Erstes FCA-Verfahren liegt bereits am OLG Karlsruhe
Das Landgericht Stade treibt die juristische Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals bei FCA mit einem vierten Urteil weiter voran. Die zweite Kammer des Landgerichts hatte gegen FCA/Stellantis bereits drei Versäumnisurteile gefällt (Az. 2 O 12/21, 2 O 33/21 und 2 O 15/21). Alle drei Urteile hat Dr. Stoll & Sauer erstritten. Ein weiteres Verfahren der Kanzlei befindet sich in der Berufung am Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. 14 O 333/20). Außerdem hat das Landgericht Koblenz am 1. März 2021 FCA wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (Az. 12 O 316/20). Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst das aktuelle Urteil vom Landgericht Stade kurz zusammen:
- Der Kläger kaufte im November 2017 ein Wohnmobil des Herstellers Carado für 50.710,60 Euro. Das Modell T337 ist mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 150 PS der Euronorm 6b ausgestattet.
- Die Multijet-Motoren sind nach Ansicht der Kanzlei so konstruiert worden, dass die gesetzlich vorgeschriebene Abgasnachbehandlung ca. 22 Minuten nach jedem Motorstart deaktiviert wird. Da der Testlauf auf einem Abgasprüfstand nur ca. 20 Minuten andauert, führt die Deaktivierung der Abgasnachbehandlung dazu, dass in der Prüfungssituation der Anschein vermittelt wird, das Fahrzeug würde den für Fahrzeuge der Euro-6-Klasse gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrenzwert für NOx-Mengen genügen. Tatsächlich beträgt das reale Abgas-Emissionsverhalten insgesamt das 19-Fache und übersteigt somit beträchtlich den Grenzwert.
- Das Gericht folgte dem Antrag des Klägers. FCA/Stellantis ist verpflichtet, dem klagenden Verbraucher Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren. Den Streitwert legte das Gericht auf 50.710,60 Euro fest.
- Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Rechtsprechung im Dieselskandal von Fiat-Chrysler steht zwar noch am Anfang, aber vor den Gerichten lässt sich genügend Substanz vortragen, damit Fiat-Chrysler und Iveco verurteilt werden. Die Beweise sind erdrückend. Dr. Stoll & Sauer liegen Unterlagen aus dem Kraftfahrt-Bundesamt und Abgasgutachten zu Fiat-Motoren vor. Für die Verbraucher-Kanzlei steht aufgrund dessen außer Frage, dass Fiat und Iveco Motoren auf unzulässige Weise manipulieren. Hier Daten und Fakten zum Fiat-Komplex im Abgasskandal:
- In den USA klagten bereits 2015 Investoren wegen angeblich irreführender Angaben zu Dieselabgasen gegen FCA. Das Unternehmen hat sich bereits verglichen.
- Im Frühjahr 2016 deckte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) den Abgasskandal bei FCA auf. Der Fiat 500X Euro 6 sprengte mit 1777 mg/km Stickoxid alle Normen. Euro 6 erlaubt einen Ausstoß von 80 mg/km Stickoxid.
- Das von der DUH informierte Kraftfahrt-Bundesamt überprüfte nun ebenfalls Fiat-Fahrzeuge. Im April 2016 fiel neben dem Fiat 500X auch der Fiat Ducato Euro 5 negativ auf. Der Ducato dient als Basisfahrzeug für die Reise- und Wohnmobilbranche.
- Wenig später informierte die Bosch GmbH das Bundesverkehrsministerium darüber, dass der Autozulieferer an Fiat unzulässige Abschalteinrichtungen geliefert hatte.
- Das KBA beabsichtigte, die Typgenehmigung für Reise- und Wohnmobile mit Fiat-Motoren zu verweigern. Am 25. Mai 2016 intervenierte die Geschäftsleitung von Knaus Tabbert brieflich beim damaligen CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer und bat um eine Lösung des Problems. Am 14. Juni 2016 wurde das KBA gestoppt und die Reise- und Wohnmobile erhielten wieder eine Genehmigung. Die deutschen Hersteller sollten keine Nachteile durch eine Fahrzeugtechnik erleiden, die sie nicht zu verantworten hatten.
- Im Mai 2017 leitete die EU-Kommission aufgrund des Fiat 500X ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die italienische Regierung ein. Im Fiat 500x ist ein Multijet-Motor verbaut – also wie in den Wohnmobilen auch.
- 2017 begannen Ermittlungen in den USA gegen den Konzern. Die US-Umweltbehörde EPA fand acht Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen mit Fiat-Motoren. Um Klagen beizulegen, zahlte FCA im Januar 2019 mehr als 500 Millionen Dollar (434 Millionen Euro). Zudem musste FCA rund 300 Millionen Dollar für Entschädigungen von US-Autobesitzern sowie Rückrufe und Reparaturen von Dieselwagen bezahlen.
