Auch für Sportwetten gilt der Glücksspielstaatsvertrag
Der Nepp beim Glücksspiel funktionierte jahrelang generell so: Die meisten Spieler waren aufgrund der weit verbreiteten Werbung für Online-Sportwetten davon ausgegangen, dass es sich um legale Angebote handelte. Oftmals war dies jedoch nicht der Fall. Da Sportwetten im Internet als Online-Glücksspiel gelten, waren sie gemäß dem Glücksspielstaatsvertrag in Deutschland bis zum 30. Juni 2021 grundsätzlich verboten. Zwar hatten die Bundesländer die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, aber die Beklagte im aktuellen BGH-Fall verfügte während des Zeitraums, in dem der Kläger seine Wetten platzierte, über keine solche Konzession. Dr. Stoll & Sauer fasst das vorliegende Verfahren kurz zusammen:
- Der beklagte Sportwettenanbieter Tipico mit Sitz in Malta bietet im Internet über eine deutschsprachige Webseite Sportwetten an.
- Der klagende Verbraucher nahm von 2013 bis 2018 an Sportwetten der Beklagten teil.
- Während dieses Zeitraums verfügte Tipico über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, aber nicht über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten der deutschen Behörde. Tipico hatte eine solche Konzession beantragt. Dies erfolgte mit Bescheid vom 9. Oktober 2020.
- Der Kläger macht die Unzulässigkeit der Sportwetten sowie die Unwirksamkeit der Wettverträge geltend. Er behauptet, er habe nicht gewusst, dass es sich bei dem Tipico-Angebot um ein verbotenes Glücksspiel gehandelt habe. Mit seiner Klage hat er von Tipico die Rückzahlung der geleisteten Zahlungen in Höhe der erlittenen Verluste von 3.719,26 € nebst Zinsen sowie Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt.
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Das beklagte Wettunternehmen Tipico habe die Zahlungen des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil die Verträge über Sportwetten wirksam seien. Tipico habe zwar gegen § 4 Abs. 1 sowie gegen § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 verstoßen. Daraus resultiere jedoch keine Nichtigkeit der Verträge gemäß § 134 BGB. Tipico habe eine Konzession nach § 10a Abs. 2 GlüStV 2012 beantragt und die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung erfüllt und die Konzession 2020 auch erhalten.
- Tipico hat sich nun, obwohl sich die Ausgangslage durch den bisherigen Prozessverlauf als günstig darstellte, für Vergleichsverhandlungen entschieden. Die Gefahr, eine verbraucherfreundliche Entscheidung am BGH zu kassieren, war offensichtlich zu groß – und das bei einem Streitwert von knapp über 3000 Euro.
- Als Anlass für die Verhandlungen müssen jüngste verbraucherfreundliche Urteile an Oberlandesgerichten gewertet werden. Das OLG Karlsruhe hatte Tipico am 19. Dezember 2023 dazu verurteilt, einem Spieler 134.390 Euro zurückzuzahlen, die er bei Sportwetten verloren hatte. Karlsruhe machte klar, dass Tipico mit dem Sportwetten-Angebot gegen das Verbot von Online-Glücksspielen im Glücksspielstaatsvertrag verstoßen habe. Obwohl für Sportwetten eine Befreiung von dem Verbot möglich gewesen wäre, verfügte die Beklagte im fraglichen Zeitraum nicht über eine solche Genehmigung. Daher seien die abgeschlossenen Wettverträge nichtig, und der Kläger habe Anspruch auf die vollständige Rückerstattung seiner Verluste, so das OLG.
- Das OLG unterstrich in seinem Urteil, dass mit dem Verbot legitime Gemeinwohlziele verfolgt werden. Dabei gehe es um den Jugend- und Spielerschutz sowie die Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität. Glücksspiele im Internet gefährden die genannten Ziele in besonderem Maße.
- Das OLG Karlsruhe hatte die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen (Az.: 19 U 48/23).
