufarbeitung des Skandals ist im vollem Gang. Das Landgericht Saarbrücken hat am 2. Juni 2022 einen Beweisbeschluss gefasst. Ein Sachverständiger soll klären, ob eine Zeitschaltuhr die Abgasreinigung im Ducato-Motor nach 22 Minuten abschaltet. Hier die Eckdaten zum vorliegenden Verfahren, das von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer geführt wird:
- Im September 2015 kaufte der Kläger das Fahrzeug der Marke Carado T334 für 48.750 Euro. Beim Motor handelt es sich um ein Multijet 2,3l mit 130 PS der Abgasnorm Euro 5b. Motorkennung: F1AE3481D. Mit Klage vom 21. Juni 2021 soll das Landgericht Saarbrücken feststellen, ob dem Kläger durch den Diesel-Abgasskandal ein Schaden entstanden ist und FCA dafür haftet. Darüber hinaus wird Fiat auf Rücknahme des Fahrzeugs verklagt. Dabei erhält der Verbraucher den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurück und gibt sein Wohnmobil ab.
- Mit Beschluss vom 2. Juni 2022 lässt das Landgericht Saarbrücken folgenden Vorwurf der Abgasmanipulation klären: „Es soll Beweis erhoben werden über die Behauptung des Klägers, im Motor des Basisfahrzeugs Fiat Ducato des Wohnmobils Carado T 334 werde die Abgasrückführung etwa 22 Minuten nach Motorstart unter Prüfstandsbedingungen und bei einer Abweichung von diesen Bedingungen nach Motorstart von mehr als 15 Sekunden deaktiviert, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.“
- Der Sachverständige soll die Untersuchung an einem Prüfstand durchführen und den Motor länger als 22 Minuten laufen lassen. Auch Abgastests im realen Straßenbetrieb sollen durchgeführt werden. So soll letztlich herausgefunden werden, ob die Abgasreinigung sich nach rund 22 Minuten ausschaltet.
- In dem Beschluss gibt das Gericht auch Hinweise auf seine rechtliche Würdigung. Die Kammer gibt zu verstehen, dass der Kläger „hinreichend zu den Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) (…) vorgetragen“ hat. Fiat Chrysler trifft daher die sogenannte sekundäre Darlegungslast. Der Autobauer muss jetzt die Vorwürfe entkräften. Bloßes Bestreiten wird nicht genügen. Dem berechtigten Anspruch des Klägers steht auch die von der italienischen Typgenehmigungsbehörde (MIT) für das Fahrzeug erteilte Typgenehmigung nicht entgegen, betonte das Gericht. Wenn die Genehmigung arglistig erschlichen worden sei, habe sie keine Tatbestandswirkung.
- Auch sieht die Kammer keine eingetretene Verjährung. Es „fehlen hinreichende Anhaltspunkte der grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers“, so das Gerichts. Sprich 2017 hätte der Verbraucher vom Abgasskandal keine Kenntnisse haben müssen.
- Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer geht davon aus, dass das Gutachten das Vorhandensein der Zeitschaltuhr bestätigt. Die Robert Bosch GmbH hat gegenüber der Behörde zugestanden, Abschalteinrichtungen an Fiat geliefert zu haben. Außerdem hat Fiat in einem Verfahren der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer die Zeitabschaltung in der Abgasreinigung bestätigt. Zudem zeigen mehrere Gutachten außerhalb von Gerichtsverfahren, dass Wohnmobile die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einhalten.