- Am 17. Mai 2018 reichte die EU-Kommission vor dem EuGH Klage unter anderem gegen Italien ein. Deutschland, Italien, Luxemburg und das Vereinigte Königreich sollen die EU-Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen missachtet haben.
- Am 22. Juli 2020 kam es durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt zu Durchsuchungen von Büroräumen bei FCA in Deutschland, Italien und der Schweiz. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen den Konzern wegen Betrugs. Betroffen sind Multijet-Motoren der Abgasnormen Euro 5 und 6 der Baujahre 2014 bis 2019.
- Der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer liegen drei Gutachten vor, die belegen, dass bei Wohnmobilen mit Euro-5- und Euro-6-Motoren die Abgasreinigung im normalen Straßenverkehr nicht funktioniert. Der Motor mit der Abgasnorm Euro 6 überbot den gesetzlichen Grenzwert um den Faktor 19.
- Für die ermittelnde Staatsanwaltschaft Frankfurt ist mittlerweile offensichtlich klar, dass FCA-Motoren der Abgasnormen Euro 5 und 6 mit Abschalteinrichtungen manipuliert werden. Sie seien „amtsbekannt“, heißt es in einem Schreiben der Ermittlungsbehörde, die der Kanzlei vorliegt.
Der Diesel-Abgasskandal bei Fiat-Chrysler (jetzt Stellantis) und Iveco verunsichern die Verbraucher gerade im Segment der Reise- und Wohnmobile. Für die kostspieligen Freizeitfahrzeuge ist jahrelang gespart worden. Seit Juli 2020 ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen des Verdachts des Betrugs. Die Abgasreinigung der Motoren soll vergleichbar wie beim Diesel-Abgasskandal der Volkswagen AG manipuliert worden sein. Die Rechtsprechung steht noch am Anfang bei der juristischen Aufarbeitung. Die Camper fragen sich, wie stehen tatsächlich die Chancen vor Gericht. Braucht es einen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), um erfolgreich juristisch Schadensersatz einzuklagen?
Die Verbraucher-Kanzlei Dr. Stoll & Sauer macht klar, dass die Chancen sehr gutstehen, Autobauer vor deutschen Gerichten zur Rechenschaft zu ziehen und auch den Händler in der Gewährleistungsfrist zur Rücknahme des Fahrzeugs zu bewegen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem verbraucherfreundlichen Beschluss bereits am 28. Januar 2020 (Az. VIII ZR 57/19) den Weg dazu bereitet. Das OLG Celle hat ganz aktuell am 17. Februar 2021 in einem Beschluss ebenfalls die Sichtweise des obersten Gerichts unterstrichen (Az. 7 U 20/20). Hier die aktuelle Rechtsprechung von Dr. Stoll & Sauer kurz zusammengefasst:
- Eine Rückabwicklung eines Kaufvertrags in der Gewährleistung ist möglich, wenn das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung ausgestattet ist. Die unzulässige Abschaltvorrichtung ist ein Mangel am Fahrzeug. Zum Beweis ist nicht einmal ein Rückruf des KBA notwendig. Denn der BGH vertritt die Auffassung, dass „greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erst dann gegeben (sind), wenn das Kraftfahrtbundesamt (…) eine Rückrufaktion angeordnet hat. Die Gewährleistung dauert bei Neufahrzeugen zwei Jahre ab Übergabe des Fahrzeugs.
- Doch wie lässt sich der Sachmangel „unzulässige Abschalteinrichtung“ nachweisen? Für die schlüssige Darlegung eines solchen Mangels ist also nach der Rechtsprechung des BGH nicht einmal das Vorliegen einer Umrüstungsanordnung durch das Kraftfahrtbundesamt erforderlich. Natürlich braucht es einen substantiierten Klägervortrag. Doch gerade bei Fiat-Chrysler gibt es genügend Hinweise und Untersuchungen, die den Verdacht auf unzulässige Abschalteinrichtungen mehr als erhärtet haben.
- Wie sieht der BGH das Thema Mangel? Die Manipulation an der Abgasreinigung kann dazu führen, „dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung vornimmt, weil das Fahrzeug wegen einer gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entspricht“. Also: Die mögliche Stilllegung des Fahrzeugs aufgrund einer unzulässigen Abgasmanipulation genügt, damit ein Mangel festgestellt werden kann.
- Hat der Autobauer durch falsche oder unvollständige Angaben die Typgenehmigung für das Fahrzeug erschlichen, liegt eine Täuschung des Verbrauchers vor. So hat der BGH im ersten VW-Verfahren am 25. Mai 2020 (Az. VI ZR 252/19) entschieden und VW wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.