OLG Oldenburg weist VW erneut in die Schranken / Verurteilung wegen „sittenwidriger Schädigung“
Der 13. Zivilsenat am Oberlandesgericht Oldenburg hat die VW AG erneut wegen „vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung“ nach Paragraph 826 BGB verurteilt (Az. 13 U73/19). Der Käufer eines VW Tiguan kann das Fahrzeug zurückgeben und den Kaufpreis zurückverlangen. Allerdings muss er eine Nutzungsentschädigung an Volkswagen bezahlen. Bereits der 5. Zivilsenat hatte Anfang Oktober (Az. 5 U47/19) aufgrund von Paragraph 826 BGB verurteilt. Allerdings gibt es am Gericht zwei Meinungen darüber, ob VW noch Zinsen an die Kläger bezahlen muss.
Kann man im Diesel-Abgasskandal immer noch gegen VW klagen?
„Nach wie vor ist es im Diesel-Abgasskandal möglich, gegen Volkswagen juristisch vorzugehen“, bewertet Dr. Ralf Stoll von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr das erneute Urteil des OLG Oldenburg. Es stehen den Geschädigten unterschiedliche Klagemöglichkeiten zu. Der Kaufvertrag könne rückabgewickelt oder gemindert werden. Eine Klage auf Schadensersatz sei auch eine Option. Im Einzelfall müsse auch entschieden werden, gegen wen sich die Ansprüche richten. Ralf Stoll: „Das geht für die Verbraucher bei uns online ganz einfach und bequem. Und die Chancen stehen gut, gegen VW vor Gericht zu gewinnen.“ (https://www.vw-schaden.de/klageweg-pruefen)
KBA droht im Diesel-Abgasskandal mit Fahrzeug-Stilllegung
Der Kläger des neuen Oldenburger Falls hatte vor dem Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals einen gebrauchten VW Tiguan bei einem Händler für 24.000 Euro gekauft. Das Auto mit dem Motor EA 189 bekam eineinhalb Jahre später ein Software-Update aufgespielt, weil das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ansonsten die Stilllegung des Fahrzeugs angeordnet hätte. In erster Instanz scheiterte der Kläger mit seiner Schadensersatzklage. In zweiter Instanz stellte jedoch das Oberlandesgericht Oldenburg fest, dass der Verkauf eines Fahrzeugs mit der illegalen Abschaltvorrichtung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstelle, so dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen die VW-AG zustehe. Er könne daher das Fahrzeug zurückgeben und den Kaufpreis zurückverlangen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum Bundesgerichtshof ist zugelassen worden.
Nutzungsentschädigung bleibt umstritten
Allerdings müsse der Kläger sich die sogenannten „Nutzungsvorteile“ anrechnen lassen, das heißt, dass für jeden gefahrenen Kilometer ein Abzug vom Schadensersatz erfolgt. Da der Kläger ca. 100.000 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt hatte, musste er sich einen Abzug von rund 9.000 Euro anrechnen lassen. Der Senat hat diesen Abzug unter Zugrundelegung einer geschätzten Gesamtlaufleistung des Tiguan von 300.000 km errechnet. Der „Nutzungsvorteil“ oder die „Nutzungsentschädigung“ ist derzeit in der Rechtsprechung strittig. Die Landgerichte Mühlhausen (Az.: 6 O 647/17)und Kiel (Az.: 11 O 243/18) haben VW eine derartige Zahlung verweigert. Mit einer Nutzungsentschädigung, heißt es beispielsweise im Kieler Urteil, „würde die Beklagte im Ergebnis einen geldwerten Vorteil aus ihrem sittenwidrigen Verhalten ziehen. Ein solches Ergebnis ist nicht hinnehmbar“.
Auch umstritten ist der Anspruch auf eine Verzinsung des Kaufpreises. Am Oberlandesgericht Oldenburg herrschen dazu unterschiedliche Meinungen. Da Richter unabhängig sind, sind sie nicht an die Auffassung der Kollegen aus dem Parallelsenat gebunden. Der 13. Zivilsenat, der für den vorliegenden Tiguan-Fall verantwortlich war, entschied sich gegen eine Verzinsung, weil der Kläger für sein gezahltes Geld bis zur Rückgabe des Autos den Tiguan tatsächlich täglich nutzen haben können. Die Vorgehensweise bei der Nutzungsentschädigung und Verzinsung werden daher höchstwahrscheinlich vor dem Bundesgerichtshof entschieden werden.