Der Fall vor dem BGH zeigt deutlich, dass es sich lohnt, seine Ansprüche gegen Online-Sportwetten-Abzocke geltend zu machen. Der Verbraucher vor dem BGH wird das Verfahren sicher nur gegen die volle Erstattung seiner Verluste beenden. Tipico wird es sich etwas kosten lassen, um eine nachteilige Entscheidung vor dem BGH zu vermeiden. Mittlerweile nehmen die Anbieter von Online-Sportwetten immer häufiger die Berufungen gegen verbraucherfreundliche Urteile zurück und entschädigen die Spieler. Die Verhandlungsbereitschaft von Tipico & Co. zeigt also, dass Spieler beste Chancen haben, ihre Verluste aus illegal angebotenen Online-Sportwetten zurückzubekommen. Dr. Stoll & Sauer rät daher betroffenen Spielern zur Beratung im kostenlosen Online-Check. Mehr Infos zur Sportwetten-Abzocke gibt es auf einer speziellen Kanzlei-Website.
Geld zurück: Auch Online-Casinos oftmals illegal unterwegs
Nicht nur Anbieter von Sportwetten, sondern auch Online-Casinos bewegen sich mit ihren Angeboten auf illegalem Terrain. Folgende Sachverhalte sind für deutsche Gerichte bei Casino-Abzocke mittlerweile unstrittig und finden sich in den unterschiedlichsten Urteilsbegründungen:
- Die Angebote der Online-Casinos verstießen gegen geltendes Recht. Bis zum 30. Juni 2021 war Online-Glücksspiel in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen verboten. Der Vertrag zwischen Verbraucher und Anbieter ist nichtig und nie zustande gekommen. Verbraucher haben daher Anspruch auf die komplette Rückerstattung ihrer Verluste – natürlich nach Abzug ihrer Gewinne.
- Der Rückzahlungsanspruch ist nur dann zu verwehren, wenn Spieler von der Illegalität des Online-Glücksspiels gewusst hätten. Das verklagte Online-Casino muss diesen Zusammenhang dem Spieler nachweisen. Für die Allgemeinheit ist aus Sicht vieler Gerichte jedoch nicht bekannt, dass Online-Glücksspiele verboten gewesen sei.
- Manche Anbieter von Online-Glücksspielen verlangen von Spielern, dass sie sich selbst vor dem Zocken über die Rechtslage in ihrem Land informieren. Das OLG Frankfurt wies süffisant darauf hin, dass die Anbieter von Online-Glücksspielen selbst die Meinung vertreten, vollkommen legal zu handeln. Da passe es nicht, wenn sie dem Spieler unterstellen, dass er über die Illegalität informiert gewesen sein müsste.
- Sicherlich haben auch die Spieler gegen das Glücksspielverbot verstoßen. Allerdings gehen die Gerichte in den meisten Fällen davon aus, dass sie von dem Verbot nichts gewusst haben. Der Glücksspielanbieter jedoch schon. Er muss sich dieses Verstoßes bewusst gewesen sein und ihn trotzdem gewollt haben. Der Schutzzweck des Verbotes würde aus Sicht der Gerichte ad absurdum geführt, wenn der Anbieter den Einsatz des Spielers behalten könnte.
- Interessanterweise sind die meisten Online-Casinos auch aktuell noch ohne gültige Lizenz unterwegs, fand das Nachrichtenmagazin Der Spiegel heraus. Daher ist es für Verbraucher auch nach dem 1. Juli 2021 interessant zu prüfen, ob die Casinos illegal gearbeitet haben. Falls das so ist, können Ansprüche auf die Rückgabe der Verluste bestehen. Wichtig dabei: Die Geschädigten dürfen vorher von der Illegalität des Online-Casinos nichts gewusst haben. Die Betreiber müssen vor Gericht den Nachweis über eine mögliche Kenntnis des Spielers führen.
Weitere Infos hier: https://www.dr-stoll-kollegen.de/online-casino-geld-zurueck